Angstschanze

Kraft bekämpft "Garmisch-Fluch"

01.01.2024

In der Jägerrolle fühlt sich Stefan Kraft wohl.

Zur Vollversion des Artikels
© GEPA
Zur Vollversion des Artikels

Der als Topfavorit angereiste Überflieger der Weltcupsaison findet sich nach dem Auftakt der 72. Vierschanzentournee in ebendieser wieder, nach dem dritten Platz in Oberstdorf hält sich der Rückstand des Salzburgers zum deutschen Spitzenreiter Andreas Wellinger in Grenzen. "Zehn Punkte, das kann schnell gehen. Es ist auf keinen Fall verloren", sagte der 30-Jährige und blickte mit Humor auf das anstehende Neujahrsspringen am Montag (ab 14 Uhr im Sport24-LIVETICKER).

Denn in Garmisch-Partenkirchen hat Kraft die Tournee schon mehrmals verloren, zuletzt sogar sechs Mal in Folge. Der "Garmisch-Fluch" scheint unüberwindbar, mit den Plätzen 31, 49, 13, 28, einem Quali-Aus sowie Rang 18 in der Vorsaison wurde der Absturz des rot-weiß-roten Hoffnungsträgers nach Silvester jüngst zur ungeliebten Tradition. Deshalb sprach Kraft nach seinem 106. Weltcup-Stockerlplatz am Freitag einen Herzenswunsch aus. "Ich warte seit Jahren, dass sie das Springen endlich mal absagen", sagte der Weltcupgesamtführende mit einem Augenzwinkern.

Mit Platz sechs in der Quali konnte der Salzburger auf der "Angstschanze" zumindest ein wenig Selbstvertrauen tanken. "Es waren noch keine perfekten Sprünge, aber ein super Tag. Ich tue mir hier schon schwerer, aber das passt schon", analysierte Kraft im Auslauf und setzte sich Ziele fürs Neujahrsspringen. "Wenn alles zusammenpasst, ist ein Podium sicher möglich. Ich nehme alles in den Top Ten." Am Silvesterabend stehen Therapie, ein gutes Essen und Karten spielen auf dem Programm.

Geringe Erwartungshaltung

Auch die Erwartungshaltung des Tourneesiegers von 2014/15 war vor dem Neujahrsspringen schon mal größer. "Keiner erwartet sich da was von mir, ich selbst auch nicht. Da schauen wir dann einfach, was passiert", betonte der Gesamtweltcupführende und grinste. Er sei natürlich in einer Mega-Form, beim Auftakt in Oberstdorf fehlte dem fünffachen Saisonsieger nach der langen Weihnachtspause aber noch die nötige Gelassenheit. "Ich war noch ein wenig verkrampft, aber die letzte Lockerheit kommt mit Sicherheit von Station zu Station zurück", sagte Kraft.

Sein Rückstand auf Wellinger, der die Hoffnungen beim deutschen Nachbarn auf den ersten Tourneesieg seit 22 Jahren nährte, beträgt 10,4 Punkte oder knapp sechs Meter. Dem Japaner Ryoyu Kobayashi, Gesamtsieger 2018/19 und 2021/22, fehlen nur 3,0 Zähler auf den Leader. "Wir drei haben uns ein bissl herauskristallisiert. Das nehme ich gerne, wenn es so weitergeht", betonte Kraft. Wellinger sah es nach seinem ersten Tournee-Tagessieg ähnlich. "Ich hoffe, dass es ein richtig geiler Kampf wird", sagte der Olympiasieger.

Wellinger ist gewarnt

Man dürfe sich keine Fehler erlauben, wusste Wellinger, "weil zehn Meter sind schnell mal gewonnen oder verloren". ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl trat zufrieden die Weiterreise an, auch wenn seine Schützlinge vom Windpech verfolgt waren. "Vergangenes Jahr war nach Oberstdorf schon alles vorbei. Jetzt sind wir in einer guten Position", sagte der Tiroler voller Optimismus und gab einen Einblick in seine Gefühlswelt. "Man merkt, dass es für alle Beteiligten schon eine Anspannung ist. Ich bin normal nie nervös, heute war ich voll nervös. Es macht etwas mit dir."

Mit Blick auf die vergangenen Kraft-Abstürze in Garmisch-Partenkirchen zeigte sich Widhölzl zuversichtlich. "Grundsätzlich mag er die Schanze sehr gerne", sagte der Coach, in den Trainings sei Kraft mit weniger Anlauf als bei der Tournee auch schon an die Hillsize gesprungen. In den vergangenen Jahren habe er oft "All-in" gehen müssen, um etwas aufzuholen. "Das ist dann in die Hose gegangen. Das hat aber nichts mit der Schanze zu tun", betonte der Tourneesieger von 1999/2000.

SIeben Jahre ohne Podestplatz

Doch nicht nur Kraft mühte sich zuletzt mit der Olympiaschanze in Garmisch. Seit 2017 warten unsere Adler am Neujahrstag auf einen Podestplatz. In der Qualifikation zu Silvester schafften aber alle Adler souverän den Sprung in den Hauptbewerb. Manuel Fettner freute sich als bester ÖSV-Adler über einen geglückten Jahresausklang. "Das war ein richtig guter Tag. Es scheint so, dass es immer stabiler wird", sagte der Routinier. Auch Hayböck war zufrieden. "Es war eine super Quali für mich, auch für Krafti war es zufriedenstellend. Ein guter Abschluss vom alten Jahr."

Clemens Aigner wurde unmittelbar vor Daniel Tschofenig 18. und trifft im K.o.-Duell auf Zimmerkollege Jan Hörl (33.), der es ebenfalls locker ins 50er-Feld schaffte, aber seinen Quali-Sprung verpatzte. "Es hat sehr viel nicht gepasst. Sprung und Wind waren nicht gut, aber morgen ist ein neuer Tag und ein neues Jahr", sagte der Gesamt-Achte. Die Qualifikation ging vor 8.000 Fans über die Bühne, am Montag werden es mehr als 20.000 sein. Zum erstmals ausgetragen Two-Nights-Bewerb der Frauen am Samstagabend waren lediglich 3.500 gekommen.

 

Zur Vollversion des Artikels