Sturm Graz hat sich in einem dramatischen Saisonfinish zum Meister der Fußball-Bundesliga gekrönt.
In einem Herzschlagfinale am Sonntag setzten sich die Steirer in der letzten Runde gegen Austria Klagenfurt verdient mit 2:0 (0:0) durch und stießen damit Serienmeister Salzburg nach zehn Titeln in Folge vom Thron. Für die Grazer, die nach dem Cupsieg erstmals seit 25 Jahren und zum zweiten Mal insgesamt über das Double jubeln, war es der vierte Meistertitel der Clubgeschichte.
In einem Geduldsspiel voller Sturm-Chancen erlöste Innenverteidiger Gregory Wüthrich die 15.325 Fans in Graz-Liebenau in der 69. Minute mit einem Kopfballtor nach einem Eckball. Kurz vor Schluss fixierte "Joker" Amady Camara (90.) die drei Punkte. Die Mannschaft von Erfolgstrainer Christian Ilzer sicherte sich mit einem Vorsprung von zwei Zählern den ersten Meistertitel seit 13 Jahren und damit einen lukrativen Fixplatz in der Champions League. Für Salzburg war auch ein 7:1 gegen den LASK zu wenig.
Packender Titelfight
David Affengruber musste den packenden Titelfight wegen muskulärer Probleme im Hüftbeuger von der Tribüne aus verfolgen, für ihn begann Dimitri Lavalée in der Innenverteidigung. Die Gelbsperre von Mittelfeldregisseur Otar Kiteishvili kompensierte Ilzer mit geballter Offensive, im 4-1-2-1-2-System stürmten Mika Biereth und Seedy Jatta, William Böving agierte in der Mittelfeldraute. Bereits eine Stunde vor Spielbeginn wurden die Sturm-Kicker von den Fans in der seit Wochen ausverkauften Arena frenetisch angefeuert. "Holt das Double und werdet Legenden", forderte die Anhängerschaft der "Blackies", die mittlerweile 15.000 Vereinsmitglieder umfasst.
Es dauerte fünf Minuten, bis die Ilzer-Elf erstmals gefährlich wurde. Nach einem weiten Eckball brachte Jusuf Gazibegovic einen Volleyschuss aus 18 Metern direkt aufs Tor, Klagenfurt-Tormann Phillip Menzel parierte. Während Salzburg im Fernduell schnell mit zwei Toren vorlegte, kamen die Grazer mit Tempofußball immer wieder in die Gefahrenzone. Schüsse von David Schnegg (16.) und Tomi Horvat (20.) wurden aber geblockt oder gingen drüber.
Geduldsspiel
Auf der Gegenseite hatte Sturm-Goalie Vitezslav Jaros mit einem Roller von Sebastian Soto (23.) keine Probleme. Ein direkter Freistoß von Jonas Arweiler (28.) aus etwa 18 Metern flog über das Tor. Die Kärntner, die ohne den gesperrten Andy Irving auskommen mussten, kamen immer besser in die Partie und setzten ihrerseits auf schnelles Umschaltspiel. Die Pacult-Elf machte dem Cupsieger das Leben schwer, für die im letzten Drittel oft zu ungenauen Grazer entwickelte sich ein Geduldsspiel.
In der 37. Minute musste der glücklos agierende Jatta verletzungsbedingt vom Platz. Kurz darauf schoss Arweiler aus guter Position volley drüber (39.). Die zweite Grazer Großchance fand Biereth vor, der sich nach einem langen Einwurf artistisch Platz verschaffte, dann aber völlig verzog (42.). Genau 22 Sekunden nach Wiederanpfiff setzte Alexander Prass einen Versuch von der Strafraumgrenze knapp neben die linke Stange.
Gastgeber drückten auf die Erlösung
Mit dem Wissen, ein Tor schießen zu müssen, und lautstark angefeuert von den Fans drückten die Gastgeber auf die Erlösung. In der 48. Minute war es fast soweit, doch Horvat brachte einen Stanglpass nicht im Tor unter, wenige Sekunden später scheiterte Böving freistehend am Fuß des glänzend reagierenden Menzel. Ein Biereth-Kopfball (60.) nach einer Ecke verfehlte das Ziel genauso wie ein Horvat-Distanzschuss (62.).
In Minute 69 herrschte dann Ekstase im Stadion. Wüthrich stieg bei einem Horvat-Corner in die Höhe und köpfelte unhaltbar für Menzel zur Führung. Ein Großteil der Sturm-Fans verfolgte die Schlussphase stehend und sah, wie sich die Pacult-Elf bemühte, den Ausgleich zu erzielen. Und es wurde noch einmal knapp, nachdem ein Kopfball von "Joker" Jaritz an die Stange klatschte (84.) und ein Besuschkow-Schuss das Tor verfehlte (89.). Kurz darauf blieb Camara bei einem Konter eiskalt und fixierte damit den Meistertitel.
Reaktionen zu Meistertitel für Sturm Graz
Christian Ilzer (Sturm-Trainer): "Natürlich braucht man ein paar Tage, bis man wirklich begreift, welch großartige Geschichte heute finalisiert wurde. Wir haben alle gelitten, es war schon eine gewisse Anspannung da. Wir haben das Double für einen fantastischen Traditionsverein geholt. Wir haben gezeigt, dass es auch möglich ist, einen Giganten wie Salzburg vom Thron zu stoßen. Man muss solche Momente feiern. Wir sind zusammengewachsen, haben viele Hürden gemeistert. Das schweißt zusammen."
Andreas Schicker (Sturm-Sportchef): "Wir sind alle Jahre näher an Salzburg herangekommen, heuer haben wir sie erwischt. Wir haben uns für eine klare Spielidee und den richtigen Trainer entschieden und auch gute Transfers getätigt. Es hat alles zusammengepasst. Wenn ich sehe wie viele glückliche Menschen heute im Stadion sind, in der ganzen Steiermark - und ich glaube am Ende des Tages muss man auch sagen, dass Fußball-Österreich endlich einmal einen anderen Meister hatte sehen wollen, das habe ich mitbekommen. Ich bin überglücklich, aber es wird ein bisschen dauern, dass ich das emotional zeigen kann."
Zu seinem möglichen Verbleib: "Die Champions League ist sehr reizvoll, so etwas erlebt man nicht alle Tage. Ich treffe die Entscheidung nächste Woche."
Jauk: "Sie sind bereits Grazer Legenden geworden"
Christian Jauk (Sturm-Präsident): "Mir fehlen ein bisschen die Worte. Kurz vor dem 1:0 bin ich irgendwann einmal nervlich weggetreten. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Die Sturm-Familie hat jahrelang daran geglaubt. Wir sind das Juwel des Südens Österreichs. Ich ziehe den Hut vor Ilzer und Schicker. Sie sind bereits Grazer Legenden geworden."
Stefan Hierländer (Kapitän Sturm Graz): "Ich bin vor einiger Zeit zu Sturm gekommen, es war ein großer Traum, einen Titel zu holen. Jetzt das Double ist überragend. Auch Kompliment an Salzburg. Sie haben über Jahre die Titel geholt und wir haben jetzt erfahren, wie schwierig das ist. Aber ich denke, wir sind verdienter Double-Sieger."
Gregory Wüthrich (Spieler Sturm Graz): "An alle Sturm-Fans, dieser Titel ist für euch. Ich liebe euch alle. Ich hatte keine einfache Karriere, ich habe immer wieder Rückschläge gehabt. Ich musste viel schlucken. Das ist eine Belohnung für alles, ich habe so hart für alles gearbeitet."
Stankovic: "Ein unfassbares Spiel, einfach geil"
Jon Gorenc Stankovic (Spieler Sturm Graz): "Ich kann es nicht fassen, es war eine unfassbare Saison, ein unfassbares Spiel, einfach geil. Es war ein schwieriges Spiel, Klagenfurt hat auch alles gegeben, um einen Sieg hier zu holen. Aber nicht hier heute. Das Double bedeutet mir alles. Ich und ein paar Jungs haben viele Jahre dafür gearbeitet."
Jusuf Gazibegovic (Spieler Sturm Graz): "Ich kann meine Emotionen nicht halten. Es war einer meiner größten Träume mit dem Verein, den ich in den letzten vier Jahren so lieben gelernt habe. Wo ich mich vom ersten Tag an wohlgefühlt habe, jetzt so etwas Großes zu erreichen, ist unglaublich. Ich bin der glücklichste Mensch dieser Welt. Wir haben gewusst, dass das nicht einfach wird, weil Klagenfurt auch eine gute Mannschaft ist. Wir haben gewusst, was wir für Qualitäten haben. Natürlich haben wir in der Halbzeit gewusst, wie es steht. Aber das hat die Moral dieser Mannschaft gezeigt, wie wir das Spiel gewinnen, wie wir gefightet haben."
Onur Cinel (Trainer Salzburg): "Tatsächlich freue ich mich über das Spiel und die Art und Weise, wie wir gespielt haben. 7:1 in so einem Spiel zu gewinnen, ist nicht selbstverständlich. Klar sind wir gerade enttäuscht, das liegt daran, dass wir die letzten Jahre extrem privilegiert waren, was Siege und Titel angeht. So ging es mir als Trainer auch. Ich weiß aber auch, dass wenn einmal so etwas ist, es in dem Moment extrem weh tut, aber wenn man da die richtigen Erkenntnisse daraus zieht, auch wieder ganz viel Kraft daraus gewinnt und sehr viele gute Entscheidungen trifft. Ich bin mir sicher, dass der Club das auch machen wird."
Seonbuchner: "Natürlich ist man enttäuscht"
Bernhard Seonbuchner (Sportdirektor Salzburg): "Natürlich ist man enttäuscht. Es war klar, dass wir drei Punkte holen müssen, das hat die Mannschaft eindrucksvoll gemacht heute und richtig gut Fußball gespielt. Von der ersten bis zur letzten Minute war das im Grunde so, wie wir auftreten wollen, das haben wir zu häufig nicht geschafft in der Saison. Sturm Graz hat gewonnen und dementsprechend auch verdient den Meistertitel geholt, deswegen ist in Moment auch Sturm Graz zum Meistertitel zu gratulieren, von dem her alles Gute nach Graz."
Luka Sucic (Kapitän Salzburg): "Fakt ist, wir sind nicht zufrieden. Wir stehen ohne Titel da. Aber ich denke, wir müssen uns alle im Verein gut erholen und dann auf die nächste Saison voll angreifen, dann bin ich mir sicher, dass wir wieder ganz oben stehen werden."
Peter Pacult (Klagenfurt-Trainer): "Es war ein Spiel wie wir es uns gewünscht haben. Wir haben uns sehr ordentlich verkauft, nicht dass man uns dann etwas nachsagen könnte. Vor allem in der ersten Halbzeit hat man das gesehen. Je länger das Spiel gedauert hat, umso schwieriger wurde es für Sturm. Eine Standardsituation war dann der Dosenöffner. Gratulation an Sturm, an Chris Ilzer. Ich denke, wir haben uns gebührend aus dieser Saison verabschiedet. Die Mannschaft hat diese Saison wieder einen Schritt nach vorne gemacht, mehr Punkte geholt. Das war mit unseren Möglichkeiten ein großer Schritt."