Jasmine Flury hat die Schweiz bei der Ski-WM erlöst. Die 29-Jährige aus Davos sicherte sich am Sonntag völlig überraschend den Titel in der Königsdisziplin Abfahrt und bescherte Österreichs Nachbarland damit die erste Goldene in Frankreich.
"Weltmeisterin klingt für mich noch nicht realistisch", bekannt Flury Stunden nach ihrem Triumph. Im Weltcup hat die Bündnerin bisher zwei Stockerlplätze errungen. Ihr einziger Sieg gelang ihr 2017 in St. Moritz im Super-G. "Es sind wirklich schon ein paar Jahre jetzt her. Ich habe mitgenommen, dass ich das damals nicht so wirklich genießen konnte. Das wird mir heute sicher nicht passieren", kündigte Flury an. Ihr Potenzial war in den Speed-Disziplinen immer wieder mal durchgekommen, in den Rennen hat sie es aber viel zu selten umsetzen können.
Nun war die eher unscheinbare und zurückhaltende Athletin in Méribel daran schuld, dass Österreich im Medaillenspiegel ratzfatz von der Schweiz überholt wurde. Der heimische Skiverband durfte sich zwar dank Nina Ortlieb über das zweite Silber und die insgesamt fünfte Medaille bei der WM freuen, ist aber bei der Sonnenschein-WM noch ohne Gold.
"Dass alles so perfekt aufgehen könnte wie heute, hätte ich nicht gedacht", sagte Flury. Im Nachhinein betrachtet mutet ihre Erfolgsstory auch deswegen unwahrscheinlich an, weil sie noch vor eineinhalb Wochen wegen einer Magen-Darm-Erkrankung flach gelegen war. "Es ist alles andere als eine einfache Vorbereitung gewesen. Ich habe zuerst schauen müssen, dass ich wieder fit und gesund werde." Die Erwartungen für die WM sanken dadurch ab, selbst unter den Außenseiterinnen wurde Flury kaum genannt. "Als ich hierher gekommen bin, ist es wirklich von Tag zu Tag besser gegangen." Im Super-G belegte sie am Mittwoch den 22. Platz.
Riesenfreude mit Freundin Suter
Einer ihrer großen Förderer in sehr frühen Jahren war Paul Accola. Der heute 55-Jährige stammt ebenfalls aus Davos im Kanton Graubünden, in den 1990er-Jahren fuhr er in allen Disziplinen in der erweiterten Weltspitze und gewann in der Saison 1991/92 den Gesamtweltcup. Accola erkannte das Talent von Flury und gab ihr die ersten paar Rennski. Nun ist Flury die zweite Weltmeisterin aus Graubünden nach der Churerin Yvonne Rüegg. Accola selbst hat nie eine Goldmedaille gewonnen.
In der Jugend lernte Flury die fast gleichaltrige Corinne Suter kennen. Ihre inzwischen beste Freundin im Skizirkus holte sich am Samstag als Titelverteidigerin und Olympiasiegerin die Bronzemedaille ab. "Etwas Besseres gibt es nicht", sagte Flury. Schon vor knapp einem Jahr hatte das dynamische Duo nach der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen von den höchsten Treppen des Podiums gelacht. Suter hatte damals vor Flury gewonnen.
Am 19. Jänner dieses Jahres nahm Suter ein heftiger Sturz in Cortina d'Ampezzo arg mit. Neben kleineren Blessuren und Prellungen trug sie auch wiederkehrende Kopfschmerzen davon. "Ich wollte nicht weinen, aber es ist unmöglich. Nach diesen letzten Wochen ist dieser dritte Platz unglaublich", musste sich die 28-Jährige erst wieder sammeln.