Neue Ski-Ära
Vater machte Hirscher zur Nr. 1
10.01.2012
Seriensieger, Weltcupführung, Rekordjäger! Marcel Hirscher ist unser neuer Superstar.
Auf der Autofahrt von Adelboden zurück nach Salzburg bimmelte in den Kurven immer wieder eine der gewonnenen Schweizer Kuhglocken. Treffend, denn der 22-jährige Shootingstar läutet im Weltcup eine komplett neue Ära ein.
Marcel kümmert sich um verletzte Mutter
Im Moment denkt Marcel aber nicht an Hundertstel und Skirennen. Sein erster Weg nach der Rückkehr ging zu seiner Mutter Sylvia. Die gebürtige Holländerin ist in der heimischen Skischule schwer gestürzt und hat sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Marcel rührend: „Ich werde mich jetzt ein wenig um sie kümmern.“ Er weiß, wie man mit Verletzungen umgeht.
Im Februar 2011 hatte er selbst einen Kahnbeinbruch erlitten. „Durch die Verletzung habe ich einen guten Bezug zur Realität und ein bisschen Distanz zum Sport bekommen. Ich habe das Verbissene ‚Ich muss, ich muss‘ abgelegt“, erklärt Hirscher heute.
Holt Hirscher nach Raich wieder den Weltcup?
Eine Einstellung, die ihn zurzeit im Riesentorlauf und Slalom unschlagbar macht. Die gesamte Ski-Welt staunt über das Phänomen Hirscher. Fünf Saisonsiege hat er in diesem Winter schon gefeiert. Mit 725 Punkten führt er überlegen den Gesamtweltcup an. Er ist unsere heißeste Aktie, nach Benni Raich 2006 endlich wieder den Gesamtweltcup zu holen. Sein Vorsprung vor Titelverteidiger Ivica Kostelic beträgt schon 230 Zähler. Einen derart großen Punktepolster hat es zu diesem Zeitpunkt der Saison das letzte Mal im Jahr 2005 gegeben.
Er bleibt cool
In die Favoritenrolle lässt sich Marcel aber nicht drängen: „Da fahren noch viele andere gute Rennläufer den Berg hinunter, bis das für mich ein Thema wird“, erklärt er cool. Seine Lockerheit und Gleichgültigkeit ist nicht gespielt, die hat er sich bewusst angeeignet. Das hat in erster Linie auch mit seinem Umfeld zu tun. Mit den ÖSV-Trainern herrscht bestes Einvernehmen, um die Vermarktung kümmert sich eine Agentur. Marcel: „Ich brauch mich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren: schnell Skifahren.“
Vater Ferdinand ist das Mastermind
Mastermind hinter dem Erfolgslauf ist aber sein Vater Ferdinand. Er hat ihn zur Nummer eins geformt. Der Herr Papa ist immer dabei, gibt vor Rennen die letzten Tipps und gleich danach wird analysiert. Zweiter wichtiger Faktor im Leben von Hirscher ist seine Freundin Laura. Seit dreieinhalb Jahren sind die beiden ein Paar. Bei Rennen sieht man das fesche Teilzeit-Model selten. Marcel im Scherz: „Bei uns im ÖSV-Team herrscht Sex-Verbot!“ Bis Donnerstag gönnt sich Hirscher mit Laura eine Auszeit.
Auch um seine Mutter wieder aufzubauen …
Vater: "Mein Sohn geht immer ans Limit!"
ÖSTERREICH: Marcel beweist unglaubliche mentale Stärke, wenn es um die Wurst geht. Woher hat er das – vom Papa, von der Mama geerbt oder gelernt?
Ferdinand Hirscher: Ich glaub, dass es daher kommt, dass der Marcel von klein auf gelernt hat, immer sein Bestes zu geben. Und wenn du lernst, immer ans Limit zu gehen, dann ist es leichter, Rennen zu gewinnen, dann kann man, nicht immer, aber immer wieder, auch das Glück zwingen.
ÖSTERREICH: Stichwort Glück: Warum gelingt es Marcel so gut, mit dem wachsenden Erfolgsdruck umzugehen?
Hirscher: Dieses Gefasel vom Druck höre ich nicht gern. In dem Moment, in dem das Fernsehen dabei ist, stehst du sowieso im Mittelpunkt. Und wenn Tausende an der Strecke und Hunderttausende im Fernsehen zuschauen, dann ist für Marcel die Herausforderung doppelt so groß, das Beste aus sich und der Situation zu machen.
ÖSTERREICH: Und er schafft es im Stile eines Akrobaten immer wieder, Stürze und Ausfälle zu vermeiden.
Hirscher: Ja, das hängt auch mit mir zusammen. Ich war selbst früher im Turnsaal, um am Boden, Barren und Reck zu turnen, um meine Körperbeherrschung zu verbessern, weil zum perfekten Skirennlauf auch perfekte Körperbeherrschung gehört. Wenn möglich, gehe ich mit Marcel immer noch zwei, drei Mal die Woche in den Turnsaal.
ÖSTERREICH: Wie groß ist der Druck von oben, den Gesamtweltcup zu holen?
Hirscher: Ich sag so, die große Kugel ist derzeit kein Thema. Wichtig ist, dass sich Marcel auf Slalom und Riesenslalom konzentriert. Wenn er zu viele Rennen fährt, geht das auf Kosten der Kraft, da ist er mit seinen 22 Jahren noch zu jung. Aber mit seinem Leichtgewicht hat es weniger zu tun, dass er keine Speed-Rennen fährt. Vor zwei, drei Jahren hat es auch im Slalom noch geheißen, dass man Masse braucht und viel Gewicht, um überhaupt zu gewinnen. Marcel hat es eindrucksvoll widerlegt, weil er immer die schnellste Linie findet.