Olympia ist für 27-jährigen Kärntner auch ein Kampf gegen die Angst.
Der Kampf um Medaillen und guten Leistungen steht bei den Olympischen Spielen im Vordergrund. Für Thomas Morgenstern
ist es aber auch ein Kampf gegen Angst, Unsicherheit und der Versuch, wieder das Vertrauen zu finden. Der dreifache Olympiasieger aus Kärnten gab am Tag nach seiner Rückkehr auf die Großschanze tiefe Einblicke in sein Emotionalleben - und sprach auch über seine Zukunft nach Olympia.
Rücktritt?
Schon des Öfteren wurde der 27-jährige Kärntner auch im Zuge der XXII. Winterspiele auf einen möglichen Rücktritt angesprochen und er geht mit dem Thema durchaus offen um. "Natürlich denke ich darüber nach. Aber jetzt bin ich hier und denke über Olympia nach und freu mich auf die nächsten Wettkämpfe", möchte sich Morgenstern auf die letzten beiden Einsätze am Samstag (Einzel Großschanze) und Montag (Team Großschanze) konzentrieren. "Wenn ich Sotschi verlasse, werde ich über die Zukunft nachdenken."
Für die Zeit unmittelbar nach den Spielen und eine Rückkehr auch in den Weltcup hat er noch keinen Plan. "Ich muss selbst überzeugt sein, dass ich das in der Art und Weise wie bis jetzt überhaupt noch machen kann", sagte Morgenstern. Gedanken sind da, doch will er sie lieber zur Seite schieben und die Tage in Russland genießen. "Das ist das größte Ereignis, das du dir als Sportler erträumst."
Morgenstern lässt aber durchblicken, dass es für ihn wohl gescheit wäre, "wenn ich mich ein bisserl erholen würde und auskuriere". Immerhin wacht Morgenstern immer noch täglich mit Nackenschmerzen auf. "Das ist der einzige Vorteil, dass wir so spät trainieren und Wettkämpfe haben", meinte er lachend, denn bis dahin hat sich sein Nacken schon gelockert.
Skiflug-WM kein Thema
Schon jetzt ausgeschlossen werden kann wohl ein Antreten bei der Skiflug-WM in Harrachov. Diese Flugschanze gilt auch in Springerkreisen als nicht ungefährlich. "Wenn ich denke, wie ich gestern auf der 120er oben gestanden bin, und dann kommen Gedanken 'Wie würde sich das in Harrachov anfühlen?' - Ja, das ist sehr weit weg. Du weißt, wie viel Glück du gehabt hast bei deinen Stürzen, ich möchte es nicht herausfordern", erklärte der Kärntner.
Stolzer Kärntner
Stolz ist Morgenstern, unabhängig von Ergebnisse und Medaillen, über die Überwindung der Angst, von der er offen spricht. "Ich bin ehrlich, was das betrifft. Da geht keiner rauf nach so einem Sturz und sagt, er hat keine Angst. Es ist klar, es ist was Wildes passiert, was ich nicht einfach in eine Schublade reinkehren möchte", beschreibt Morgenstern seine Gefühle. "Das ist ein Teil von mir und wird mich ein Leben lang begleiten."
Die Überwindung dieser Angst, auch schon auf der Normalschanze, und der unglaubliche Heilungsprozess in den Wochen davor machen ihn stolz. "Ich glaube, dass ich das mit Bravour geschafft habe. Ich würde die Leistung wahrscheinlich über vieles stellen, weil es ist einfach die Ausgangsposition extrem schwierig gewesen."
Viel Vertrauen
Er erinnerte an seine beiden Stürze zunächst in Titisee-Neustadt, die Rückkehr mit Rang zwei bei der Tournee, den erneuten, noch schwereren Sturz auf dem Kulm. "Es gibt mir sehr viel Stärke und Vertrauen in meinen Körper und mich, dass eigentlich ganz viel möglich ist. Ein Tief oder ein Rückschlag ist nicht immer etwas Negatives, sondern eine Chance sich weiterzuentwickeln."
Einen Thomas Morgenstern darf man bei diesen Winterspielen nicht an Ergebnissen messen. Den größten Sieg, das hat er schon nach der Normalschanze gesagt, habe er gefeiert, als er rechtzeitig für die Spiele fit wurde - körperlich wie mental. "Auf der 90er-Schanze war ich in Schlagdistanz zur Weltspitze. Wenn ich zum Beispiel mit dem Vertrauen von einem Kamil Stoch oben stehe, ist das um Welten leichter. Bei mir ist die Unsicherheit da, der Schmerz ist da, das Material ist alles neu. Der Sprung war einer meiner schwierigsten Sprünge 'ever' vom Zugang her. Für mich persönlich ist das schon sehr hoch einzuschätzen."