Putin pflegt enge Kontakte zum IOC-Boss - das zeigt der IOC-Entscheid.
Die Sportwelt reagiert kritisch, Russland feiert. "Rio, wir kommen", titelten Moskauer Zeitungen nach der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Russland trotz massiver Dopingvorwürfe nicht komplett von den Sommerspielen auszuschließen.
Die Staatsmedien lassen keinen Zweifel daran, wem die Sportgroßmacht das in erster Linie zu verdanken hat. Dem deutschen IOC-Chef Thomas Bach nämlich, der am Montag von vielen Titelseiten. "Bach sagte: Auf geht's", titelt die auflagenstarke Boulevardzeitung "Moskowski Komsomolez".
+++ IOC schließt Russland nicht von Rio aus +++
Staatsdoping? Am Tag nach der IOC-Entscheidung spielen die schweren Verstöße der Vergangenheit in den meisten russischen Medien keine Rolle. Es überwiegt das Triumphgefühl, es trotz aller Hürden eben doch nach Rio de Janeiro geschafft zu haben.
Bach schiebt Verantwortung ab
"Die Sportler werden am Donnerstag abfliegen", teilte NOK-Chef Alexander Schukow bereits mit. Zwar sei in den vergangenen Wochen erheblicher Druck auf Bach ausgeübt worden, Russland zu sperren. "Aber er hat widerstanden", lobte Schukow den IOC-Chef.
Das bewerten in internationalen Fachkreisen viele anders. Dort steht Bach besonders deswegen in der Kritik, weil er die Verantwortung delegiert. Er überlässt es Fachverbänden, einzelne Athleten wegen Dopings von Olympia auszuschließen.
Russlands Sportminister Witali Mutko nennt die Kriterien zwar "extrem hart". Aber der Vertraute von Präsident Wladimir Putin ist gewiss: "Die Mehrheit der russischen Athleten wird nach Rio fahren."
Putin beweist erneut Geschick
"Zuckerhut und Peitsche" - so verstehen viele in Russland Bachs Entscheidung. Er ist mit Kremlchef Wladimir Putin befreundet, der die Starterlaubnis bei den Olympischen Spielen natürlich begrüßte. Russland werde nun noch enger mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und weiteren Organisationen zusammenarbeiten, "um die Folgen des Dopingskandals zu beseitigen", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.
(c) APA
Zugleich bedauerte er, dass viele russische Sportfunktionäre keine Akkreditierung für die Spiele im August bekommen hätten, darunter Sportminister Mutko. Putin selbst plane keinen Besuch der Eröffnungszeremonie der Sommerspiele, hieß es weiter.
Moskauer Medien heben oft ein enges persönliches Verhältnis zwischen Bach und Putin hervor. Kaum jemand gilt in der globalen Sportpolitik als so gut vernetzt wie Putin. Er, der frühere Geheimdienstchef, habe sich erneut als gewiefter Taktiker gezeigt, kommentiert der Rundfunksender Echo Moskwy: "Dem Kreml ist es tatsächlich gelungen, massenhaftes Doping als eine Tat Einzelner darzustellen."
Die Zweifel bleiben
Dass eine neu gegründete Anti-Doping-Kommission nun für sauberen Sport sorgt, glauben in Russland wenige. Der 81-jährige Leiter Witali Smirnow gilt als Ex-Sowjetfunktionär nicht als Garant für Offenheit.
+++ IOC: Spezial-Auflagen für russische Athleten +++
Große Beachtung findet in Moskau das Schicksal der Whistleblowerin Julia Stepanowa, die das IOC wegen ihrer Doping-Vergangenheit nicht als Teilnehmern, sondern nur als Gast in Rio akzeptiert hat. Das Moskauer Magazin "Argumenty i Fakty" fragt, warum etwa Dopingsünder Justin Gatlin (USA) in Brasilien starten dürfe - und Stepanowa nicht.
"Die russische Fahne wird in Rio wehen", jubelte das Staatsfernsehen. In den Triumph mischt sich auch Erleichterung. Denn Moskau war in den vergangenen Tagen alles andere als siegesgewiss.
Kritische Pressestimmen
Ganz anders wird die Entscheidung in der internationalen Presselandschaft kommentiert:
GROSSBRITANNIEN:
"Daily Mail": "Bühne frei für die chaotischsten und verrufensten Olympischen Spiele der Geschichte. Trotz der enormen staatlich gestützten Doping-Betrügereien, mit denen Russland die Sportwelt jahrelang in Verruf gebracht hat, darf das Team von Russland in Rio starten."
"Guardian": "Die mutige Athletin Julia Stepanowa, die den Skandal erst öffentlich gemacht hat, darf (...) nicht starten. (...) Es hinterlässt das ungute Gefühl, dass die vielleicht wichtigste Whistleblowerin in der Geschichte des Sports geopfert wurde, um Wladimir Putin zu besänftigen."
FRANKREICH:
"Le Republicain Lorrain": "Nie zuvor war der Sport so sehr das Abbild der Gesellschaft, die er zu unterhalten vorgibt: formatiert, eingerahmt, unlauter und von finanziellen und politischen Erwägungen dominiert. (...) Das Internationale Olympische Komitee, das eigentlich die obersten Werte des Sports schützen soll, beweist sein heimliches Einverständnis mit einer übel riechenden Geopolitik. Indem es sich (...) weigert, die russischen Sportler von den Spielen von Rio auszuschließen - trotz eines belastenden unabhängigen Berichts, der ein "System des Staatsdopings" aufgedeckt hat -, ist das IOC feige vor Wladimir Putin eingeknickt."
SPANIEN:
"Marca": "Das IOC hisst die Fahne Russlands. Alle Forderungen nach einer drastischen Position wurden überhört."
"La Vanguardia": "Das IOC traut sich nicht gegen Russland."
ITALIEN:
"Tuttosport": "Es gewinnt Putin. Was für ein Rückschritt! Der Ausweg: Die Verbände entscheiden, ob die Russen nach Rio fahren."
"La Repubblica": "Putins Russland gewinnt. Das IOC von Bach zieht sich zurück, kein Verbot für die Spiele. Falls der Skandal um das russische Doping tatsächlich eine sportliche Miniaturausgabe des Kalten Krieges war, kann man nun sagen, dass ihn Wladimir Putin gewonnen hat."
SCHWEIZ:
"Blick": "Einer der dunkelsten Tage der Sport-Geschichte!"
DEUTSCHLAND:
"Bild": Der Olympia-Skandal! Mit der Zulassung Russlands, das nachweislich seit mindestens 2012 Staats-Doping betrieben hat, übertrug das IOC die Entscheidung einfach auf die Fachverbände. Ganz nach dem Motto: WIR machen uns die Finger nicht schmutzig!"