Die Urforelle als Quelle der Hoffnung für die alpine Forelle. Thaur in Tirol als Kinderstube der Salmo Trutta.
Im Jahre 1998 war Dr. Nikolaus Medgyesy, seinem Kollegen Dr. Steven Weiss behilflich, Bachforellen aus entlegenen Gebieten in Tirol, für enzymelektrophoretische Untersuchungen zur Erfassung heimischer Bachforellenpopulationen zu besorgen. Ihm war bekannt, dass es im Gossenköllesee auf 2417m Höhe Bachforellen gibt, die wahrscheinlich auf einen Besatz aus dem Mittelalter zurückgehen. In Gesprächen mit seinem Kollegen wurde ihm klar, dass das damalige wissenschaftliche Interesse sich lediglich auf das Vorkommen und die Unterscheidung verschiedenster Bachforellenlinien fokussierte.
Nachzucht gefährdeter Fische
Bei den damals an drei Plätzen in Österreich bekannten Donaustämmigen Populationen handelte es sich um höchst gefährdete und vom Aussterben bedrohte, Kleinstpopulationen. Seine Idee war nun, diese gefährdeten Fische zu retten, sie nachzuzüchten, mehr über ihre Eigenschaften in Erfahrung zu bringen und sie in geeignete Gewässer ihres Einzugsgebietes wieder anzusiedeln. Im Einvernehmen mit dem Institutsvorstand der Zoologie der Universität Innsbruck durften er und sein Sohn die universitären Einrichtungen zur Reproduktion dieser Fische benützen.
Eigenschaften zur Resilienz
Die donaustämmige Bachforelle hat sich über Jahrtausende an die klimatischen Verhältnisse in den Alpen, im Besonderen an jahreszeitliche Abflüsse und Temperaturen in unseren Gebirgsbächen angepasst. Sie ist ein außerordentlich standorttreuer Fisch, der geschützte Einstände in dynamischen, kalten Gebirgsbächen liebt und extreme Hochwasserereignisse gut übersteht. Trotz heftiger Niederschläge mit extremen Hochwassern, die den Fischbeständen stark zusetzen, entwickelte sich in diesen Hochwasser-gefährdeten Gebieten, wie im Sellraintal, dem Revier Melach bei Gries im Sellrain und im Fotscherbach, ein sehr guter Urforellenbestand.
Ein sensibler Bestand
Gravierende anthropogene Eingriffe in die Fließgewässer wie Landgewinnung, Energieversorgung, Hochwasserschutz, Wildbachverbauungen, Trockenlegung von Überflutungsgebieten haben den Lebensraum der Fische massiv beeinträchtigt und führten vielerorts zum Rückgang der Fischbestände. Durch intensive Besatzmaßnahmen mit Atlantikstämmigen Bachforellen, die man seit den 1940er – 1950er Jahren über Fischzuchtbetriebe leicht beziehen konnte (Aufkommen von Trockenfutter, Boom in der Aquakultur), versuchte und versucht man heute noch Bestandsdefizite bis hin in entlegenste Gebiete auszugleichen. Diese jahrzehntelange Praktik einer Einmischung fremder Gene in die lokalen Linien führten zum Verschwinden der Donaustämmigen Bachforelle.
Tirols Fischereiverband ergreift die Initiative, etabliert Thaur als “Krippe der Urforelle”
2010 trat der Obmann des Tiroler Fischereiverbandes (TFV) Dr. Markus Schröcksnadl an Dr. Nikolaus Medgyesy heran und bat ihn, ein Konzept auszuarbeiten, mit dem es möglich wäre, die Danubische Bachforelle im großen Stil zu produzieren, um diese in Tiroler Gewässer wieder anzusiedeln. Auch sollten 100.000 Äschen für den Besatz in den Inn produziert werden. Für die Umsetzung dieser ehrgeizigen Projekte pachtete der TFV ab April 2010 die Fischzucht Thaur, Nikolaus Medgyesy jun. wurde als Bewirtschafter angestellt. Bei Null beginnend (Fang von potentiellen Danubischen Elterntieren, individuelle Markierung, Entnahme von Gewebeproben, gezielte Verpaarung nach Eintreffen der genetischen Befunde), konnten im ersten Jahr nur eine untergeordnete Menge an reinen Danubischen Bachforellen produziert werden, dafür aber jede Menge Äschen. Erst ab dem dritten Jahr wurden 50.000 und später jährlich 120.000 bis 180.000 Bachforellen produziert. Von 2010 bis 2016 verließen jährlich neben den Bachforellen 160.000 – 190.000 Äschen Setzlinge die Anlage.
Die Fischzucht, ein Herzen- und Lebensprojekt
Verbringt man einen Tag in der Fischzucht, so sieht man da Leistungen, die einen Fischfreund an’s Herz gehen: Von früh bis spät und auch in der bittersten Kälte steht Nik jun. seinen Mann, lediglich unterstützt von seinem Vater, dem pensionierten Salmonidenpapst Nikolaus Medgyesy senior : Im Bruthaus werden die Setzlinge teilweise mit der Hand gefüttert, dann in die Aufzuchtbecken gebracht und dann in weitere Teiche der Anlage. Besonders groß ist der Verlust bei den maturierenden Milchnern, die in Konkurrenz stehen.
Medgyesys halten das Zepter des Artenschutzes hoch
Die Urforelle, also Donau stämmige Bachforelle ist nicht nur der Besatzfisch mit den besten Voraussetzungen, den Bestand der heimischen Bachforelle wieder als selbst ausreichend reproduzierende Art zu sichern. Er ist auch ein regionales Genussmittel. Längst hat die Gastronomie gelernt, welch ein Unterschied regional gezogener oder gefangener Fisch zur Massenaufzucht ist, Sie würden es auch schmecken: Die Seeforelle aus der Fischzucht Thaur macht Genießer träumen.
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