Soja 1.PNG

Unsere Tiere

Kann Soja auch nachhaltig sein?

Teilen

Der Amazonas-Regenwald produziert einen Großteil seiner eigenen Niederschläge durch ein sich selbst verstärkendes System des Feuchtigkeits-Recyclings zwischen Wald und Atmosphäre.

Dieses Kreislaufsystem wird durch häufigere Dürren, wie sie bei der derzeitigen globalen Erwärmung vorhergesagt werden, stark beeinträchtigt werden. Der gesamte Wald ist in diesem Kreislaufsystem miteinander vernetzt. Folglich greifen Schäden in einer Region auf benachbarte Regionen über, was den Gesamtschaden um ein Drittel erhöhen kann. Am stärksten gefährdet sind die südöstlichen und südwestlichen Randgebiete des Waldes, wo menschliche Aktivitäten wie Abholzung, Entwaldung und Beweidung die Probleme des grünen Riesen noch verschärfen.

Für jeden dritten Baum, der im Amazonas-Regenwald vertrocknet, stirbt ein vierter Baum – auch wenn er nicht direkt von Dürre betroffen ist. Das ist, vereinfacht ausgedrückt, das Ergebnis einer Netzwerkanalyse, mit der Forschende die komplexen Abläufe in einer der wertvollsten und artenreichsten Kohlenstoffsenken der Erde untersucht haben. Am stärksten gefährdet, sich in eine Savanne zu verwandeln, sind die Regionen an den südlichen Rändern des Waldes, wo kontinuierliche Rodung für Weideland oder Soja der Belastbarkeit des Waldes schon seit Jahren zusetzt.

Klimawandel als Gefährdung des Regenwalds

Weil der Klimawandel dem Amazonasbecken immer häufigere und schwerere Dürreperioden beschert, könnte der Regenwald in Südamerika Teile seines Regens verlieren – und damit die Basis seiner Feuchtigkeitsversorgung. Dieser Mangel an Regen ist für den Wald lebensbedrohlich, denn er atmet Wasser: Sobald es geregnet hat, nimmt der Boden ebenso viel davon auf wie die Pflanzen, und beide geben durch Verdunstung und Transpiration eine große Menge wieder ab. Durch dieses atmosphärische Feuchtigkeitsrecycling macht der Wald einen Großteil seines eigenen Wetters und erzeugt bis zur Hälfte der Niederschläge im Amazonasbecken. Auch wenn dieses System hocheffizient ist, hängt es letztendlich davon ab, wie viel Wasser ins System eingebracht wird.

Soja als Risikorohstoff

Dazu kommt, dass die Nachfrage nach Soja steigt und steigt. Und um diese zu befriedigen, gehen einzigartige Lebensräume verloren, wird fruchtbarer Boden zerstört und Wasser verseucht. Zwischen 2001 und 2015 wurden mehr als acht Millionen Hektar Wald und Savannen zugunsten von Sojafeldern abgeholzt – hauptsächlich in Brasilien. Kein Wunder also, dass die Sojabohne mittlerweile zu den größten Risikorohstoffen für die weltweite Entwaldung gehört. Aber eine neue WWF-Studie zeigt Wege aus der negativen Soja-Spirale.

Wälder als Kohlenstoffreservoire

Wälder gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Welt. Sie sind Lebensgrundlage für mehr als 1,6 Millionen Menschen und speichern etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs. Ihr Verlust ist ein zentraler Treiber der Klimakrise. Und trotzdem werden Wälder unaufhörlich abgeholzt: Wir verlieren durchschnittlich alle vier Sekunden Waldfläche in der Größe eines Fußballfeldes. 90 Prozent der abgeholzten Flächen werden schließlich für die Landwirtschaft genutzt, etwa für Sojaplantagen.

Die Relevanz der Sojabohne

Die Sojabohne gilt als eine der frühesten domestizierten Nahrungspflanzen und wurde bereits vor 9.000 Jahren in China angebaut. Im vergangenen Jahrhundert wurde die Sojaproduktion immer weiter ausgedehnt und liegt heute bei 360 Millionen Tonnen. Weltweit wird Soja auf einer Fläche von etwa 128 Millionen Hektar angebaut, das entspricht etwa 3,5-mal der Größe Deutschlands. Der Grund für diesen durchschlagenden Erfolg: Die Sojapflanze lässt sich einfach kultivieren und die Bohne hat einen ausgesprochen hohen Eiweißgehalt. Soja gehört mittlerweile zu den wichtigsten Proteinquellen der Welt und wird hauptsächlich zu Mehl oder Öl verarbeitet. Obwohl man es auch direkt verzehren kann, wird es zum größten Teil als Tierfutter eingesetzt. Etwa 70 Prozent der Sojaernte wird an Geflügel, Rind, Milchvieh, Schweine und Aquakulturen verfüttert.

Die Zerstörung der Natur für den Anbau von Agrarrohstoffen macht sich besonders in den Tropen bemerkbar. Hier ist Sojaanbau mit fast einem Drittel für den größten Teil der Entwaldung verantwortlich, dicht gefolgt von Palmöl. Im brasilianischen Amazonasgebiet hat sich die Sojaanbaufläche in den vergangenen zwanzig Jahren sogar verzehnfacht. Der Amazonas-Regenwald und die Cerrado-Savanne gehören mittlerweile zu den am stärksten gefährdeten Ökosystemen des Planeten.

Der Amazonas Regenwald

Der Amazonas Regenwald erstreckt sich über neun Staaten Südamerikas. Den größten Anteil hat Brasilien mit einer Landfläche größer als Westeuropa. Die Amazonas-Regenwälder gelten mit ihrer überwältigenden Artenvielfalt zu Recht als die Kronjuwelen der Weltnatur. Der Amazonas-Flussdelfin, das Manati und der Flachlandtapir sind hier beheimatet. Amazonien ist zugleich ein Lebensraum für Menschen: Rund 320 unterschiedliche indigene Bevölkerungsgruppen leben hier häufig noch auf sehr traditionelle Art.

Europa als Nachfrager

Doch aus dem Wald wird Soja. Treiber dieser Entwicklung ist – wie so oft – die Nachfrage. Und die wiederum kommt zu großen Teilen aus der Europäische Union (EU). Soja macht 47 Prozent der von der EU importierten Entwaldung durch Agrarprodukte aus. 86 Prozent des importierten Sojas stammen aus Brasilien, Argentinien oder den USA. Insgesamt wurden im Jahr 2020 knapp 34 Millionen Tonnen Soja in die EU importiert, allein nach Deutschland waren es 6,1 Millionen Tonnen. Viele europäische Unternehmen stehen an der Spitze der globalen Wertschöpfungsketten für Palmöl, Soja, Kakao und Co., welche die Abholzung der Tropenwälder vorantreiben.

Mangel an rechtlicher Regelung

Obwohl das Bewusstsein für das Problem deutlich gestiegen ist, liegen einer grundlegenden Veränderung einige Hindernisse im Weg. Es fehlt an rechtlichen Rahmenbedingungen – sowohl in Anbau-, als auch in Importländern – und an Transparenz innerhalb der Sojalieferketten. Selbst wenn sich ein Unternehmen zu entwaldungsfreien Lieferketten verpflichtet, ist es oft schwer, mit Sicherheit nachvollziehen zu können, aus welcher Region das importierte Soja stammt und welchen Weg es auf seiner Reise nach Europa zurückgelegt hat.

„Entwaldungs- und umwandlungsfreie Soja-Lieferketten“

Im Rahmen der WWF-Studie „Entwaldungs- und umwandlungsfreie Soja-Lieferketten“ wurde insbesondere die Soja-Lieferkette zwischen Brasilien und Deutschland beleuchtet. Die gute Nachricht: es ist genug Anbaufläche vorhanden. Expert:innen fanden heraus, dass in Brasilien großes Potenzial besteht, die Sojaexpansion durch finanzielle Anreize auf bereits gerodete Flächen zu verlagern. Für Landwirt:innen würde sich die Umstellung durch Subventionen der Regierung lohnen und sie müssten die nachhaltigeren Praktiken nicht selbst finanzieren.

Sojaanbau und der Schutz von wertvollen Ökosystemen kann Hand in Hand gehen. Doch die Verantwortung für entwaldungsfreie Lieferketten liegt auf geteilten Schultern. Das Exportland Brasilien muss neue Gesetze gegen die illegale Zerstörung einführen sowie bestehende konsequent durchzusetzen.

Internationale Ebene

Auf internationaler Ebene brauchen wir Besteuerungsmechanismen, die den nachhaltigen Anbau fördern und zum Schutz von Wäldern beitragen, so der WWF. Zudem geben rechtliche Rahmen wichtige Signale – so etwa der aktuelle Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission über den Ausschluss von Produkten aus dem EU-Markt, die mit Entwaldung in Verbindung stehen.

Verantwortung der Unternehmen

Ein weiterer wichtiger Hebel liegt bei den Unternehmen selbst: Wenn diese ihre eigene Lieferkette transformieren, indem sie die Erwartungen an ihre Lieferanten ändern und Klarheit über die Herkunft des eingesetzten Sojas schaffen, tragen sie zu einem nachhaltigeren Sojaanbau bei. Ein standardisierter Informationsaustausch und ein einheitliches Datenmanagement innerhalb des Sektors können die Transparenz der Sojalieferketten verbessern.

Zivilgesellschaft

Und auch die Rolle der Zivilgesellschaft ist wichtig, zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit oder der Beratung von Politik und Unternehmen. Denn nur gemeinsam ist eine entwaldungs- und umwandlungsfreie Sojaproduktion in Zukunft möglich.

Unterstützen auch sie den WWF dabei die Transparenz der Sojalieferketten zu verbessern und spenden sie auf www.wwf.de.

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 04. September 2022, hier in voller Länge sehen.

Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 11. September 2022, 18:30 Uhr. 
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten