Herren-RTL als schwierige "Mission Stockerl"
22.02.2010Neues Spiel, neues Glück! Nach diesem Motto gehen Österreichs Skiherren in die zweite Olympiawoche der Vancouver-Spiele, in der die Medaillenlosigkeit nach drei Rennen beendet werden soll. Fünf der sieben "Retter" gehen unvorbelastet von den Speed-Pleiten in den Riesentorlauf (Dienstag) und den Slalom (Samstag). Das Wetter wird übrigens ab Mitte der Woche wieder deutlich schlechter.
Das wird vor allem Reinfried Herbst nicht gerne hören, der im Slalom als so etwas wie eine "Bank" dafür gilt, dass Olympia 2010 nicht ohne Herren-Alpinmedaille zu Ende geht. Doch zunächst galt alle Aufmerksamkeit dem auf Dienstag (18.30/22.00 MEZ) verschobenen Riesentorlauf, in dem Österreich neben Philip Schörghofer und Romed Baumann mit Benjamin Raich und vor allem dem zweifachen Saisonsieger Marcel Hirscher zwei Medaillen-Kandidaten ins Rennen schickt.
Der 20-jährige Shootingstar aus Salzburg kam freilich mit einem im Slalomtraining erlittenen und genähten Cut am Kinn sowie einer Menge Respekt vom Training aus Sun Peaks angeflogen. Vor sechs Jahren war Hirscher schon mal hier gewesen, damals noch beim Schülercup in Whistler gestartet und weiß seitdem, wie in etwa der Schnee am Pazifik ist.
Dass das feuchte, weiche Weiß am Whistler Mountain nicht sein bevorzugter Untergrund ist, bringt eines zum anderen. Während Raich dem Salzburger Bestnoten gab, stufte sich Hirscher punkto Riesentorlauf-Chancen mit nur drei von fünf Sternen ein, obwohl am Dienstag dank anhaltendem Sonnenschein noch die bestmögliche Piste am Whistler Mountain vorzufinden sein wird.
"Während ich etwa in Kranjska Gora jedes Jahr gut fahre, weiß ich, dass mir das hier nicht unbedingt liegt", erklärte der vom Training im tiefwinterlichen Sun Peaks eingeflogene Hirscher seine Zurückhaltung. "Die Mission heißt trotzdem, aufs Stockerl zu fahren. Aber ich muss realistisch bleiben. Medaillen abzuholen, das hat in der Geschichte nur Hermann Maier geschafft!"
Olympia, so Hirscher, sei vor allem für einen jungen Athleten das Größte. "Für mich ist jedes Großereignis eine neue Erfahrung. Der Druck ist sicher noch größer als bei der WM. Aber ich weiß auch von der von der WM, dass die Nervosität am Renntag verfliegt. Darauf baue ich nun auch hier."
Dass es nach den ÖSV-Nullnummern in Abfahrt, Super-G und Super-Kombination nun die Techniker richten müssen, ist keinem mehr bewusst als Benni Raich. Der bald 32-jährige Allrounder geht in den beiden restlichen Rennen als Titelverteidiger an den Start und glaubt nach wie vor daran, dass sich das "Wunder von Turin" wiederholen kann.
In Italien hatte Raich vor vier Jahren ebenfalls Super-G und Kombi verhaut, war dann aber noch Doppelolympiasieger geworden. "Aber nicht nur dort habe ich Situationen durchlebt, in denen es vorher nicht so gut gelaufen ist", glaubte der Tiroler vehement an ein gutes Ende. "Ich darf nicht lockerlassen, muss weiter an mich glauben und darf nicht aufgeben", erklärte der Pitztaler vor seinem dritten Olympia-Einsatz.
Mit Schörghofer und Baumann schickt Österreich zwei weitere Fahrer in den RTL, die auf den Olympiaeffekt hoffen. Schörghofer ist wie Hirscher Olympia-Debütant und via Miami und Sun Peaks angereist. "Ich hatte in dieser Saison noch nie zwei gute Läufe. Wenn es endlich klappt, ist vieles möglich", gab sich der 27-jährige Filzmoser zuversichtlich.
Baumann hat dank der Abfahrtstrainings und dem (kurzen) Kombi-Einsatz schon Erfahrung auf dem Olympiahang und nahm daher die bisher vielleicht wichtigste Erkenntnis aus den Speed-Pleiten mit. "Wir müssen aus den kurzen Steilhängen den Schwung besser in die Flachstücke mitnehmen", kennt der Tiroler einen der Gründe für das bisher medaillenlose Abschneiden der Österreicher.
Dass der Riesentorlauf aufgrund der großen Zahl an Medaillen-Kandidaten mehr als alle bisherigen Rennen ein förmliches "Gemetzel" um die Medaillen bringen wird, liegt auf der Hand. Mit Didier Cuche (Sölden) und Carlo Janka (Beaver Creek) sind etwa zwei starke Schweizer immer noch medaillenlos.
Dem norwegischen Super-G-Olympiasieger und Abfahrts-Zweiten Aksel Lund Svindal muss man ebenso viel zutrauen wie Kranjska-Sieger Ted Ligety und dessen US-Landsmann Bode Miller, der nach drei Medaillen und Kombigold am Ende seiner Karriere in Höchstform fährt. Der Italiener Max Blardone erhielt von Raich als nur einer von zwei Fahrern gleich fünf Favoriten-Sterne. Der andere ist Teamkollege Marcel Hirscher. Sich selbst gab Raich nur vier von fünf.