Die kanadischen Superstars wollen die Schmach von Turin tilgen.
Ein ganzes Eishockey-verrücktes Land ersehnt diese eine Goldmedaille mehr als alle anderen, Silber wäre bereits eine Enttäuschung. 33 Millionen Landsleute erwarten von ihren NHL-Idolen unter dem erst 22-jährigen Kapitän Sidney "Sid the Kid" Crosby, dass die Kanadier bei den Olympischen Winterspiele in Vancouver am 28. Februar in der letzten der 86 Entscheidungen triumphieren.
Großer Trubel
"Jeder erwartet von uns Gold und nichts
anderes", wusste auch Torhüter Marc-Andre Fleury vor dem Start des
Eishockey-Turniers der Männer am Dienstag. Einen Vorgeschmack auf den Trubel
brachte bereits die Bekanntgabe des 23-Mann-Kaders am 30. Dezember. 13
TV-Stationen waren in Saskatoon live dabei, als Exekutiv-Direktor Steve
Yzerman mit einer großen Show die Namen vorlas. Für zwei Final-Tickets
wurden auch schon 50.000 kanadische Dollar (35.041 Euro) geboten. Dass
Kanada da gar nicht dabei sein könnte, kommt im Mutterland des Eishockey, in
dem die schnellste Mannschaftssportart seit 1994 sogar als nationaler
Wintersport im Gesetz steht, kaum jemand in den Sinn.
Schmach vergessen machen
Yzerman, Cheftrainer Mike Babcock und
seine Assistenten, darunter Thomas-Vanek-Cheftrainer Lindy Ruff von den
Buffalo Sabres, sollen mit einer guten Mischung aus Routiniers und
Youngsters das Olympia-Programm "own the podium" krönen und die Schmach von
Turin 2006 vergessen machen. Damals blieb für die als Titelverteidiger
angereisten Kanadier nur der blamable siebente Platz. "Selbstüberschätzung",
nannte Star-Torhüter Martin Brodeur als Grund. "Das hat uns umgebracht."
In Vancouver soll es ganz anders laufen. Brodeur ist neben Kapitän Scott Niedermayer, Chris Pronger und Jerome Iginla einer von vier Routiniers im Team, die schon 2002 in Salt Lake City beim ersten Olympia-Gold für Kanadas Eishockey-Herren seit 50 Jahren dabei waren. Mit dabei sind aber auch 15 Olympia-Neulinge,12 der 23 Spieler sind 25 Jahre oder jünger. Im Auftaktmatch gegen Außenseiter Norwegen am Dienstag (16.30 Uhr Ortszeit) kann sich das Team, das erst am Sonntagabend zusammentrifft, problemlos einspielen können.
Russland und Schweden
Als mögliche Spielverderber für die
geplante Eishockey-Party am Schlusstag gelten Russland und Schweden. Die
"Sbornaja" hat sich bei den Weltmeisterschaften 2008 und 2009 erbitterte
Final-Duell mit Kanada geliefert und beide Endspiele für sich entschieden.
Erfolgscoach Wjatscheslaw Bykow war mit der Sowjetunion 1988 in Calgary und
der GUS 1992 in Albertville als Spieler selbst Olympiasieger, seither gab es
kein Gold mehr.
Nun will Russland den ersten Olympia-Sieg als eigener Staat, und Bykow bringt Offensiv-Power wie kein anderes Team mit. Mit Alexander Owetschkin, zuletzt zweimal bester Spieler der NHL, Jewgenij Malkin, Ilja Kowaltschuk und Pawel Datsjuk scheint es höchst unwahrscheinlich, dass die Russen so wie vor vier Jahren ohne Medaille bleiben.
Ex-VEU-Star als Coach
Schweden kommt als Titelverteidiger nach
Westkanada. Teamchef Bengt-Ake Gustafsson, einst auch Spielmacher der VEU
Feldkirch, hat 13 Olympiasieger im Team und mit Peter Forsberg, Henrik
Zetterberg, Daniel Alfredsson oder den Sedin-Zwillingen, die als Spieler der
Canucks in Vancouver echten Heimvorteil haben, ebenfalls Hochkaräter im
Angriff.
Gefährliche Außenseiter
Neben dem Trio sind wie immer
auch Tschechien mit dem alternden Superstar Jaromir Jagr, Finnland, die
Slowakei und die USA für eine Medaille gut. Die USA, die bisher nur bei den
Heimturnieren 1960 (Squaw Valley) und beim "Miracle on Ice" 1980 (Lake
Placid) Gold geholt haben, haben einen Generationswechsel vollzogen. Patrick
Kane, Zach Parise, Paul Stastny und Ryan Suter, Sohn von 1980-Olympiasieger
Bob Suter, sind die neuen Leistungsträger. Und vor allem Torhüter Ryan
Miller, Teamkollege von Vanek in Buffalo.
Das Turnier bringt jedenfalls ein Schaulaufen der Stars. 142 Spieler aus der NHL sind mit dabei, insgesamt 505 Millionen US-Dollar (372 Mio. Euro) beträgt ihr Jahresgehalt. Crosby, Owetschkin und Malkin führen die Liste der Top-Verdiener mit je 9 Mio. US-Dollar (6,63 Mio. Euro) an.