Ein Jahr der Zusammenarbeit mit Marcel Hirscher hat aus Henrik Kristoffersen einen Genuss-Skifahrer gemacht.
Nachdem er sich jahrelang nicht nur an dem Österreicher, sondern auch gegen Widerstände in Norwegen aufgerieben hatte, fühle er sich mittlerweile so frisch und angriffslustig wie bei seinem Weltcup-Debüt. "Ich freue mich wirklich über das Skifahren, ich freue mich über das ganze Leben. Es ist ganz viel Spaß im Moment", sagte der Slalom-Weltmeister vor dem Saisonstart.
Ende April 2022 war Kristoffersens Vertrag mit Rossignol ausgelaufen, am 2. Mai rief der Norweger schon beim zum Unternehmer mutierten Ex-Seriensieger Hirscher an und fragte, ob er Ski der Marke Van Deer testen könne. "Ich glaube, das Datum 1. April hätte besser gepasst", rekapitulierte der Österreicher den schicksalhaften Anruf, setzte aber kurz darauf alle notwendigen Hebel in Bewegung. Schon beim ersten Test verliebte sich der Athlet tatsächlich in das Material und die aufblühende Firma - der Rest ist Geschichte.
"Ich habe von Anfang an ein gutes Gefühl gehabt", erzählte Kristoffersen. "Es war egal, dass der Ski das erste Jahr im Weltcup war. Ich wusste, bei so viel Erfahrung geht es ganz schnell in die richtige Richtung." In der Vorsaison war er außer bei der WM in Courchevel auch in Weltcup-Saisonläufen in Garmisch-Partenkirchen und Wengen im Slalom siegreich. Im Riesentorlauf sammelte er fünf zweite und drei dritte Plätze, im Gesamtweltcup war er Dritter.
Früher verärgert
In Sölden hatte Kristoffersen im vergangenen Jahr beim Auftakt-Riesentorlauf den dritten Platz belegt. In dieser Saison soll im Idealfall ein weiterer Schritt nach vorne gelingen. "Besser geht es immer. So ist es im Sport, so ist es im ganzen Leben", erklärte er. "Jetzt haben wir ein Jahr zusammengearbeitet und haben mehr Erfahrung zusammen. Es ist nur meine Aufgabe, dass ich technisch sauber fahre und schnell fahre, dann haben wir alle Möglichkeiten."
Früher habe er sich etwas eingeschränkt gefühlt, das norwegischen Team habe ihm nicht immer Rückhalt gegeben. "Der Fokus im norwegischen Verband und auch das Geld waren für Aksel (Svindal) und Kjetil (Jansrud; Anm.) bestimmt, für Super-G und Abfahrt", sagte Kristoffersen, der am Anfang seiner Laufbahn mit Neid auf Hirscher und dessen Umfeld geschaut habe. "Ich war sicher ein bisschen verärgert, weil ich glaube, durch meine Resultate hätte ich mehr Möglichkeiten verdient gehabt. Auch wenn man gesehen hat, was man bei anderen Nationen für Möglichkeiten hätte. Das war ein bisschen schwierig für mich und auch im Kopf ein bisschen speziell." Inzwischen sei er etwas ruhiger geworden.
Dazu beigetragen hat im Sommer auch die Geburt seines Sohnes Emil. "Es ist ein bisschen so ähnlich wie im vorigen Jahr. Diese Herausforderung mit der neuen Firma, mit Marcel zu arbeiten, das war auch ein Motivationsboost. Ich habe ein bisschen das Gefühl, als hätte ich die gleiche Motivation, wie als ich 17, 18 Jahre alt war und gerade in den Weltcup reingekommen bin", betonte der 29-Jährige, der mit seiner Lebensgefährtin Tonje Barkenes und dem Baby in Salzburg lebt. "Ich hoffe, er schaut in ein paar Jahren Fernsehen und sieht den Papa ganz schnell fahren und dass ich nicht so schlecht bin."
Nicht weit weg von seiner Heimat sind die Weltmeisterschaften in Saalbach-Hinterglemm schon 2025. Bis jetzt sei seine Freundin bei Großereignissen nicht so oft dabei gewesen. "Hoffentlich sind nächstes Jahr in Saalbach beide dabei, da ist es dann ein bisschen einfacher."
Bis dahin werde er Van Deer-Red Bull Sports auf jeden Fall treu bleiben. "Wie lange der Vertrag läuft, weiß ich nicht, da muss man meinen Vater fragen", wich Kristoffersen auf APA-Nachfrage galant aus. "Ich konzentriere mich auf das Skifahren." Einen weiteren Materialwechsel soll es aber auf lange Sicht nicht geben. Er könne sich vorstellen, seine Karriere beim Unternehmen von Hirscher zu beenden, sagte er.