Olympia in Sotschi
WADA bestätigt russisches Staatsdoping
18.07.2016
WADA sorgt für Paukenschlag: Russland förderte demnach Doping in Sotschi.
Manipulierte Dopingproben, erschwindelte Medaillen und konspirative Hilfe durch den Geheimdienst: Russland hat nach Ansicht der Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) jahrelang Doping im Spitzensport staatlich geschützt und gefördert. Von 2012 bis 2015 seien 643 positive Doping-Proben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden - und sind damit negativ geworden.
Die Ermittlungen hätten zudem gravierende Beweise für die Verwicklung staatlicher Stellen in den Sportbetrug erbracht, sagte WADA-Chefermittler Richard McLaren am Montag in Toronto. Betroffen seien neben den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auch die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan.
+++ Russland zieht erste Konsequenzen aus Skandal +++
Das russische Sportministerium habe die Manipulationen "geleitet, kontrolliert und überwacht", sagte McLaren. Auch der russische Inlandsgeheimdienst FSB und das Trainingszentrum der russischen Top-Athleten, CSP, seien an den Betrügereien aktiv beteiligt gewesen. Das Doping-Beben bringt das Internationale Olympische Komitee (IOC) zweieinhalb Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) arg in Bedrängnis.
"Härtest mögliche Sanktionen"
IOC-Präsident Bach kündigte sogleich drakonische Strafen an. "Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen schockierenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports und die Olympischen Spiele. Daher wird das IOC nicht zögern, die härtest möglichen Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu ergreifen", betonte der Deutsche am Montag.
Bereits am Dienstag wird die IOC-Exekutive zu einer Telefonkonferenz einberufen und vorläufige Maßnahmen und Sanktionen im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio besprechen. Bislang hat Bach einen kompletten Ausschluss Russlands von Olympia abgelehnt.
Vor der Veröffentlichung hatte Bach - selbst Fecht-Olympiasieger von 1976 - betont, das IOC müsse die Balance zwischen kollektiver Verantwortung und individueller Gerechtigkeit finden. "Jeder, der nicht involviert war, kann nicht für das Fehlverhalten anderer bestraft werden."
Keine Empfehlung der WADA
Eine Empfehlung der WADA-Ermittler für Sanktionen gegen russische Sportler, Verbände oder gar einen Komplettausschluss Russlands gab McLaren nicht. Sein Job sei es gewesen, Fakten zu sammeln und zusammenzustellen, nicht aber Empfehlungen zu geben.
Zuvor hatte es Berichte über mögliche Sanktionsvorschläge der WADA gegeben, Russland komplett für Olympia zu sperren. Dass bereits vor der Veröffentlichung seines Berichts die Anti-Doping-Agenturen aus den USA und Kanada den Ausschluss Russlands gefordert haben, nehme er zur Kenntnis. Bewerten werde er das nicht, sagte der Jurist.
Österreichs Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) verlangte unmittelbar nach der Veröffentlichung des WADA-Berichts einen Ausschluss Russlands von internationalen Wettbewerben, insbesondere den Olympischen Spielen in Rio.
Österreich fordert Ausschluss
"Für mich ist vor allem die Beteiligung staatlicher Organe erschütternd. Das ist für jede saubere Sportlerin und für jeden sauberen Sportler, die in ihrem Sportalltag die strengen Vorgaben des WADA-Codes erfüllen, ein Schlag ins Gesicht", wurde NADA-Geschäftsführer Michael Cepic in einer Aussendung zitiert.
Die NADA fordert, dass sämtliche Ergebnisse des Berichts eingehend geprüft und entsprechende Schlüsse gezogen werden. Eine nachgewiesene Beteiligung staatlicher Stellen an der Vertuschung von Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen könne "nur einen Ausschluss von internationalen Wettbewerben, insbesondere den Olympischen Spielen Rio 2016, bedeuten".
McLaren und sein Team hatten für ihren Bericht tausende Daten und Dokumente ausgewertet, auch gelöschte Dateien seien wiederhergestellt worden, sagte McLaren. Zudem seien Interviews mit Zeugen geführt worden, auch mit Grigori Rodschenkow, dem ehemaligen Chef des russischen Doping-Kontrolllabors. Er gilt als Kronzeuge und hatte die Untersuchung der WADA erst ins Rollen gebracht.
Glaubwürdiger Zeuge?
Rodschenkow, der sich inzwischen in die USA abgesetzt hat, habe sich als glaubwürdiger Zeuge erwiesen, sagte McLaren. Der Russe hatte behauptet, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur RUSADA sowie dem Geheimdienst auf Anordnung des Staates vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen.
Russland hatte bereits vor der Veröffentlichung des WADA-Berichts empört auf Forderungen nach einem kompletten Ausschluss reagiert. Formell müssten die internationalen Sportverbände in jeder Sportart eine Entscheidung treffen. In der Leichtathletik hat der Weltverband IAAF bereits die russischen Athleten von Olympia ausgeschlossen.