Niederösterreicher galt über 50 km als Medaillenanwärter.
Der österreichische Wintersport steht neuerlich vor einem Dopingskandal großen Ausmaßes. Langläufer Johannes Dürr
hat einen positiven A-Test auf das Blutdopinghormon Erythropoetin (EPO) abgegeben. Das gab das Österreichische Olympische Komitee (ÖOC) am Schlusstag der Winterspiele in Sotschi/Krasnaja Poljana bekannt.
"Wir sind über diese Meldung schockiert, haben umgehend die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet: das heißt, der Athlet wurde informiert und über seine Rechte aufgeklärt, ihm wurde die Akkreditierung abgenommen und der sofortige Ausschluss aus der Olympia-Mannschaft wurde vollzogen. Dürr hat bereits die Heimreise angetreten", erklärte ÖOC-Präsident Karl Stoss Sonntagfrüh (Ortszeit) in einer Pressemitteilung.
Rückschlag für Langlauf-Sport
Nach den nachhaltigen Affären 2002 in Turin und 2006 in Salt Lake City hat Österreich den nächsten Dopingskandal. Gerade hatte der Österreichische Skiverband (ÖSV) einen Neustart gewagt und hätte mit Dürr auch einen Medaillenanwärter im abschließenden 50-km-Rennen gestellt. "Ein Paukenschlag, der uns wie eine Keule getroffen hat. Wir sind zutiefst enttäuscht und erschüttert. Diese Betrügereien hätten wir nie in unseren Reihen erwartet", sagte Stoss.
Das ÖOC hatte die Nachricht vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) kurz nach Mitternacht erhalten, als die Party im Österreich-Haus,
in dem u.a. die Goldmedaillengewinner Julia Dujmovits (Snowboard-Parallel-Slalom) und Mario Matt (Alpin-Slalom) feierten, voll im Gange war. Als ÖOC-Ärzteteam-Leiter Wolfgang Schobersberger Langläufer Dürr "zur Rede stellte", wie Stoss es nannte, habe dieser seine Verfehlung sofort zugegeben.
Dürr, Achter im Olympia-Skiathlon am 9. Februar, wurde von der österreichischen Olympia-Mannschaft ausgeschlossen und musste zu nächtlicher Stunde das Olympische Dorf sofort verlassen. "Wir wollten, dass er sofort hier verschwindet. Diese Konsequenz vonseiten des Österreichischen Olympischen Komitees sofort erlebt und wahrnimmt und deshalb auch heute Früh abgereist ist", erklärte Stoss, der sich fühlte, wie von "180 auf 0" runtergefahren.
Dürr angeblich Einzeltäter
Gegenüber dem ORF-Fernsehen sagte Dürr vor seiner eiligst organisierten Abreise auf dem Flughafen in Sotschi, dass ihm nichts anderes übrig bleibe, als sich bei allen zu entschuldigen. "So viele Leute haben sich den Arsch für mich aufgerissen und ich habe sie enttäuscht mit meiner Blödheit." Er habe "mit Sicherheit" den falschen Leuten vertraut. "Es ist in jeglicher Hinsicht das Schlimmste, was ich in meinem Leben gemacht habe."
Dürr hatte gegenüber dem ÖOC erklärt, dass er allein gehandelt und sich das EPO selbst zugeführt habe. "Er hat sofort gesagt: 'Ich bin ein Einzeltäter, es ist niemand anderer involviert'", sagte Stoss. Markus Gandler, der Sportliche Leiter für Biathlon und Langlauf, sei ob der Nachricht "total erschüttert" gewesen. "Ihn hat es wahrscheinlich am allerschwersten getroffen. Er hat versucht, den Langlaufsport wieder nach vorne zu bringen. Für ihn ist eine Welt zusammengebrochen."
ÖOC handelt rasch
Was dieser neuerliche Skandal für den österreichischen Langlaufsport bedeuten könnte, darüber wollte der ÖOC-Präsident nicht mutmaßen. Aber er schließt aus, dass es - auch angesichts der Tatsache, dass zum dritten Mal seit Winterspielen 2002 auch Österreicher für Skandale im Langlauf gesorgt haben - Konsequenzen durch das IOC geben wird. "Ich glaube nicht. Vonseiten des IOC ist es wichtig, dass wir sofort die richtigen Konsequenzen gesetzt haben. Die Konsequenzen für den Langlaufsport in Österreich obliegen dem ÖSV, nicht dem ÖOC."
Johannes Dürr war am 16. Februar bei einer Trainingskontrolle in Österreich positiv auf ein EPO-Präparat getestet worden. Zuvor hatte der Sportler laut Stoss 14 Proben negativ absolviert. "Aber es kann das Netz nicht so engmaschig sein, dass es nicht trotzdem Menschen gibt, die es schaffen, zu betrügen", erläuterte Stoss. "Wir haben gedacht, jetzt haben wir das endlich im Griff. Acht Jahre lang nichts, was ja auch eine lange Periode ist."
Fünfter Dopingfall in Sotschi
Dürr ist der fünfte positive Dopingtest dieser Winterspiele. Bei der deutschen Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle ist das Stimulanzmittel Methylhexanamin festgestellt worden. Dem lettischen Eishockey-Spieler Vitalijs Pavlovs war diese Substanz ebenfalls zum Verhängnis geworden.
Außerdem waren noch der italienische Bobfahrer William Frullani auf das Stimulanzmittel Dymethylpentylamin, eine Untergruppe des vielen Nahrungsergänzungsmitteln illegal zugesetzten Methylhexanamins, und die ukrainische Skilangläuferin Marina Lisogor auf die verbotene Substanz Trimetazidin positiv.