Am Montag trifft Melzer erstmals auf Tennis-König Roger Federer.
Jürgen Melzer hat nun wohl auch die letzten Zweifler überzeugt: Im Alter von 29 Jahren hat der Niederösterreicher den Durchbruch geschafft, den man ihm so lange schon zugetraut hatte. Nach dem sensationellen Erfolgslauf bei den French Open in Paris bis ins Halbfinale bestätigt Melzer seinen Aufstieg in die absolute Weltspitze nun auch in Wimbledon. Als zweiter Österreicher nach Alexander Antonitsch (1990) steht er im Einzel-Achtelfinale des Prestige trächtigsten Turniers der Welt. Dort wartet am Montag niemand Geringerer als der "Rasenkönig" selbst: Roger Federer.
Bann gebrochen
Erst im 32. Versuch hatte der Deutsch Wagramer in
Roland Garros erstmals bei einem Major die dritte Runde überstanden - und
dann noch zwei Siege draufgelegt. Nach elf Drittrunden-Niederlagen bei
Grand-Slam-Turnieren ist dieser "Fluch" endlich abgelegt, und Melzer, der
nun sicher in die Top 15 vorstoßen wird, spielt befreiter auf denn je. Wenn
der Stadthallensieg vergangenen Oktober in Wien den ersten "Schalter" bei
Melzer umgelegt hat, dann war Paris der sechste Gang. Plötzlich wird einer,
der lange Jahre konstante und auch sehr gute Leistungen gebracht hat, dann
aber oft in entscheidenden Momenten doch verloren hat, zum österreichischen
Top-Sportler. Melzer sorgt seit Wochen für die erfreulichsten Schlagzeilen
im österreichischen Sport und ist schon jetzt ein heißer Anwärter auf den
Titel "Sportler des Jahres".
Großer Auftritt am Centercourt
Voraussichtlich ein
Centercourt-Match in der zweiten Wimbledon-Woche - und endlich gegen Roger
Federer, den er seit den Jugend-Tennistagen kennt, dem er aber auf der
Profi-Tour kurioserweise noch nie gegenüber gestanden ist. "Das ist
eigentlich ein Wahnsinn, weil wir ja praktisch gemeinsam auf die Tour
gekommen sind. Es ist nie dazu gekommen. Meistens habe ich mich früher
verabschiedet, ein paar Mal auch er. Ich freue mich sehr auf dieses Match",
meinte Melzer schon nach seinem Viersatz-Sieg über Feliciano Lopez in der
dritten Runde am Freitag. "Wenn ich jetzt nicht in Form wäre, würde ich
lieber nicht gegen ihn spielen. Aber so ist es okay. Und man hat in der
ersten Runde gesehen, dass er verwundbar ist. Ich hoffe natürlich, dass ich
zu meinen Chancen kommen werde. Aber natürlich bin ich krassester
Außenseiter."
Federer will Melzer stoppen
Der sechsfache Wimbledon-Sieger aus
der Schweiz hatte schon in Paris den Aufstieg des Österreichers aufmerksam
verfolgt und ist daher gewarnt. "Es wird definitiv ein hartes Match. Er hat
sich wieder verbessert. Es geht aufwärts mit ihm, auch im Ranking", sagte
Federer. "Mein Job ist es, diesen Aufstieg ein bisschen zu stoppen."
Melzer kann gegen Federer ohne Druck aufspielen - sein großes Ziel, auch in Wimbledon die zweite Turnierwoche zu erreichen, hat er geschafft. "Der Druck, unter den ich mich vorher auch selber gesetzt hatte, ist nun weg", spricht Melzer die Vergangenheit an. "Es ist ein angenehmes Gefühl, in der dritten Runde zu stehen und zu wissen, dass man auf alle Fälle gewinnt, wenn man eine gute Leistung bringt", ist der Junioren-Wimbledonsieger 1999 weiter voller Selbstvertrauen. Jener Titel von vor elf Jahren hatte gezeigt, welch Talent in Melzer schlummert, und auch, dass Rasen ihm als Untergrund sehr liegt. "Ich genieße diese paar Wochen auf Rasen."
Rekord-Match verfolgt
Auch Melzer hat selbstverständlich das
Rekordmatch von John Isner und Nicolas Mahut (11:05 Stunden) verfolgt.
"Natürlich. Ich hätte mich in einem Bunker einsperren müssen, wenn ich das
nicht mitbekommen hätte. Es ist schlimm, dass einer dieser zwei das Match
verlieren musste. Ich habe zu beiden einen sehr guten Draht, und es ist
schon schade, wenn man danach einen so fertig in der Garderobe sitzen sieht.
Die beiden haben Tennisgeschichte geschrieben, und leider musste einer
verlieren."
Man versteht sich
Das muss auch am Montag passieren. Wie auch
immer es ausgehen wird, die beiden werden freundliche Worte füreinander
finden. "Wir plaudern des Öfteren miteinander und kennen uns ja schon lange.
Der Roger ist einfach ein netter Kerl. Ich glaube nicht, dass es viele gibt,
mit denen er sich nicht versteht", sagt Melzer. Und was sagt der Superstar?
"Es ist irgendwie cool, dass wir endlich die Chance bekommen, gegeneinander
zu spielen. Wir plaudern, wir haben schon miteinander trainiert, haben aber
noch nie gegeneinander gespielt." Außer in der Jugend bei der Orange Bowl
(1996 oder 1997, erinnert sich Federer). "Da hat er gewonnen", erinnert sich
Melzer, der auch einmal mit dem damals noch unbekannten Eidgenossen Doppel
gespielt hat.
Doch der 16-fache Grand-Slam-Sieger Roger Federer ist etwas ganz Besonders, auch für Melzer: "Den Roger kann man mit keinem anderen Spieler vergleichen. Der ist einfach einzigartig. Es ist einfach, dass er ein unheimliches Repertoire an Schlägen hat, mit denen er sich auf jeden Gegner einstellen kann. Man wird sehen, ob es hilft, dass ich Linkshänder bin. Ich habe nichts zu verlieren."