Sebastian Ofner hat sich und Tennis-Österreich bei den French Open in Paris überrascht: Nach dem Erstrunden-Aus von Dominic Thiem ist es der 27-jährige Steirer, der als erster Österreicher seit Thiem vor mehr als zwei Jahren wieder das Achtelfinale eines Major-Turniers erreicht hat.
Nach dem sehenswerten Fünf-Satz-Sieg über Fabio Fognini bäumt sich für Neo-Top-100-Mann Ofner am Sonntag eine große Hürde auf: Der Grieche Stefanos Tsitsipas ist klarer Favorit. Neben dem offensichtlichen Unterschied in Sachen Ranking und Erfahrung, hat Qualifikant Ofner natürlich auch schon sechs Matches, darunter eben die 3:54-Stunden-Partie gegen Fognini, in den Beinen. Ofner ist sich jedenfalls der Rolle des klaren Außenseiters bewusst. "Ich erwarte mir gar nichts. Ich werde versuchen, mein Spiel zu spielen und schauen wie es funktioniert und ob ich im Match was ändern muss", meinte der steirische Schützling von Wolfgang Thiem.
Tsitsipas sei ein jahrelanger Top-Ten-Spieler. "Das ist in meinen Augen noch einmal eine Spur über den anderen. Ich habe bis jetzt zwei, drei Mal gegen einen Top-Ten-Spieler gespielt, da kann ich mir nicht viel erwarten." Gegen Tsitsipas hat Ofner sogar schon einmal gespielt, doch das war tennismäßig gesehen in einer anderen Zeitrechnung. 2017 in der Qualifikation für Antwerpen holte Ofner den ersten Satz 7:6, eher er zweimal 4:6 verlor. Damals schaffte es der Grieche übrigens u.a. dank dem ersten Sieg über einen Top-Ten-Mann ins Halbfinale und erstmals in die Top 100.
Diese hat Tsitsipas seither nicht mehr verlassen und nun liegt er konstant in den Top Ten und hofft endlich auf seinen ersten Grand-Slam-Titel. Bei den diesjährigen Australian Open und in Roland Garros 2021 stand er schon jeweils im Finale.
Neues Karriere-Hoch für Ofner
"Er kann alles - wenn man Top Ten steht, muss man das. Er wird mit jedem Schlag versuchen, mich unter Bedrängnis zu setzen, er serviert richtig gut, es wird ein richtig schwieriges Match", weiß Ofner. Aber natürlich gibt er sich nicht schon vorher geschlagen. "Wenn ich gut spiele, aggressiv spiele, gut serviere und retourniere, kann es sicher auch für ihn unangenehm sein."
Mit 180 ATP-Zählern und 240.000 Euro brutto hat Ofner sowohl im Ranking als auch auf dem Konto so dick wie nie angeschrieben. Für das Viertelfinale stehen gesamt 360 bzw. 400.000 Euro auf dem Spiel. Fix ist wohl, dass Ofner gegen die Nummer 5 der Welt entweder auf den Court Suzanne Lenglen oder gar ins größte Sandplatz-Stadion der Welt, den Court Philippe Chatrier einlaufen wird. "Ich freue mich riesig, dass es ein großes Stadion werden wird. Voriges Jahr gegen Zverev habe ich im Lenglen gespielt", erinnerte er an die Drei-Satz-Niederlage gegen den Deutschen in der ersten Paris-Runde.
Die schönste und wichtigste Erkenntnis hat Ofner schon vor dem Schlager gegen den zweifachen Monte-Carlo-Sieger und ATP-Finals-Sieger 2019 (über Thiem). Er hat Platz 80 bereits sicher und die Top 100 wohl für den Rest des Jahres in der Tasche. Damit kann Ofner die Challenger-Ebene vermehrt verlassen und mehr auf der ATP-Tour spielen. "Ja, ich glaube, dass ich heuer relativ sicher unter den Top 100 sein werde, das kann ich noch gar nicht so wirklich fassen", freut sich Ofner.
Konstanz als Mittel zum Erfolg
"2017 war ich bei 130, 2019 war das letzte Mal 126, da ich war ich schon knapper dran. Aber ich hatte das Gefühl, es fehlt noch was, die Konstanz. Heuer habe ich dann gesehen, es fehlt nicht viel." Sein langer Leidensweg nach einem Fersenkeil im linken Fuß gehört damit endgültig der Vergangenheit an. Ein Erfolgsrezept sei die Einstellung im Kopf: "Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie ein Schlag oder ein Ergebnis war, ich spiele einfach."
Trotz vier Challenger-Finali in diesem Jahr und dem aktuellen Run in Paris sieht sich Ofner noch nicht am Zenit. "Ich habe bis jetzt in keinem Match einen Lauf gehabt, in dem ich über oder weit über meinen Verhältnissen gespielt habe. Deswegen fühlt sich das wirklich unbeschreiblich an." Gegen einen Tsitsipas, der nur in der ersten Runde etwas "rostig" ins Turnier gestartet war, danach aber souverän agierte, wird Ofner freilich noch mehrere Gänge zulegen müssen.
Tsitsipas hat Respekt vor Ofner
Tsitsipas gab in seiner Pressekonferenz an, ein wenig vom Match Ofners gegen Fognini gesehen zu haben. "Ich weiß, dass ihm der Sandplatz sehr gut liegt. Er hatte auch in der Vergangenheit gute Ergebnisse auf Sand. Man sieht ihn vielleicht nicht oft bei Masters 1000-Turnieren oder 500ern weit kommen, aber ich bin sicher, er fühlt sich mit seinem Tennis sehr wohl gerade", meinte der 24-Jährige mit der sehenswerten einhändigen Rückhand.
Jedenfalls werde es für ihn eine "sehr andere Herausforderung" werden, weil er sonst gegen Spieler antrete, die er auf der Tour sieht. "Aber ich werde an das Match mit Ernsthaftigkeit und Professionalität herangehen." Egal, wer die Partie gewinnt - im Viertelfinale wäre auch ein Tsitsipas Außenseiter: Denn dort wird mit großer Wahrscheinlichkeit Topfavorit Carlos Alcaraz warten, der zuvor noch Lorenzo Musetti (ITA-17) zum Gegner hat.