Trotz der jüngsten Warmwetter-Periode soll der Frauen-Ski-Weltcup am Semmering programmgemäß über die Bühne gehen. Auf dem "Zauberberg" finden heuer von 27. bis 29. Dezember sogar drei Bewerbe statt.
Die ÖSV-Technikerinnen fahren nach ihrem Stotterstart bei Heimvorteil in einem Riesentorlauf-Doppel und Nachtslalom um die Trendumkehr. Die Organisatoren der seit 1995 zum 14. Mal stattfindenden Weltcup-Rennen vor den Toren Wiens freuen sich auf die Rückkehr der Fans, nach coronabedingten Geister-Rennen vor zwei Jahren. 2020 wurde der Riesentorlauf wegen Windböen nach dem ersten Durchgang mit Petra Vlhova als Führender abgebrochen. Den Slalom gewann die Schweizerin Michelle Gisin vor Katharina Liensberger und Mikaela Shiffrin, die am Semmering schon viermal gewonnen hat. 2016 schaffte der US-Star bei ebenfalls zwei Riesentorläufen und einem Slalom den "Hattrick".
"Heimrennen sind immer etwas besonderes und mit einem zweiten Platz beim letzten Slalom am Zauberberg vor zwei Jahren habe ich tolle Erinnerungen an die Rennpiste", betonte Liensberger, die sich nach dem Riesentorläufen am Dienstag und Mittwoch (ab 10 Uhr und 13 Uhr im Sport24-Liveticker) wohl im abschließenden Nachtslalom am Donnerstag (ab 15 Uhr und 18.30 im Sport24-Liveticker) die besten Chancen ausrechnet. "Ich hoffe natürlich, schnelles Skifahren zeigen zu können, und freue mich riesig, mit hoffentlich vielen Zuschauern wieder vor Ort den Zauberberg mit meiner Begeisterung als Skirennläuferin 'verzaubern' zu können."
Zuschauerprognosen wollte Franz Steiner, der Chef des Organisationskomitees, offiziell keine abgeben, betont wurde aber reger Zuspruch für den im Wechsel mit Lienz ausgetragenen Heim-Weltcup - vor allem im gut 700 Plätze fassenden VIP-Bereich, der längst ausverkauft sei. Herkömmliche Tageskarten sind noch erhältlich. Die beste Werbung in Form von rot-weiß-roten Top-Ergebnissen sei heuer ausgeblieben, erinnerte Steiner, der trotz des neuerlichen Ausfalls der verletzten Lokalmatadorin Katharina Gallhuber mit vielen kurzentschlossenen Ski-Fans rechnet. "Ich sage immer, pro Stockerlplatz im Vorfeld sind es ein paar hundert Leute mehr. Leider hat das heuer noch nicht so funktioniert. Aber ich rechne fest damit, dass es bei uns mit einem Podestplatz klappt."
Trainer rätseln wegen Rückständen
In sechs Technik-Rennen gab es für die ÖSV-Frauen gesamt nur vier Top-10-Platzierungen, darunter einen Podestplatz als Ausreißer nach oben und zuletzt den vorläufigen Tiefschlag in Sestriere mit Katharina Truppe auf Platz 14 als Beste im Slalom. "Es rennt nicht so der Schmäh, wie es sonst oft der Fall ist", bemerkte Ramona Siebenhofer. "Es ist schon seit dem Finale im letzten März eine Umbruchstimmung, weil sich sehr viel getan hat, was das Betreuerteam angeht."
Karlheinz "Charly" Pichler ist einer der Neuen. Der frühere Trainer von etwa Tina Weirather meint in seiner Ursachenforschung: "Wir schwächeln derzeit speziell daran, im Schwungansatz den Speed mitzunehmen, weil zu viel Bewegung nach oben und hinten geht." Die verpuffende Energie ist für ihn gerade auf wechselnden Schneeverhältnissen buchstäblich eine Frage der Haltung. "Wir müssen ganz klar daran arbeiten, dass die Athletinnen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und den Willen haben, bei jeder Art von Piste auch das Risiko einzugehen und trotzdem ruhig bleiben - mit Hektik geht gar nichts."
Von allgemeinem Krisengerede hält Pichler nichts. "Katharina Liensberger wurde in Killington Fünfte - da sind wir von einer Krise weit weg." Ein Argument, das im Verband wohl stets zurecht angeführt wird, ist die "World Cup Starting List" WCSL, ein Abbild der Kräfteverhältnisse - und damit auch Kaderstärke - auf Saisonbasis. Und die schildert Truppe, Österreichs Nummer eins, als elftbeste Riesentorläuferin der Welt aus. Es folgen Siebenhofer (15), Liensberger (16) und Ricarda Haaser (18). "An dem muss man auch die Erwartungen knüpfen. Ich kann nicht erwarten, dass jemand, der die letzte Saison als 18. beendet hat, mit Saisonbeginn aufs Stockerl hüpft", betont Trainer-Routinier Pichler.
Scheib feiert Rückkehr nach Kreuzbandriss
"Wenn ich ein sehr gutes Rennen habe, bin ich in den Top 10", umriss Siebenhofer ihre Erwartungshaltung. "Wenn ein Rennen kommt, wo mir der Hang gut liegt und die Kurssetzung entgegenkommt, dann kann es in die Top fünf gehen." Der Hang am Semmering könne ihr mit seiner einzigartigen Charakteristik liegen, meinte die Speed-erprobte, aber zuletzt kränkelnde Siebenhofer. "In diesem Schlauch oben kann man keinen runden Lauf setzen, da geht es doch eher dahin. Dort oben muss ich mir die Zeit holen", sagte die Steirerin, die auch wegen des 2020-Abbruchs auf diesem Berg noch ohne Weltcuppunkt ist.
Angesichts von deutlichen Plusgraden zuletzt zehrte die Rennpiste am Hirschenkogel von einem guten Schnee-Grundstock, den man dank einiger kalter Tage im Vorfeld gelegt habe. Je nach weiterer Wetterentwicklung muss die Piste entweder gefräst oder in letzter Konsequenz gesalzen werden, um eine harte Unterlage zu garantieren, erklärte OK-Chef Steiner. Er betont: "Es wird ein dreitägiges Rennspektakel mit tollem Rahmenprogramm, wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit den Skifans."
Im ÖSV-Aufgebot für die Riesentorläufe steht mit Julia Scheib auch eine Rückkehrerin. Die 24-jährige Steirerin hatte sich im Februar 2021 im Europacup-Riesentorlauf in Berchtesgaden durch einen Sturz einen vorderen Kreuzbandriss und einen Außenmeniskuseinriss im linken Knie zugezogen und die gesamte letzte Saison verpasst. ÖSV-Aufgebot: Nina Astner, Stephanie Brunner, Franziska Gritsch, Ricarda Haaser, Katharina Huber, Elisabeth Kappaurer, Katharina Liensberger, Elisa Mörzinger, Julia Scheib, Ramona Siebenhofer und Katharina Truppe