Missbrauch im Ski-Team

Nicola Werdenigg: "Ich nenne keine Namen!"

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Aussagen von Ex-Rennläuferin Nicola Werdenigg (Spieß) werden zum Krimi.

Jetzt eskaliert die von Ex-Skifahrerin Nicola Werdenigg (59) ins Rollen gebrachte Debatte über sexuelle Missbräuche innerhalb des ÖSV. Werdenigg sprach offen von massiven Übergriffen und Machtmissbrauch durch Trainer, Betreuer und Kollegen. Seither diskutiert die gesamte Branche: Wie schlimm war es wirklich?

Der Skiverband fordert – wie berichtet – von Werdenigg die Namensnennung jener, die ihre Machtstellung für sexuelle Übergriffe missbraucht haben sollen. Nur so könne diese Causa schonungslos aufgearbeitet und der Generalverdacht ausgeräumt werden, argumentiert ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel (siehe Interview).

Details. Schröcksnadel will die ganze Wahrheit wissen. Er verlangt von Werdenigg detaillierte Angaben: „Sie soll die Täter nennen.“ ­Mache sie das nicht, sei das „Täterschutz“, so Schröcksnadel gegenüber ÖSTERREICH.

Einschreiben. Per eingeschriebenem Brief und ­E-Mail wurde die Ex-Skirennläuferin vom Skiverband eingeladen, „bei der restlosen Aufklärung der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs mitzuhelfen“. Dafür wurde ihr eine Frist bis 30. November eingeräumt, was wie ein Ultimatum klingt. Anderenfalls wolle der ÖSV auch über rechtliche Schritte nachdenken. Wichtig seien genaue Angaben vor allem deshalb, um festzustellen, ob die mehrfachen Vorwürfe nicht schon verjährt sind.

Werdenigg: "Werde nur den Behörden Auskunft geben"

Abfuhr. Im Interview mit ÖSTERREICH kontert Werdenigg die harte Gangart der ÖSV-Anwälte: „Selbstverständlich werde ich dem Verband keine Namen nennen“, legt sie sich fest. Wenn überhaupt, werde sie dies nur gegenüber Ermittlungsbehörden tun. Da gäbe es aber noch keine Anfragen.

Samstagnachmittag traf sie sich deshalb mit ihrer Anwältin in Wien. Da wurde die weitere Vorgangsweise besprochen, schließlich entwickelt sich die Causa zu einem regelrechten Kriminalfall. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet.

Auch das Landeskriminalamt Tirol ist eingeschaltet. Insbesondere geht es um Vorfälle des sexuellen Missbrauchs aus dem Jahr 2005 innerhalb des Skiverbandes, wie Werdenigg aufdeckte.

Die 2005 zuständigen sportlichen Verantwortlichen Herbert Mandl und Hans Pum sind inzwischen zu den erhobenen Vorwürfen befragt worden. Beiden gaben jedoch an, ihnen sei kein Vorfall im Damenteam bekannt. Mandl sprach in Interviews sogar offen von „Verleumdung“.

Eruiert werden soll von der Staatsanwaltschaft aber auch, was Werdenigg persönlich in den 1970er-Jahren passiert ist. Sie wurde damals von einem Mannschaftskollegen vergewaltigt, gab sie an. Sexueller Missbrauch, verbal oder tatsächlicher, sei gang und gäbe gewesen: „Wenn Alkohol geflossen ist, musste man aufpassen“, sagt sie.

ÖSV-Chef Schröcksnadel: "Ohne Namen ist das Täterschutz"

ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel fordert Werdenigg zum Offenlegen der Täter-Namen.

Zu ÖSTERREICH sagt der mächtige ÖSV-Boss: „Wir nehmen die Aussagen sehr ernst. Sollte es tatsächlich Vorfälle gegeben haben, von denen der Verband nicht erfahren hat, dann will ich das geklärt wissen. Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass die gesamte Causa jetzt an die Behörden übergeben worden ist. Der ÖSV will die völlige Aufklärung aller Fälle, so es welche gegeben hat, damit in ­Zukunft nichts mehr passieren kann.“

  • Von Nicola Werdenigg verlangt der ÖSV detaillierte Angaben: Deshalb habe der ÖSV Nicola Werdenigg ersucht, alle Details zu übergeben: „Das Wichtigste aber ist, zu erfahren, was 2005 wirklich geschehen ist. Wir wissen das noch nicht. Wenn wir keine Namen haben, können wir auch nichts unternehmen. Das ist doch Täterschutz. Das Beste ist, wenn alles offen auf den Tisch gelegt wird.“

"Wenn Alkohol geflossen ist, dann musste man aufpassen"

Im Inverview mit Wolfgang Fellner auf oe24.TV sprach Nicola Werdenigg Klartext über sexuellen Missbrauch.

oe24.TV:
Ihr Martyrium begann schon mit 13 Jahren.

Nicola Werdenigg:
Das war im Skiinternat. Wir hatten einen Heimleiter, der pädophil war. Mädchen, Frauen waren ein Feindbild für ihn. Er hat Buben missbraucht und uns Mädchen, damals Kinder, sehr stark unterdrückt und das Gefühl gegeben, Frauen sind nichts wert. Das war ein Schock, zu sehen, wie Buben missbraucht wurden.

oe24.TV:
Mit 15 sind Sie in den Weltcup eingestiegen. Da hat sich ein Skifabrikant an Sie herangemacht.

Werdenigg:
Ein Skifabrikant wollte, dass ich für seine Firma an den Start gehe. Ich habe mich aber nicht von ihm begrapschen lassen. Sexualisierte, verbale Gewalt ist sowieso gang und gäbe gewesen. Es gab aber auch körperliche Über­griffe.

oe24.TV:
Sie wurden von zwei alkoholisierten Teamkollegen belästigt, einer von ihnen hat Sie vergewaltigt.

Werdenigg:
Ja. Das ist eines der schlimmsten Dinge, die einer Frau passieren können. Ich möchte das nicht ausbreiten, wann und wo es war. Ich habe das erzählt, um ein Tabu zu brechen.

oe24.TV:
Auch eine Teamkollegin wurde von einem Trainer vergewaltigt...

Werdenigg:
Ich war im Zimmer nebenan, ich weiß, was sie ertragen musste. Es ist vielen nicht gut gegangen. Aber das ist deren Privatsphäre, darüber spreche ich nicht. Das wird niemand erfahren von mir. Ich hatte auch Trainer, die mich belästigt haben. Doch da ist es nicht zum Äußersten gekommen. Wenn Alkohol geflossen ist, wusste man damals, man muss sich sehr in Acht nehmen.

oe24.TV:
Klagen Sie auch den ÖSV an, der das jahrelang zugelassen hat?

Werdenigg:
Man will den reinen, sauberen Nimbus des Skisports bewahren. Aber so ist es nicht. Im ÖSV sitzen die Männer oben. Die Frau wird als Mensch zweitrangig gesehen. Mir geht es generell um sexualisierte Gewalt im Sport. Die Sportverbände haben ein Tabu darüber liegen. Wichtig ist, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die präventiv wirken und möglichen Opfern ein Umfeld geben, wo sie mit Experten sprechen und ihren Leidensdruck herauslassen können.

oe24.TV:
Kolleginnen von ­Ihnen sagen, es ist nicht so schlimm zugegangen.

Werdenigg:
Ich will mich zu den Wahrnehmungen meiner Kolleginnen nicht ­äußern. Ich nehme nicht an, dass man das nicht mitbekommen hat. Das kann aber jeder so machen, wie er will. Ich habe jedenfalls viele Zuschriften erhalten, in denen Sachen geschildert wurden, das ich fast geweint habe.

oe24.TV:
Fordern Sie Konsequenzen für die Täter?

Werdenigg:
Mein Fall ist klar abgeschlossen, ich habe das hinter mir. Meine Wunden sind inzwischen zu. Hätte ich Konsequenzen haben wollen, dann hätte ich vor 40 Jahren Anzeige erstatten müssen. Es nützt auch nichts, 40 Jahre später Männer an die Wand zu nageln und öffentlich anzuprangern. Mir geht es darum, dass es nicht mehr passiert. Wichtig ist es, dass präventiv Maßnahmen gesetzt werden.

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