Ehemalige Weltklasse-Skiläuferin bricht nach Jahren ihr Schweigen.
Es sind schockierende Vorwürfe, die Nicola Werdenigg (ehemals Spieß) im Standard erhebt. Die Ex-Skiläuferin erzählt von sexuellen Übergriffen im ÖSV-Team während der 1970er-Jahre. "Von Trainern, von Betreuern, von Kollegen, von Serviceleuten", sagt die heute 59-Jährige.
Mit 14 debütierte sie im Weltcup. Mit 16 holte sie die ersten Punkte. Und erlebte in der Zeit "sonderbare Dinge". Werdenigg wird gar konkret: "Als ich 16 Jahre alt war, haben mich zwei Männer unter Alkohol gesetzt, einer der beiden hat mich vergewaltigt." Beim Täter soll es sich um einen männlichen österreichischen Skiläufer gehandelt haben.
Jahrelang habe sie dieser Missbrauch verfolgt. Gesprochen habe sie mit niemandem darüber. "Weil ich mich so geschämt habe. Ich habe mir die Schuld gegeben, wie es junge Frauen oft machen, weil ich mich habe ansaufen lassen", erklärt die Vierte der Olympia-Abfahrt von 1976 in Innsbruck.
Werdenigg war nicht das einzige Opfer. Eine andere Frau wurde etwa heimlich beim Geschlechtsverkehr mit einem Teamkollegen gefilmt. Was passierte danach? "Das Video wurde der Mannschaft vorgespielt. Das ging damals als Scherz durch. Ihm ist gar nichts passiert, sie hat sich zu Tode geschämt und den Sport geschmissen. Die Frau war ruiniert. Es war grausam, aber so war das damals eben." Teilweise seien Läuferinnen zu pornografischen Handlungen vor der Kamera gezwungen worden.
"Der erste große Schock"
Begonnen habe die sexuelle Gewalt in der Ski-Hauptschule, so Werdenigg, als sie ein Mitschüler versuchte, zu vergewaltigen, während der Heimleiter dabei zusah. "Der Vergewaltigung fehlte der Akt, ich konnte mich mit der kindlichen Überlebensstrategie wehren. Schreien half nicht, der Tritt in den Unterleib sehr wohl. Die Tatsache, dass der Mann, der diese Aktion aus Frauenverachtung inszenierte, dabei Befriedigung vor meiner Zimmertür erlebte, war der erste große Schock in meinem Leben", betont die Speed-Spezialisten, die insgesamt vier Mal auf das Weltcup-Podium fuhr.
Das renommierte Ski-Gymnasium in Stams, das sie danach besuchte, nimmt sie von ihren Anschuldigungen aus. Werdenigg: "Stams war ein Refugium. Ich habe dort nie etwas Verdächtiges erlebt. Mir kam nie ein Trainer oder Lehrer eigenartig vor. Diese Schule bot mir eine völlig neue Form der Sozialisierung."