Uni-Professoren berechnen "ultimative Weltrekorde": 100 Meter in 9,29?
100 Meter in 9,29 Sekunden? Mit dem Speer 106,50 Meter? Frauen-Marathon in 2:06 Stunden? Fabelweltrekorde, von denen Sportler träumen und Experten sagen: unmöglich! Wirklich unmöglich? Nach Ansicht von John Einmahl keineswegs. In einer Extremwert-Studie hat der Mathematik-Professor von der niederländischen Universität Tilburg die ultimativen Weltrekorde in 14 Leichtathletik-Disziplinen berechnet.
Und dazu noch die Qualität der Bestleistungen verglichen. Die Basisdaten, mit denen Einmahl und sein Kollege Jan Magnus ihre Computer fütterten, waren die Bestleistungen von 1.546 Leichtathleten und 1.024 Leichtathletinnen.
"Extremwert-Theorie"
"Das ist eine sehr seriöse Studie,
die Extremwert-Theorie als Teilgebiet der Mathematik und Statistik eine
anerkannte Wissenschaft. Wir haben die Leichtathletik-Weltrekorde
analysiert, weil auch der Sport von gesellschaftlichem Interesse ist",
erklärte Einmahl. Der 49-jährige Niederländer betrat mit dem Sport Neuland.
Zuvor hatte der Mathematiker beispielsweise extreme Aktienkurse, die
notwendige Höhe von Deichen im Falle von Sturmfluten oder im Auftrag von
Versicherungsgesellschaften größtmögliche Schadensfälle berechnet.
Viel Potenzial im Sprint
Vor allem die Sprinter müssen sich
sputen, wenn Einmahl und Magnus Recht behalten. Der 100-m-Weltrekord von
Asafa Powell (9,77 Sekunden) könnte noch um 48/100 auf 9,29 verbessert
werden, über 200 Meter (19,32/Michael Johnson) ist das Ende der Fahnenstange
- laut Extremwert-Theorie - erst bei 18,63 Sekunden erreicht. Um eine halbe
Sekunde könnte Liu Xiangs Weltrekord über 110 m Hürden (12,88 Sekunden) noch
gedrückt werden.
Im Speerwurf der Männer (Jan Zelezny/98,48 Meter) sind sogar 106,50 m drin, die berechnete Steigerung fällt mit 8,02 m deutlich größer aus als bei den Frauen: Nur 80 Zentimeter liegen zwischen dem aktuellen Weltrekord der Kubanerin Osleidys Menendez (71,70) und dem vom Computer berechneten Maximum (72,50). In der Qualitäts-Rangliste stehen die Weltrekorde von Menendez (1) und Zelezny (2) ganz oben.
Marathon-Frauen könn(t)en mehr
Überraschend mutet die
Prognose für die Marathon-Weltrekorde an: Die Frauen können noch viel, viel
schneller, bei den Männern ist kaum noch "Luft" drin. Nur um 49 Sekunden
kann die Top-Zeit von Paul Tergat (Weltrekord 2:04:55) nach Ansicht der
Extremwert-Forscher noch unterboten werden - bei den Frauen sind es immerhin
8:50 Minuten. Da dürfte selbst Paula Radcliffe, mit 2:15:25 Stunden die
schnellste Marathonläuferin der Welt, verdutzt den Kopf schütteln.
"Unmöglich" gibt's nicht
"Für viele Leichtathleten
ist das sicher deprimierend, wenn sie mit unseren Extremwerten konfrontiert
werden", meint Einmahl. Ein "Unmöglich" gibt es in seinem Metier nicht, ein
"Unglaublich" schon. Oder anders: Das Unglaubliche ist nicht unmöglich. "Wer
hätte schon geglaubt, dass Bob Beamon am 18. Oktober 1968 8,95 Meter weit
springt", fragt der Forscher. "Dass ein Mensch überhaupt zu so einer
Leistung fähig ist?" Gleich um 55 Zentimeter hatte der Amerikaner den
Weltrekord damals in der Höhe von Mexiko-City verbessert - einen solchen
Quantensprung gab es in der Leichtathletik noch nie.
Im Gegensatz zu früheren Weltrekord-Studien haben die Tilburger Professoren die Bestleistungen nicht über lange Zeiträume hinweg analysiert und auch keine physiologischen Daten erhoben. "Größe, Gewicht, Alter, Muskelmasse oder Talent spielten keine Rolle. Auch die Zeitprogression war nicht unsere Methode. Wir haben gar nicht die Absicht, den Weltrekord im Jahr 2525 vorauszusagen", betont Einmahl.