Packendes Finale wird durch Traumtor in der Verlängerung entschieden.
Deutschland - Argentinien 1:0 n.V. (0:0)
Rio de Janeiro, Maracana, 74.738 Zuschauer, SR Rizzoli (ITA)
Tor: Götze (113.)
Deutschland ist zum vierten Mal Fußball-Weltmeister . Der Favorit musste in einem mitreißenden Finale am Sonntag in Rio de Janeiro aber lange zittern. Die Deutschen rangen Argentinien erst in der Verlängerung mit 1:0 (0:0) nieder. Das sehenswerte Goldtor in einer lange Zeit ausgeglichenen Partie erzielte der eingewechselte Mario Götze in der 113. Minute.
Die Deutschen hatten sich gegen die defensiv gut organisierten und im Konter häufig gefährlichen Argentinier schwergetan. Teamchef Joachim Löw sollte aber ein glückliches Händchen beweisen. Eine Flanke des ebenfalls eingewechselten Andre Schürrle verwertete Bayern-München-Jungstar Götze im Fallen volley, nachdem er sich den Ball mit der Brust heruntergenommen hatte.
Lange Durststrecke beendet
Für Deutschland ist es der erste große Titel seit der EM 1996. Bei ihrem bisher letzten WM-Titel 1990 hatten die Deutschen im Finale ebenfalls Argentinien bezwungen - auch damals mit 1:0. Argentiniens Superstar Lionel Messi bleibt dagegen vorerst weiterhin ungekrönt. Der 27-Jährige spielte vor 74.738 Zuschauern im Maracana zwar ein ambitioniertes Finale, im Abschluss haperte es aber wie bei seinen Teamkollegen.
Schock vor Anpfiff
Deutschland hatte schon vor Spielbeginn den ersten Rückschlag zu verkraften. Mittelfeldspieler Sami Khedira musste wegen Wadenproblemen, die beim Aufwärmen aufgetreten waren, passen. An seiner Stelle begann Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach. Der 23-Jährige, bisher bei der WM nur zu zwei Kurzeinsätzen gekommen, schaffte aber ebenfalls nur 32 Minuten.
Auch Kramer muss raus
Nach einem heftigen Zusammenprall mit Ezequiel Garay (17.) offensichtlich benommen kehrte Kramer zwar kurz auf den Platz zurück, musste dann aber mit Verdacht auf Gehirnerschütterung durch Schürrle ersetzt werden. Mesut Özil rückte als Spielmacher ins Zentrum, dahinter agierte das Bayern-München-Duo Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos - Letzterer allerdings nicht so sicher wie gewohnt.
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
© Reuters
Higuain vergibt frühe Entscheidung
Mit einer verunglückten Kopfball-Rückgabe ermöglichte Kroos den Argentiniern, die erneut ohne ihren verletzten Mittelfeldstar Angel di Maria auskommen mussten, ihre erste Großchance. Gonzalo Higuain traf aber alleine vor DFB-Schlussmann Manuel Neuer nicht einmal das Tor (21.). Schon davor hatte der Stürmerstar aus spitzem Winkel angeklopft (4.).
Die Argentinier versteckten sich keineswegs, stellten die deutsche Hintermannschaft mit schnellen Gegenstößen immer wieder vor Probleme. Ein Tor von Higuain nach Querpass von Ezequiel Lavezzi wurde zurecht wegen Abseits aberkannt (30.). Dazu musste der starke Jerome Boateng nach einem Solo von Messi in höchster Not für den bereits geschlagenen Neuer retten (40.). Kurz nach Seitenwechsel rollte Messi eine Großchance am langen Eck vorbei (47.).
Offener Schlagabtausch
Die Deutschen hatten zwar deutlich mehr Ballbesitz, kamen gegen die gut organisierte und mitunter harte argentinische Defensive aber nur selten durch. Nicht umsonst hatten die Südamerikaner bis zu Götzes Geniestreich in der K.o.-Phase keinen einzigen Treffer kassiert. Torhüter Sergio Romero parierte Schüsse von Schürrle (37./Abseits) und Kroos (43.), hatte aber auch Glück, dass Benedikt Höwedes nach Kroos-Corner aus fünf Metern an die Stange köpfelte (45.+1).
Schwächere zweite Halbzeit
Zur Pause brachte auch Argentiniens Teamchef Alejandro Sabella seinen Joker. Sergio Aguero machte aber keinen Stich. Ein Klose-Kopfball war für Romero kein Problem (59.). Kroos schoss nach Vorarbeit von Mesut Özil aus dem Rückraum rechts am Tor vorbei (82.). Auf der Gegenseite attackierte Neuer Higuain mit dem Knie in Kopfhöhe, bekam aber den Freistoß (57.).
Die Schlagzahl der ersten Hälfte erreichte die zweite nicht mehr. Die Verlängerung war aber gerade einmal 15 Sekunden alt, ehe Schürrle aus guter Position zu unplatziert abschloss. Für Argentinien kam der eingewechselte Rodrigo Palacio einem Treffer am nächsten, hob den Ball aber am Tor vorbei (97.). Die Argentinier hatten zudem Glück, das Spiel nach einigen Härteeinlagen mit elf Mann zu beenden.
Ein letzter Freistoß von Kapitän Messi ging weit über das Tor (123.). Der Ausnahmekönner verabsäumte es, aus dem Schatten des legendären Diego Maradona zu treten. Dieser hatte Argentinien 1986 zur bisher letzten Weltmeisterschaft geführt - ebenfalls im Finale gegen Deutschland. Die Deutschen waren zuletzt zweimal WM-Dritter, nun erfolgte die Krönung. Und das auf amerikanischem Boden. Dort hatte noch nie zuvor ein europäisches Team den WM-Titel geholt.
Nächste Seite: Die Stimmen zum WM-Finale
Philipp Lahm (Kapitän Deutschland): "Was wir heute wieder geleistet haben über 120 Minuten, wie wir geackert haben, das ist unglaublich. Man muss die beste Mannschaft haben, nicht die besten Einzelspieler, das ist alles egal. Wir haben uns von irgendwelchen Störfeuern nicht irritieren lassen. Man kann nicht davon ausgehen, dass man in einem Halbfinale oder Finale nach 30 Minuten schon 5:0 führt. Aber die Mannschaft hat Geduld gehabt."
Manuel Neuer (Torhüter Deutschland und bester Torhüter der WM): "Es ist unglaublich. Auch die Leute, die nicht gespielt haben, haben so einen Zusammenhalt in die Mannschaft gebracht. Das ist der Grund, warum wir Weltmeister geworden sind. Wir haben ein paar Rückschläge einstecken müssen. Da muss man auch an die Spieler denken, die jetzt wegen Verletzungen nicht dabei waren. Die sind auch Weltmeister. Ganz Deutschland ist Weltmeister. Es geht nicht um mich, es geht um die Mannschaft. Wir werden irgendwann aufhören zu feiern. Aber wir werden jeden Tag mit einem Grinsen aufstehen."
Alejandro Sabella (Teamchef Argentinien): "Ich bin sehr traurig, dass wir es nicht geschafft haben, die WM zu gewinnen, aber auch stolz auf die Mannschaft, für das Spiel, das sie abgeliefert hat. Ich muss meinen Spielern gratulieren, sie haben das ganze Land stolz gemacht mit dem Einsatz, den sie gezeigt haben und dem Turnier, das sie gespielt haben."
Bastian Schweinsteiger (Mittelfeldspieler Deutschland): "Wir genießen den Moment unglaublich. Danke an ganz Deutschland für die Unterstützung, wir haben sie hier in Brasilien stets gespürt."
Jerome Boateng (Abwehrspieler Deutschland): "Das Gefühl ist Freude pur. Ganz Deutschland ist stolz auf uns. Wir haben gewusst, dass es nicht so wie gegen Brasilien laufen wird. Wir hatten mehr Luft, deshalb wusste ich, dass wir es noch schaffen."
Joachim Gauck (Bundespräsident Deutschland): "Es war ein Nervenspiel. Ich habe so gezittert und wurde immer besorgter. Gott sei Dank hat es dann noch geklappt."
Joachim Löw (Teamchef Deutschland): "Es war uns immer klar, dass Argentinien alles mobilisieren wird in so einem Finale. Es war ein hartes Stück Arbeit. Die Spieler sind weit über die Grenzen gegangen. Sie haben so viel gegeben wie noch nie, um das zu holen, das sie noch nie hatten. Wir sind jetzt seit 55 Tagen zusammen, aber die Arbeit hat schon vor zehn Jahren begonnen mit Jürgen Klinsmann. Das waren zehn Jahre voller harter Arbeit. In diesen Jahren sind wir immer besser geworden.
Wir haben alles getan, um diesen Tag zu erleben. Niemand hat es so verdient wie wir. Das war ein unglaublicher Teamgeist, eine verschworene Einheit, die alles gegeben hat für diesen Titelgewinn. Dieser Sieg war einfach fällig. Ich hatte das Gefühl, dass Mario (Götze, Anm.) heute etwas Entscheidendes machen wird. Das ist jetzt eine Sache für die Ewigkeit. Wir haben es hier im Fußballtempel Maracana als erste Europäer geschafft, den Titel in Südamerika zu gewinnen. Diese Mannschaft ist noch jung und noch lange nicht am Ende. Ich habe noch Vertrag und ich glaube, dass nichts dagegen spricht, dass ich als Bundestrainer weitermache."
Andre Schürrle (Stürmer Deutschland): "Ich hab den Ball mit letzter Kraft zur Mitte geflankt und Mario ist perfekt gestanden. Unglaublich, jetzt will ich einfach nur feiern. Als der Schiedsrichter abpfiff, wusste ich gar nicht, was ich machen sollte. Dieser Pokal ist einfach wunderschön."
Miroslav Klose (Stürmer Deutschland): "Ich schlafe erst ein paar Nächte darüber und werde dann eine Entscheidung treffen, ob ich im Nationalteam weitermache."
Wolfgang Niersbach (Verbands-Präsident Deutschland): "Es war ein Gefühl ähnlich wie 1990. Seit heute weiß ich, man kann dieses Glücksgefühl wiederholen. Ich bin stolz auf die Mannschaft und den Trainer. Sie haben acht Wochen lang auf diesen Sieg hingearbeitet, der Ansporn für die kommende Generation sein wird. Mehr geht für den DFB nicht. Wir haben den 4. Juli Bern, den 7. Juli München, den 8. Juli Rom und jetzt den 13. Juli Rio de Janeiro."