Nachdem vergangenes Jahr im oberösterreichischen Naarn eine 60-jährige Joggerin von einem Hund tot gebissen wurde, hat eine Experten-Arbeitsgruppe im Auftrag von Landesrat Michael Lindner das Oö. Hundehaltegesetz überarbeitet.
Am Mittwoch, 10. Jänner steht der Gesetzesentwurf in einer Unterausschusssitzung zur Diskussion.
Die Eckpunkte des neuen Hundehaltegesetzes
Sechsstündiger Sachkundekurs für Hundehalter: Hundehalter müssen vor Anschaffung eines Hundes einen Sachkundekurs im Ausmaß von sechs Stunden positiv absolvieren.
Alltagstauglichkeitsprüfung für Halter von großen Hunden: Gänzlich neu und österreichweit einzigartig ist die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Hunden. Tritt das neue Gesetz in Kraft, müssen Halter von großen Hunden zusätzlich zum erwähnten Sachkundekurs einen Praxistest absolvieren. Dabei wird das Verhalten von Hund und Halter in Alltagssituationen, etwa im Straßenverkehr oder in Menschenmengen überprüft. Als große Hunde gelten ausgewachsene Tiere mit einer Widerristhöhe von mindestens 40 cm oder einem Gewicht von mindestens 20 kg.
Neue Anforderungen an die Haltung von sechs Rassen: Für die Haltung von Bullterriern, American Staffordshire Terriern, Staffordshire Bullterriern, Dogo Argentinos, Pit-Bulls und Tosa Inus muss ebenfalls ein Praxistest absolviert werden. Ab dem 13. Lebensmonat gilt eine generelle Leinen- und Maulkorbpflicht im öffentlichen Raum. Halter können eine Aufhebung der Maulkorbpflicht beantragen – dafür ist eine verhaltensmedizinische Evaluierung des Hundes und eine Zusatzausbildung erforderlich.
Kriterien für „auffällige“ Hunde werden erweitert: Wird ein Hund per Bescheid als „auffällig“ erklärt, muss der Halter künftig eine deutlich intensivere Ausbildung positiv absolvieren. Das neue Gesetz soll auch den Datenaustausch über auffällige Hunde zwischen den Gemeinden verbessern – im Falle eines Umzugs des Halters oder bei Abgabe des Tieres an andere Halter gehen damit keine Informationen verloren.
Ausweitung der möglichen behördlichen Maßnahmen: Neu sind auch die Möglichkeiten der Behörde, wenn es in Gemeinden zu Belästigungen oder Bissvorfällen durch Hunde kommt. Die Maßnahmen reichen von behördlichen Anordnungen betreffend einzelner Hunde bis zur Untersagung einer Hundehaltung für bestimmte Hundehalter und ermöglicht auch die Abnahme von Tieren.
Der deutsche Hundetrainer, Fernsehmoderator und Buchautor Martin Rütter äußerte in der ORF-Radio-Oberösterreich-Sendung "Linzer Torte" heftige Kritik an einem neuen Gesetzesentwurf für ein schärferes Hundehaltegesetz. "Das Ergebnis zeigt, dass man nicht mit Experten gesprochen hat", lautet das Fazit des Star-Hundetrainers. "Rassen zu stigmatisieren, macht keinen Sinn. Wenn ich sage: 20 Kilo, 40 Zentimeter, bedeutet das nicht, dass ich glaube, dass ein Dackel in der Lage ist, ein Kind schwer zu verletzen", so Rütter. Ihm zufolge seien Beißstatistiken einfach außer Acht gelassen worden.
„Wenn Sie mal sehen, wie ein Sieben-Kilo-Hund sich in das Gesicht eines Kindes verbissen hat, wissen Sie, das hat nicht nur mit großen Hunden zu tun", erklärte Rütter, der bereits öfter als Gutachter für Bissverletzungen herangezogen wurde, weiter. Als Vergleich zieht der Hundetrainer PKWs heran: „Wir gehen ja auch nicht hin und sagen, nur Leute mit großen Autos brauchen einen Führerschein.“
Michael Lindner (SPÖ), zuständiger Tierschutz-Landesrat, weist die Kritik scharf zurück: "In unserer Arbeitsgruppe waren sowohl Veterinärmediziner, Tierschutzexpertinnen wie auch Juristinnen und Juristen beteiligt.“ Für den Entwurf sei man im Austausch mit vielen Fachexperten aus den Bundesländern gewesen. „Nur weil wir den Herrn Rütter vielleicht persönlich nicht eingebunden haben, heißt das nicht, dass es nicht ein breit erarbeiteter Vorschlag ist“, kontert Lindner. Die Kritik an den der 20-Kilo- bzw. 40-Zentimeter-Grenze sei für Lindner ebenso unverständlich. Die seien international wissenschaftliche Standards. Zusammenfassend hält er fest: „Für all jene, die ihre Hunde im Griff haben, wird sich auch mit diesem Hundehaltegesetz nichts ändern.“
VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck ist ebenfalls nicht d‘accord mit dem Gesetzesvorschlag. Sie hält fest:
„Der Entwurf für ein neues Hundehaltegesetz in Oberösterreich ist aus Tierschutzsicht leider großteils ungeeignet, ein sicheres Miteinander von Mensch und Tier zu ermöglichen. Hunde in bestimmte Rassen und Gewichtsklassen einzuteilen, ist überhaupt nicht zielführend. Ob ein Hund gefährlich ist oder nicht, hängt davon ab, wie er aufwächst, sozialisiert und erzogen wird. Solche Einteilungen werden zudem die Tierheime durch potentiell erhöhte Abnahmen und Abgaben belasten und die Vergabe betroffener Tiere erschweren.
Daher muss in erster Linie am Grundwissen der Hundehalter:innen in Theorie und Praxis angesetzt werden. Wir fordern einen verpflichtenden bundesweiten Sachkundenachweis für alle Hundehalter:innen. Außerdem sollten Hundehalter:innen dazu verpflichtet werden, auch einen Praxisteil, beispielsweise in Form von Trainingsstunden bei tierschutzqualifizierten Hundetrainer:innen, zu absolvieren.“
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