Olympia 2012
Fecht-Eklat um Austro-Kampfrichterin
30.07.2012
Richterin Csar ließ bei 1 Sekunde Restzeit viermal anfechten: Lauter Protest.
Eine Österreicherin ist am Montagabend im Zentrum eines Fecht-Skandals gestanden. Im Semifinal-Duell zwischen der Deutschen Britta Heidemann und der Südkoreanerin Shin A-Lam brauchte es am Ende rund eine halbe Stunde nach Kampfende, bis die Siegerin feststand. Die Jury konnte sich nämlich nicht entscheiden, ob der letzte und entscheidende Treffer der Deutschen, der ihrem Land schließlich die erste London-Medaille überhaupt brachte, noch innerhalb der Zeit gefallen war. Die Kampfleiterin war Barbara Csar aus Salzburg und sie erklärte letztlich Heidemann, die spätere Silbermedaillen-Gewinnerin, zur Siegerin, was die Koreanerin zu einem dreiviertelstündigen Sitzstreik motivierte.
Niederlage in letzter Sekunde
Shins Protest hatte einen guten Grund. Heidemann benötigte in der letzten Sekunde noch einen Treffer, durfte dazu aber gleich vier Anläufe nehmen - die Uhr blieb stets bei einer Sekunde stehen und die österreichische Offizielle ließ wieder anfechten, bis dann Heidemann tatsächlich traf und ins Finale einzog. Nach Riesen-Protesten der Koreaner und langen Beratungen der Jury entschied man sich für einen Sieg der Deutschen, Shin weigerte sich daraufhin, die Planche zu verlassen.
In Tränen
Der Helm lag dabei die ganze Zeit neben ihr, über die Schultern hatte sie ein weißes Handtuch gelegt. "Es war eine sehr schwierige Stunde. Ich habe an all die Zeit gedacht, die ich beim Training für Olympia verbracht habe", klagte die Koreanerin im Anschluss. Die Deutschen Betreuer äußerten Verständnis für deren Frust, sprachen aber kühl von einer "Tatsachenentscheidung". Als der Protest abgeschmettert war und ein Funktionär Shin am Montagabend nach einer guten Dreiviertelstunde aufforderte, die Planche zu verlassen, brach sie wie schon nach dem Ende des Gefechts in Tränen aus und erhob sich nur äußert widerwillig.
Am Ende konnte sich die Koreanerin nicht einmal mit Bronze trösten, sie verlor auch noch das Gefecht um Platz drei. Heidemann wurde ihres Halbfinalsieges aber auch nur halb froh. Im Endkampf unterlag die Siegerin der Spiele von Peking 2008 der Ukrainerin Jana Schemjakina mit 8:9 nach Verlängerung. Immerhin war es der erste Medaillen-Gewinn für Deutschland in London überhaupt.
Rückendeckung vom Fechtverband
In seiner Stellungnahme bestätigte der Internationale Fechtverband (FEI) die Korrektheit der Entscheidungen von Csar. Das Technische Direktorium habe als Protest-Jury den Vorfall geprüft, alle Offiziellen befragt und könne den ordnungsgemäßen Ablauf versichern. Der Protest habe daher keine Grundlage gehabt und sei vollständig zurückgewiesen worden, hieß es. Der Treffer Heidemanns sei korrekt angerechnet und vom Referee, dessen Entscheidung laut Artikel 42 der Regeln endgültig sei, bestätigt worden.
Barbara Csar: Kampfrichterin mit "Gänsehaut"
Mit "ein bisschen Gänsehaut" blickte sie den olympischen Fechtbewerben entgegen, verkündete Barbara Csar, bevor sie sich aufmachte, als Referee in London zu dienen. Am Montagabend sorgte die Salzburgerin für Kribbeln im südkoreanischen Team. Gleich mehrere Male gab sie der deutschen Degenfechterin Britta Heidemann die Chance auf einen entscheidenden Stoß, obwohl nur noch eine Sekunde auf der Uhr stand. Dass Heidemann dann letztlich im Semifinale tatsächlich gewann, führte sogar zu einem Sitzstreik der unterlegenen Südkoreanerin Shin A-Lam.
Nur rund zwei Dutzend Referees dürfen bei den olympischen Fecht-Bewerben neben der Planche stehen. Csar ergatterte mit gerade einmal 29 Jahren als einzige Frau eines der begehrten Tickets. Als Quotenfrau sieht sie sich dabei ausdrücklich nicht.
Geld spielt bei dieser Aufgabe für die ehemalige Aktive keine Rolle. Ihr Einkommen bezieht sie seit fünf Jahren bei der Österreichischen Sporthilfe, wo sie Sport- und Mentoring-Projekte leitet.
Bei drei Welt- und vier Europameisterschaften stand Csar bisher als Kampfleiterin an der Planche. Absolutes Highlight war für sie die Leitung des Damen-Degenfinales bei der WM 2010 in Paris, erzählte sie im April den "Salzburger Nachrichten".
Auf Probleme in London war sie eigentlich eingestellt. "Die Athleten und Trainer testen einen aus", stellte Csar fest. "Da ist es wichtig, eine klare Linie beizubehalten."