Einen Monat nach Horror-Sturz verblüfft er in der Reha sogar die Ärzte.
Die Reha-Klinik in Hochzirl. Hans Grugger holt tief Luft. In seinem Blick: Entschlossenheit. Dann nimmt er die Treppe in Angriff. Eine Stufe nach der anderen. Nur mehr die Riesen-Wunde am Kopf und eine Halsstütze erinnern an den Horrorsturz.
Kitzbühel, 20. Jänner, das Abschlusstraining für die Hahnenkamm-Abfahrt. Grugger stürzt schwer, schlägt mit dem Kopf auf und schlittert bewusstlos blutend weiter. Schweres Schädelhirn-Trauma, gebrochene Halswirbel, Lungenquetschung. Ärzte kämpfen um das Leben des Salzburgers. Wegen der Gehirnschwellung wird in einer Not-Operation ein Teil der Schädeldecke entfernt (deshalb der Kopfverband). 12 Tage künstliches Koma. Am 15. Februar wird der Schädelknochen wieder eingesetzt. Drei Tage später kommt Grugger in die Reha-Station nach Hochzirl.
Dort berichtet Professor Leopold Saltuari (60), der das Reha-Programm leitet, täglich über unglaubliche Fortschritte. Der erfahrene Neurologe: „Ich hatte Tausende Patienten, aber Herr Grugger schafft es immer wieder, mich aufs Neue positiv zu überraschen.“
PC-Spiele
Der Reha-Tag beginnt täglich um 8 Uhr. „In der Früh muss er sich selber waschen“, sagt der Arzt. „Auch das gehört zum Training.“ Zur Physiotherapie gehören Motorik-Übungen, Geh-Schule, Stufensteigen und spezielle Abroll-Bewegungen. Das rechte Bein, das zu Wochenbeginn noch stark eingeschränkt war, kann Grugger schon fast normal heben. Das Gehirn wird mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnistraining oder Schreib-Übungen trainiert, die Reaktionsfähigkeit mit Computerspielen geschult.
Freundin dabei. Gruggers Freundin, Ex-Skirennläuferin Ingrid Rumpfhuber (30), ist immer dabei. Nur zum Schlafen fährt sie in die zehn Kilometer entfernte Wohnung nach Innsbruck. Saltuari: „Man hat mehr Kraft, wenn man nicht 24 Stunden am Tag beim Patienten ist.“ Wie lange wird Grugger noch in Hochzirl bleiben? „Nur mehr zwei, drei Wochen“, schätzt der Arzt. „Dabei könnte Grugger schon jetzt ohne Fremdhilfe leben.“ Unglaublich! Saltuari: „Wahrscheinlich könnte er sogar wieder Skirennen fahren.“
„Der Sturz und die Tage davor sind ausgelöscht“
ÖSTERREICH: Gibt es für Gruggers Fortschritte eine medizinische Erklärung?
Leopold Saltuari: Als Profisportler hat er eine außergewöhnliche Fähigkeit zu regenerieren. Außerdem sieht er Rückschläge als Herausforderung. Sein Motto: ,Jetzt erst recht!’ Grugger ist in jeder Beziehung ein Vorbild-Patient.
ÖSTERREICH: Kann er sich an seinen Sturz erinnern?
Saltuari: Nein. Das ist nach so einem schweren Hirntrauma ausgelöscht, auch die Tage davor. Aber sonst gibt es kaum Erinnerungslücken. Man kann sich mit ihm ganz normal unterhalten.
ÖSTERREICH: Wie kann man sich Gedächtnistraining vorstellen?
Saltuari: Ich lasse ihn zum Beispiel Zahlenreihen wiederholen. Oder ich wechsle das Thema und frage ihn dann, ob er sich an das, was wir vor zwei Minuten gesprochen haben, erinnern kann. Mit den Physiotherapie-Übungen dauert unser Programm gut vier Stunden täglich. Mehr ist noch nicht möglich.
ÖSTERREICH: Kann Grugger wieder Skirennen fahren?
Saltuari: Neurologisch betrachtet durchaus. Ob es Sinn macht, sich noch einmal der Gefahr auszusetzen, ist allerdings eine andere Frage. Jedenfalls wird Hans Grugger in ein ganz normales Leben zurückkehren können. Ganz wie früher wird er aber nie.