Exklusiv

Zu Gast bei NHL-Star Thomas Vanek

24.11.2006

Thomas Vanek ist am besten Weg zum NHL-Superstar zu werden. ÖSTERREICH besuchte ihn daheim in Buffalo.

Zur Vollversion des Artikels
© (c) Kernmayer/ÖSTERREICH
Zur Vollversion des Artikels

Der Taxifahrer, der uns vom Flughafen in den Buffalo-Nobelstadtteil Williamsville chauffiert, staunt: Dass wir Thomas Vanek persönlich kennen, und dass der Stürmerstar der Buffalo Sabres Österreicher ist. Tatsächlich hat sich unser größtes Eishockey-Talent längst dem amerikanischen Lifestyle angepasst.

Typisch amerikanisch
Ein Einfamilienhaus in der Park Lane, in der Einfahrt der rote Cadillac-Van. Thomas Vanek öffnet uns die Tür zu seinem Reich: Typisch amerikanisch geht das Vorzimmer ins Wohnzimmer mit offener Küche über. Im Zentrum ein riesiger Plasma-TV-Schirm. Gemütliche Sitzgarnitur, auf dem Couchtisch ein Laptop mit drahtlosem Internet-Zugang. Neben der Küche ein Gästezimmer mit eigenem Bad. Über die Treppe hinunter geht’s ins Schlafzimmer. Das war’s. Die Einrichtung ist unscheinbar, alles ist sorgfältig aufgeräumt. Nichts deutet darauf hin, dass wir bei einem Sportler von Weltformat zu Gast sind. Keine verschwitzten Sport-Klamotten, keine Hockeyschläger, keine Trophäen, keine Bilder an der Wand. Die kleine Shi-Tzu-Hündin "Diesel" ist das lebende Highlight. Im Schlafzimmer hat Vanek Portraits seiner Freundin aufgestellt. "Ashley kommt alle zwei, drei Wochen für ein paar Tage her", erzählt Vanek. "Sie macht gerade in Minnesota ihr Studium fertig. Danach zieht sie fix zu mir." Wie in seiner Karriere hat der erst 22-jährige Eishockey-Profi auch hier alles sehr schnell in klare Bahnen gelenkt.

Fest eingeteilter Tagesplan
Das NHL-Leben ist ohnehin nichts für Chaoten. Bei 82 Spielen allein im Grunddurchgang müssen die NHL-Profis mit ihren Kräften sparsam umgehen. An spielfreien Tagen schläft Vanek bis halb neun. Dann fährt er in die 15 Autominuten entfernte Eishalle, wo er frühstückt. Schließlich beginnt das Training: Dehnen, Einradeln am Monark-Ergometer. Eine Stunde am Eis, Kraftkammer, Massage, Regenerations-Maßnahmen (z.B. Kalt- oder Warmwasserbecken). Beim Duschen lässt er sich ewig Zeit. "Meist komme ich als Letzter aus der Halle." Der Nachmittag bleibt zum Relaxen, der Abend zum Treffen mit Freunden – zum Beispiel mit seinen tschechischen Sabres-Kollegen Ales Kotalik, Jiri Novotny oder Jaroslav Spacek. Für nächtliche Aktivitäten ist die 1-Millionen-Einwohner-Stadt im Bundesstaat New York denkbar ungeeignet. Die Eishockey-Arena und das Football-Stadion der Buffalo Bills sind neben den nur 30 Kilometer entfernten Niagara-Fällen die einzige Attraktion weit und breit.

Eltern-Besuch
Vanek ist zwar Österreicher, sein steirischer Dialekt hat bereits einen stark amerikanischen Einschlag ("Wenn ich aufwache, denke ich Englisch"), und wenn seine Eltern wie gerade jetzt auf Besuch sind, wird Tschechisch gesprochen. Leicht möglich, dass Kotalik, der zwei Häuser weiter wohnt, zum Schmähführen vorbeischaut.

Vanek-Papa Zdenek, früher selbst Eishockey-Profi und Spielertrainer bei Zell/See, nützt das vielfältige Eishockey-Angebot im TV und beklagt sich: "Ewig schade, dass Premiere bei uns keine NHL-Partien überträgt." Nicht zu unrecht sind die Vanek-Eltern stolz auf den Werdegang ihres Sohnes.

Rasche Umstellung
Mit 14 hatte sich Thomas aus seiner Heimat verabschiedet, um nach Nordamerika zu übersiedeln. "Die ersten Wochen waren schon hart", erinnert sich der Grazer zurück. "Da ich kein Englisch konnte, konnte ich nicht einmal mit meinen Kollegen Spaß haben. Aber nach zwei, drei Monaten hat’s gepasst." "Außerdem hätte der Thomas ja jederzeit zurückkommen können", schaltet sich die Mutter ein.

Mit 18 gewann Vanek mit Minnesota die US-College-Meisterschaft, kurz darauf wurde er von den Buffalo Sabres in der ersten Runde an Position fünf gedraftet – für eine Gage von knapp einer Million Dollar pro Jahr. In seinem Rookie-Jahr in der NHL erlebte Vanek nach einem beeindruckenden Start (25 Tore, 23 Assists) den ersten Rückschlag seiner Karriere. In den Play-Offs sah er das Eis meist von der Bank aus. Headcoach Lindy Ruff trocken: "Thomas war einfach nicht stark genug."

Schlüsselspieler
Vanek zog die Konsequenzen, trainierte über den Sommer wie ein Besessener mit einem eigenen Konditions-Coach in Minnesota (wo er mit seiner Freundin ein Traumhaus gebaut hat) und startete im Herbst sensationell gut vorbereitet in sein zweites Profi-Jahr. Ruff zeigte sich beeindruckt: "Thomas hat die Zeit in der Kraftkammer genützt und körperlich ein neues Level erreicht." Für den Cheftrainer ist der Wahl-Steirer am besten Weg, zum Schlüsselspieler der Sabres zu werden: "Thomas lernt unglaublich schnell – andere brauchen für so eine Entwicklung fünf, sechs Jahre."

Aus Buffalo: Knut Okresek/ÖSTERREICH

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel