Bei der ersten Abfahrt in Garmisch siegt Travis Ganong.
Schwere Stürze haben die erste von zwei Abfahrten auf der Kandahar in Garmisch-Partenkirchen überschattet. Mit dem US-Amerikaner Steven Nyman und dem Franzosen Valentin Giraud Moine wurden zwei Athleten per Ackja geborgen und mit dem Rettungshubschrauber ins Spital gebracht. Den Weltcupsieg holte sich Travis Ganong aus den USA, bester Österreicher wurde Hannes Reichelt als Vierter (+0,59. Sek.)
Die Abfahrt war um einiges schneller als das einzige Training bei noch deutlichen Minusgraden am Vortag. Die aufgrund wärmerer Temperaturen stark veränderten Pistenverhältnisse überraschten viele Rennläufer. Zudem ging vor allem der Kramersprung zu weit, obwohl er bereits um ein paar Zentimeter abgegraben worden war.
"Es geht sicher noch schneller", sagte der achtplatzierte Matthias Mayer (0,98), "aber das steht heute nicht im Vordergrund. Die Verhältnisse haben sich von gestern auf heute sehr geändert, dadurch ist es ein Chaos, ein wildes Rennen geworden. Es gab viele Stürze, bei den beiden Sprüngen ist sehr viel passiert. Oben ist der Eric raus (Seilbahnstadelsprung/Anm.), unten der Steven (Kramersprung), und bei der Kompression der Valentin", sagte der Kärntner Abfahrts-Olympiasieger, der im Kampf um ein WM-Ticket sehr gute Chancen hat.
+++Garmisch: Bissige Kandahar sorgt für Horrorstürze+++
Vom genannten Sturzopfer-Trio hatte der Kanadier Eric Guay ein enormes Masel, dass er bei dem spektakulär aussehenden Sturz, bei dem er sich im Flug komplett verdrehte, ohne Verletzungen davonkam und selbst noch auf Ski ins Ziel fuhr. Bei Giraud Moine besteht Verdacht auf Unterschenkelbrüche, bei Nyman auf Knieverletzung. Auch der Trainingsschnellste Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen brachte kein Ergebnis ins Ziel, er rammte ein Tor, kam aber ohne Sturz davon.
Ursachenforschung
"Gestern hatte es minus 10, minus 15 Grad, die Abstimmung war darauf abgestimmt. Die Startzeit lag weiter hinten, um die Zeit sitzen wir normalerweise beim Mittagessen und fahren nicht Rennen. So Sachen hatten heute Einfluss", versuchte sich Mayer während der Rennunterbrechung nach dem fürchterlichen Crash von Giraud Moine, dem Zweiten der Streif-Abfahrt, in Ursachenforschung.
Weiters würde man, erläuterte Mayer, mit der Abfahrtslinie öfters die Riesentorlaufpiste kreuzen, und die sei mit Wasser behandelt worden. "Dort ist es eisig, und sonst ist es relativ weich und griffig und das auch nicht bei jedem Tor gleich." Es sei der erste Tag bei warmen Temperaturen, der Schnee habe sich nicht überall gewandelt. "Wären wir am dritten Tag, wäre es überall gleich. Das war heute ein bisserl das Verhängnis." Dazu käme, dass die WM vor der Tür stehe und viele riskieren, um einen Startplatz zu ergattern.
Ganong siegte
Ganong fuhr mit Nummer zwölf und unmittelbar nach dem Sturz seines Landmannes und nach langer Wartezeit zum Sieg. Er setzte sich bei seinem zweiten Weltcup-Erfolg nach Santa Caterina 2014 mit 0,38 Sekunden vor dem Norweger Kjetil Jansrud und 0,52 vor dem Südtiroler Peter Fill durch.
"Wenn es hier nur ein bisschen schneller wird, ist alles gleich viel schwieriger, das hat heute einige überrascht. Mich auch. Es war brutal schnell", sagte Jansrud, der nun im Disziplinweltcup mit drei Punkten vor Fill führt. "Heute habe ich ein paar Fehler gemacht, das hat jeder. Der Einzige, der keine gemacht hat, war Travis."
Reichelt verpasste Podest
Reichelt fuhrt mit Startnummer eins und patzte oben gleich gehörig, wie es ihm auch schon in Kitzbühel passiert war, holte unten aber mächtig auf. "Immer wieder der Rechtsschwung, das ist ein bisserl zum Ärgern. Aber ich bin froh, dass die anderen Teile gut gelaufen sind. Die perfekte Fahrt schafft hier keiner, kleine Fehler macht jeder, es kommt drauf an, wie man die Ski laufen lässt", sagte der Salzburger, der sich sein WM-Ticket endgültig gesichert haben dürfte.
Romed Baumann kam mit Rang sieben (0,89) der Nominierung für das WM-Abfahrtsteam näher, auch er sah ein komplett verändertes Pistenbild. "Es ist dunkel, da siehst bei der Besichtigung schon nichts, denkst dir, das ist ein Teppich und geht fein. Dann siehst den Hannes mit Nummer eins und denkst dir: Alter, was ist da los", sagte der Tiroler. Der Kramersprung sei am Limit gewesen, meinte auch er. Der Vorteil einer Doppelabfahrt sei, dass man es am nächsten Tag gleich noch einmal besser machen könne.
Vincent Kriechmayr musste nach dem Sturz von Guay am Start länger warten, klassierte sich als 13. (1,44), und gab zu, nicht alles riskiert zu haben. "Beim Kramersprung, wo Nyman gestürzt ist und den ich oben im Fernseher gesehen habe, hab' ich bewusst rausgenommen und ein bisserl gebremst. Es sind noch eine paar Rennen in der Saison, ich wollte sie nicht vorzeitig beenden."
Höheres Tempo
Es sei eigentlich eine schöne Abfahrt, und deshalb schade, dass es so viele Stürze gab. "Es war phasenweise unruhig. Es ist dunkel, aber das ist es in Kitzbühel auch. Aber der Kramersprung war über dem Limit", waren sich die Athleten einig. Man habe gesehen, dass er weit gehe, aber im Nachhinein sei man immer gescheiter und es habe niemand absichtlich gemacht. Das Tempo sei einfach höher geworden. Komplett unzufrieden war Max Franz: (23./2,60): "Ich war eigentlich topmotiviert, ich habe Ski gewechselt und schon in der ersten Kurve null Grip gehabt. Volltopfen. Für mich ist es da herunter brutal schwierig."
Die vierte Saisonabfahrt hat damit den vierten verschiedenen Sieger nach Jansrud (Val d'Isere), Franz (Gröden) und dem Südtiroler Dominik Paris (Kitzbühel) gebracht.
In Garmisch wird morgen (12 Uhr im oe24-LIVE-TICKER) erneut eine Abfahrt als Ersatz für Wengen gefahren.