Steirerin machte es 50 Jahre später ihrer Mutter Traudl Hecher nach.
Die OIympia-Abfahrt hat Elisabeth Görgl in die Knie gezwungen. Aber zum Glück erst nach der Ziellinie. Die Steirerin hatte auf der schwierigsten Strecke des ganzen Winters alles gegeben, war völlig blau gegangen und musste lange um die Medaille zittern. Mit Bronze erfüllte sie sich einen Riesentraum, während Teamkollegin Andrea Fischbacher um drei hundertstel Sekunden das Podest verpasste. In Summe war es eine kleine Auferstehung des heuer so schwer gebeutelten rot-weiß-roten Damen-Abfahrtteams.
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Zittern bis zum Ende
Wie viele Läuferinnen in vielen Rennen vor
ihr durchlebte Görgl, die bereits mit Startnummer fünf die ruppige "Franz's"
hinuntergejagt war, ein Wellental der Gefühle. Zuerst die Freude über den
großen Vorsprung im Ziel, dann zusehen, wie ihr die US-Amerikanerin Julia
Mancuso mit einer perfekten Fahrt neun Zehntel abnahm. Nach dem Goldauftritt
von Lindsey Vonn (USA) folgte das lange Bangen um die Bronzemedaille, die
ihr beim Angriff von Anja Pärson schon entglitten war, nach dem Zielsprung
und dem Sturz der Schwedin aber wieder um den Hals baumelte.
"Sehr, sehr glücklich"
"Ich hatte keinen
perfekten Lauf und bin deshalb sehr, sehr glücklich, dass das fürs Podium
gereicht hat. Es war ein Riesentraum, eine Medaille zu machen, aber ich
weiß, dass sogar noch mehr möglich gewesen wäre", sagte
die Gewinnerin von drei Weltcuprennen, die zwischen vorletzter und letzter
Zwischenzeit ein paar Zehntel liegen gelassen hatte. "Ich habe dann
zumindest noch alles probiert, um aus der Situation das Beste zu machen."
"So geil!"
Mit der Abfahrt selbst hatte sie ihre helle
Freude: "Es ist so geil, genauso sollten Abfahrten immer sein, meiner
Meinung nach. Es ist unruhig, man kann nicht alles in der Hocke fahren,
genau das macht es aus, dass man wirklich arbeiten muss. Für mich ist das
viel interessanter, als runterfahren und abschwingen, das ist fad."
Nein, Autobahn - wie es einige im Weltcupkalender gibt - ist die
Olympiaabfahrt keine, spektakulär hingegen schon und ein Genuss zum
Zuschauen, wenn auch die zahlreiche Stürze schmerzten.
Langes Warten auf Edelmetall
Lange hat sie auf ihre erste
WM-Medaille warten müssen, noch länger auf Edelmetall
bei Olympia. Jetzt darf sich Görgl endlich über Bronze in der
Olympia-Abfahrt freuen, nachdem sie vor einem Jahr schon Bronze in der
WM-Super-Kombination gewonnen hatte. Bronze liegt bei den Görgls offenbar in
den Genen. Auch ihre Mutter Traudl Hecher hat in den 1960er-Jahren zweimal
Olympia-Abfahrtsbronze gewonnen.
Die 28-jährige in Innsbruck wohnende Steirerin hat damit viel wettgemacht, galt sie doch vergangene Saison sogar als Anwärterinnen auf den Gesamt-Weltcup. Davon ist die Tochter von Waltraud "Traudl" Hecher aber noch immer weit entfernt, denn über Endrang vier in der Gesamtwertung kam sie bisher nie hinaus.
Potenzial nie ausgeschöpft
Drei Siege und 22 Podestplätze
sind prinzipiell auch keine überragende Ausbeute für jemanden, der als
extrem fit und ehrgeizig gilt und 216 Weltcuprennen bestritten hat. Umso
mehr ist das zweite Edelmetall ihrer Karriere aber doch auch eine erneute
Bestätigung für den Weg, den "die Schwierige" seit
Anbeginn ihrer Karriere geht.
Skifahrer-Gene
Ein Weg, der ob der berühmten Mutter
vorgezeichnet schien, den sie aber selbst gewählt hat. "Es ist
meine Geschichte, mein Weg", hatte Görgl im Jänner 2008 in Marburg
gesagt, nachdem sie mit dem Riesentorlauf ihren ersten Weltcupsieg gelandet
hatte, dem sie am 15. März beim Weltcupfinale in Bormio eine zweiten in
dieser Disziplin folgen ließ. Vergangene Dezember schlug sie in Lake Louise
erstmals auch im Super-G zu und verhinderte damit den Hattrick der
weltbesten Speed-Fahrerin Lindsey Vonn in Kanada.
Bruder Stephan schlug als Erster zu
Auch wenn "Lizz"
ihrem ebenfalls rennfahrenden und in Vancouver verletzungsbedingt fehlenden
Bruder Stephan auf sportlicher Ebene mittlerweile den Rang abgelaufen hat,
war ihre im März 2000 in Sestriere als 19-jährige Slalomfahrerin begonnene
Weltcup-Karriere bisher eher eine Achterbahnfahrt. Zwar hat sie ebenfalls
drei Kreuzbandrisse hinter sich, der letzte datiert aber schon ins Jahr
2001.
Drei Jahre dauerte es ab dem Weltcup-Debüt bis zum ersten Podestplatz, den sie im Slalom errang. Eine große Karriere schien hier zu entstehen, aber dann dauerte es gleich weitere fünf Jahre bis zum ersten Sieg.
Oft zu ehrgeizig
Immer wieder ging und geht in den Rennen der
Ehrgeiz mit Görgl durch, Spitzenplätze wechselten sich in bunter Reihenfolge
mit vergessenswerten Ergebnissen ab. An der willensstarken und von ihrem Weg
stets überzeugten Yoga-Anhängerin, die sich in den vergangenen Jahren zu
einer Allrounderin mit immer mehr Speedlastigkeit entwickelt hat, beißen
sich selbst ihre Trainer ab und an die Zähne aus.
Zumindest mit ihrer Familiengeschichte hat sich die Head-Fahrerin irgendwann nicht mehr unter Druck gesetzt. Lange sei es ein Grundimpuls gewesen, mitzuziehen, ja sogar besser sein zu wollen als die Frau Mama. "Ich habe erkannt, dass ich mich davon befreien muss", so Görgl einst.
Ziel immer vor Augen
Das Ziel vor Augen hat Elisabeth Görgl nie
verloren, aber der Zugang zum Rennsport war ein anderer geworden. Auch dank
eines Mentalbetreuers. Sie lernte, geduldig zu sein und nichts zu erzwingen.
In Whistler wird die Obersteirerin, die vor vier Jahren beim Olympia-Debüt in Turin in der Abfahrt gestürzt und daraufhin nicht mehr für die (klassische) Kombi nominiert worden war, zumindest auch in der Superkombination, dem Super-G und im Riesentorlauf starten. Und wenn alles passt, bestreitet sie mangels interner Konkurrenz am Ende mit dem Slalom auch den fünften Olympia-Bewerb und damit das Rennen in der Disziplin, in der sie im Weltcup ihre ersten Erfolge gefeiert hat. Mehr kann also folgen.