Kristoffersen wurde bei seiner Fahrt mit Schneebällen beworfen.
Von einem denkwürdigen Nightrace am Dienstagabend wird auch das Bild von Schneeballwürfen auf Henrik Kristoffersen
wohl lange in Erinnerung bleiben. "Es waren wahrscheinlich 50.000 Zuschauer in Schladming heute, und 49.997 sind wirklich toll", meinte der Norweger, der sich wieder hinter Marcel Hirscher einreihen musste. Der Salzburger feierte erneut einen seiner größten Siege in der Steiermark.
"Es ist unfassbar eigentlich. Erster Gesamtweltcup-Sieg 2012, den habe ich hier unter nicht so einfachen Umständen gewonnen, 2013 Weltmeister. Es ist schon viel passiert da", beschrieb Hirscher den Stellenwert von Schladming in seiner Karriere. Sein Heimatort Annaberg im Lammertal ist gerade einmal 25 Kilometer Luftlinie entfernt. "Wir leben auf der Nordseite vom Dachstein, und auf der Südseite gewinnen wir etwas", freute sich Vater Ferdinand Hirscher.
Bei der angesprochenen Weltmeisterschaft 2013 im eigenen Land eroberte Hirscher zum krönenden Abschluss im Slalom seine erste Einzel-Goldmedaille. Bis dahin hatte die gesamte ÖSV-Mannschaft lediglich im Teambewerb den Titel gewonnen. Somit lastete auf dem designierten "Retter der Nation" vor dem letzten Bewerb ein immenser Erwartungsdruck.
Maier eingeholt
Nun holte er in Schladming auch noch die Ski-Urgewalt Hermann Maier ein. Die beiden liegen zumindest bis zum Garmisch-Riesentorlauf am Sonntag in der ewigen Bestenliste mit jeweils 54 Siegen gleichauf an zweiter Stelle hinter dem Schweden Ingemar Stenmark, der 86 Weltcup-Rennen gewann. Hirscher sorgte im Nightrace auch für den insgesamt 500. Sieg der ÖSV-Herren im alpinen Ski-Weltcup.
"Das Rennen war heute wirklich sehr cool. Ich habe nicht geglaubt, dass ich das noch gewinnen kann, weil der Henrik unfassbar vorgelegt hat", erzählte Hirscher. Getrübt wurde die Partystimmung nur durch die Irritationen, die zumindest zwei Schneebälle auslösten, die in Richtung Kristoffersen geworfen wurden.
"Ich glaube, es war kurz vor der Haarnadel vor dem Steilhang. Es waren, glaube ich, drei Schneebälle, die auf mich zugeflogen sind", sollte der 23-Jährige später berichten. "Natürlich versuchst du, dich auf den Kurs zu konzentrieren, aber es ist ziemlich schwierig, wenn da was auf dich zukommt."
Hirscher habe den Norweger im Ziel "ins Gesicht geschaut und gemerkt, irgendwas passt da gerade gar nicht. Und das bin nicht ich, das war mir bewusst. Dann habe ich ihn gefragt, und er hat es mir erzählt", schilderte er. "Ich kenne das selber von einem anderen Austragungsort aus der Vergangenheit. Das ist sehr unlustig, sehr uncool und sehr unfair. Bei 50.000 Leuten sind halt fünf Halblustige dabei, die glauben, sie sind superklass'."
Kristoffersen war wichtig, nicht als schlechter Verlierer dazustehen. "Marcel ist heute besser gefahren. Das hat nichts damit zu tun, dass Marcel mich besiegt hat. Ich hätte ihn auch nicht geschlagen, wenn keine Schneebälle geflogen wären", stand für ihn fest.
Video zum Thema:
Schneeball-Eklat um Kristoffersen
Kein Mittelfinger
Seine Liebe zu Österreich sei nach wie vor intakt, versicherte der Athlet und bemühte sich, ein Gerücht richtigzustellen. "Mein Vater hat mich gefragt, ob ich den Zuschauern den Mittelfinger gezeigt habe. Aber das habe ich nicht getan. Ich habe mit dem Zeigefinger eine Bewegung gemacht. Also wenn das jemand im Internet geschrieben hat, ist es nicht die Wahrheit", sagte Kristoffersen, der mit seiner sportlichen Darbietung augenscheinlich zufrieden war.
"Wenn ich zwei gute Läufe nach unten bringe und Fünfter bin, bin ich zufrieden. Heute habe ich zwei gute Läufe gezeigt und bin Zweiter, darum bin ich wirklich glücklich", erklärte er. Die beiden Slalom-Giganten treiben sich zu Spitzenleistungen. "Wir haben es über die letzten zwei Jahre schon auf ein neues Level gehoben, aber jetzt ist es wieder ein Schritt darüber."
Manuel Feller, der sich als Achter erneut innerhalb der Top Ten klassierte, geriet vor allem bei seinem Teamkollegen ins Schwärmen. "Hut ab. Wahnsinn. Unglaublich. Er wird einfach mit jedem Rennen stärker", meinte der Tiroler. "Es gibt halt nur einen jedes Jahrzehnt. Jeder Sport spitzt sich immer mehr zu, und da noch so konstant solche Leistungen zu bringen, ist einfach unglaublich."
Talentprobe von Noël
Hirscher fuhr bei der 21. Auflage des Schladminger Nightrace zweimal Laufbestzeit. Nur im ersten Durchgang folgte ihm jedoch Kristoffersen direkt dahinter. In der Entscheidung legte der junge Franzose Clément Noël die nächste Talentprobe ab, indem er als Laufzweiter nur fünf Hundertstel hinter dem Österreicher blieb. In der Endabrechnung belegte der 20-Jährige den sechsten Platz - sein bisher bestes Weltcup-Ergebnis.