Dem Leid der Pferde und einstimmigem Gemeinderatsbeschluss zum Trotz weigert sich Bürgermeister Harald Preuner, eine Hitzefrei-Regelung in den neuen Fiaker-Vertrag, der ab Mai 2023 gelten soll, aufzunehmen.
Der Vertrag der Fiaker mit der Stadt Salzburg soll im Mai 2023 um weitere fünf Jahre verlängert werden. Wie eine Anfragebeantwortung aus dem Büro des Bürgermeisters offenlegt, möchte Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) in diesen neuen Vertrag keine Hitzefrei-Regelung aufnehmen, obwohl der Salzburger Gemeinderat im Dezember 2020 einstimmig (!) ein Hitzefrei ab 30 Grad für die Fiakerpferde, sowie eine Messung dieser Temperatur am Fiakerstandplatz (Residenzplatz) beschloss.
Dazu kommt, dass sich bei einer kürzlich durchgeführten, repräsentativen Gallup-Umfrage 76 % der österreichischen Bevölkerung für ein Hitzefrei ab 30 Grad für die Fiakerpferde ausgesprochen haben.
Bürgermeister Preuner sieht keinen Grund für eine Senkung der Hitzegrenze
Laut Bürgermeister gäbe es keine Grundlage dafür, die Hitzegrenze auf 30 Grad zu senken. Doch das ist nicht wahr – nicht umsonst haben unzählige Städte weltweit wie zum Beispiel Barcelona, Istanbul und London bereits diese Hitzefrei-Regelung oder den Fiakerbetrieb aus Tierschutzgründen gänzlich verboten.
Oft heißt es, Pferde sind Steppentiere – die Salzburger Betonwüste ist allerdings keine Steppe und somit kein geeigneter Ort für diese sensiblen Tiere, schon gar nicht bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke.
Pferde überhitzen bis zu 10 Mal schneller als Menschen und können an einem heißen Tag 20 bis 30 Liter pro Stunde schwitzen. Letztes Jahr behauptete der damalige Fiaker-Obmann Franz Winter in einem Interview, dass die Fiakerpferde überhaupt nicht schwitzen würden, was eine starke Dehydration bedeuten würde.
Alexandra Nobis vom VGT dazu: Das Verhalten des Bürgermeisters ist eine Schande und einer modernen Demokratie unwürdig. 76 % der Bevölkerung wollen Hitzefrei ab 30 Grad, der Gemeinderat hat es bereits vor zwei Jahren einstimmig beschlossen – doch der Bürgermeister macht, was er will – während die Pferde massiv darunter leiden. Sein Verhalten schadet unserer Demokratie und dem Ruf der Stadt Salzburg. Tierquälerei entgegen der Mehrheitsmeinung und einstimmiger Gemeinderatsbeschlüsse nicht abzudrehen, ist ein Armutszeugnis für die Stadtregierung. Wir fordern, dass das Hitzefrei ab 30 Grad unverzüglich durchgesetzt und der Vertrag mit den Fiaker 2023 nicht weiter verlängert wird. Die Pferde haben genug gelitten. Es ist Zeit, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen und moderne, tierfreundliche Alternativen zur Stadtbesichtigung zu fördern.
Eine Petition des VGT hat bereits über 20.000 Unterschriften für ein Verbot gesammelt
Auch in Wien verursachen die Fiaker eine hitzige Debatte. Weder die Stadt Wien noch das Gesundheitsministerium hat vor, den Fiakerpferden in Wien Hitzefrei ab 30 Grad zu geben. Eine traurige und lange Chronologie des Abschiebens der Verantwortung. Noch letztes Jahr weckte Tierschutz-Stadtrat Jürgen Czernohorszky Hoffnungen, als er sich dafür aussprach, dass Fiakerpferde in Wien ab 30 Grad Hitzefrei bekommen sollen. Damals hieß es vonseiten des Stadtrats wörtlich: „Denn nicht nur uns Menschen ist heiß, sondern auch den Tieren“, und weiter: „Ich finde, jetzt braucht es auch eine Temperaturobergrenze, um die Pferde zu schützen.“.
Doch schnell machte sich Ernüchterung breit - zuerst hieß es, die Stadt sei rechtlich nicht zuständig, sondern der Bund, als der Bund das widerlegte, herrschte kurz Schockstarre, dann beharrte man weiter auf der eigenen Handlungsunfähigkeit und verwies darauf, dass diese Agenden eigentlich bei Verkehrsstadträtin Sima liegen. (Die in ihrer Zeit als Tierschutzstadträtin stets auf die Zuständigkeit der Verkehrsstadträtin verwies, aber jetzt als Verkehrsstadträtin verdächtig ruhig bei diesem Thema ist.)
Keine Veränderungen erkennbar
Jetzt zeigen beide Seiten ihr wahres Gesicht: von all den Ankündigungen und Versprechungen bleibt letztlich nichts übrig und alles soll beim Alten bleiben! Von den behaupteten Schattenstandplätzen ist nichts zu sehen, die Pferde stehen zu einigen Tageszeiten weiterhin in der prallen Sonne. Zudem belegen Aufnahmen mit Wärmebildkameras, dass die Bodentemperatur direkt bei den Pferden bis zu 50 Grad und die Lufttemperatur bis zu 38 Grad hat, ohne dass bei der offiziellen Messstelle die 35-Grad-Schwelle überschritten wurde und die Pferde damit Hitzefrei bekommen.
Fiaker-Campaigner Georg Prinz ist schwer enttäuscht: Zuerst wurde wochenlang diskutiert, sogar über die Abschaffung der Fiaker, doch ausgerechnet nach den ungewöhnlich heißen Junitagen soll jetzt wieder gar nichts passieren? Zuerst sagt die Stadt Wien, der Bund sei zuständig, dann sagt der Bund, die Stadt Wien sei zuständig. Jetzt sind sich beide scheinbar einig geworden, dass niemand zuständig sei und man „leider“ gar nichts machen könne. Ein völliges Politikversagen, die Leidtragenden sind wie immer die Tiere.
Dabei stellte der Verfassungsgerichtshof klar, dass das Ziehen von Kutschen durch Pferde von Bundesländern geregelt werden könne. Der Bund kann strengere Regelungen zur Haltung von Pferden erlassen.
„Bei aller Uneinigkeit in der Politik: Wenn es darum geht, Pferde bei bis zu 38 Grad in der Sonne leiden zu lassen, ist man sich zwischen Stadt Wien und Bund scheinbar einig. Und das, obwohl 76 Prozent der Österreicher:innen und knapp 55.000 Unterzeichner:innen unserer Petition sich für eine Hitzefrei-Regelung ab 30 Grad aussprechen. Wir werden uns weiter für die Pferde einsetzen, bis versprochene Änderungen auch umgesetzt werden!“ so Georg Prinz vom VGT.
Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 26. Juni 2022, hier in voller Länge sehen.
Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 03. Juli 2022, 18:30 Uhr.