Jahrzehntelang führte Lolita ein einsames Leben in Gefangenschaft im Seaquarium Miami. Tierschützer kämpften für ihre Freilassung und hatten Erfolg, doch vor der Rettungsaktion starb sie.
Lolita wurde 1970 als vierjähriger Jungwal in einer Bucht von Seattle von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt. Die fünf jungen Orcas, die gemeinsam mit ihr gefangen wurden, sind mittlerweile gestorben – die meisten von ihnen binnen des ersten Jahres. Lolita wurde an das Miami Seaquarium verkauft. Bei ihrer Ankunft lebte sie rund zehn Jahre lang mit einem anderen Orca namens Hugo zusammen, der jedoch 1980 an einem Hirnaneurysma starb, nachdem er wieder und wieder mit dem Kopf gegen die Wand des Beckens gestoßen war. Seither galt Lolita als «der einsamste Wal der Welt». Tierschutzorganisationen forderten seit vielen Jahren, dass Lolita in ein geschütztes Meeresgehege gebracht wird, wo sie in den Ozean überführt werden könnte.
Trotz Ruhestand gefangen in einem Becken
Tagein tagaus legte Orca Lolita eine Show nach der anderen hin. In einem Becken, das nur viermal so lang ist wie das Tier selbst. Im März 2022 war damit nach mehr als 50 Jahren Schluss. Doch auch den Ruhestand fristete Lolita weiter in ihrem Mini-Becken. Lolita – auch Toki genannt – war seit dem Frühjahr 2022 nicht mehr öffentlich aufgetreten. Das 2267 Kilogramm schwere Tier lebte seit dem Verkauf in einem 24 mal elf Meter großen und sechs Meter tiefen Tank. Orcas, die in Freiheit leben, schwimmen bis zu 80km pro Tag. Auf kurzen Strecken können sie bis zu 65km/h schnell werden. Längere Strecken legen sie mit einer Geschwindigkeit von ca. 10-20 km/h zurück. Zudem sind sie sehr sozial. Sie leben in engen Familien mit 10-70 Tieren. Wenn es Nachwuchs gibt kümmert sich die ganze Gruppe um die Jungen, egal ob verwandt oder nicht. Außerdem hat jede Gruppe individuelle Laute.
Lolita konnte ihre Freiheit nicht mehr genießen
Tierschützer hatten sich seit Jahren dafür eingesetzt, Lolita zu befreien. Der relativ neue Eigentümer des Parks, The Dolphin Company, und die gemeinnützige Organisation Friends of Toki stellten Anfang des Jahres einen Plan vor, der vorsah, Lolita in ein natürliches Meeresgehege im pazifischen Nordwesten umzusiedeln.
Ende März gaben Beamte des Bezirks Miami auf einer Pressekonferenz den Plan bekannt, sie aus der Gefangenschaft zu entlassen. „Das Wichtigste ist das langfristige Wohlergehen von Lolita, und gemeinsam werden wir unter der Leitung von Experten weiterhin das Beste für sie tun“, sagte Miami-Bürgermeisterin Daniella Levine Cava damals. Und weiter führte Cava aus „Sie ist ein so besonderes Geschöpf, das von so vielen Menschen auf der ganzen Welt geliebt wird. So viele machen sich Sorgen um ihr Wohlergehen, nachdem sie jahrzehntelang in einem kleinen Becken gelebt hat. Hier sehen wir die reale Möglichkeit, dass sie den Rest ihres Lebens in den Gewässern der Natur verbringen und frei leben wird. Man habe mit den Aktivistinnen und Aktivisten von »Friends of Toki« eine »verbindliche Vereinbarung« getroffen, das Tier innerhalb der nächsten zwei Jahren freizulassen.“
Leider durfte Lolita ihre Freiheit nicht mehr erleben.
Negative Auswirkung auf die Orca-Gemeinschaft
Lolitas mutmaßliche Mutter ist Ocean Sun (L25). Mit über 80 schwimmt sie immer noch frei.
Da die Anzahl der im Süden ansässigen Orcas stark zurückgeht, hat sich der Fang von Lolita definitiv nachteilig auf diese Orca-Gemeinschaft ausgewirkt. Ocean Sun bekam nie wieder ein Kalb und gilt heute als das älteste lebende Mitglied der Southern Residents. Als Lolita gefangen genommen wurde, endete eine Mutterlinie.
Lolitas Familie wurde der Schutz des Artenschutzgesetzes zuerkannt
Im Jahr 2005 wurde Lolitas Familie der Schutz des Artenschutzgesetzes zuerkannt. Zunächst schloss die US-Regierung alle Orcas (einschließlich Lolita) und ihre Nachkommen aus, da sie sich vor der Aufnahme bereits in Gefangenschaft befanden. Im Jahr 2015 änderte die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) jedoch aufgrund des zunehmenden Drucks von Naturschützern die Liste der gefährdeten Arten im Endangered Species Act, um auch „Lolita“ aufzunehmen. Und doch blieb sie im Miami Seaquarium.
Mehrere Tierschutzgruppen, darunter das Dolphin Project, plädierten jahrelang dafür, dass Lolita in ein Schutzzentrum am Meer gebracht werden sollte, wo sie den Rest ihrer Jahre in Frieden und Würde verbringen könne. Woche für Woche fanden große Demonstrationen außerhalb des Meeresparks statt. War es für Lolita als unglaublich intelligentes Säugetier mit tiefen familiären Bindungen nicht an der Zeit, noch einmal die Gelegenheit zu haben, von einer Welt umgeben zu sein, an die sie perfekt angepasst war? Apropos Familie: Experten glauben, dass Lolita die Lautäußerungen eines Familienmitglieds erkannte, als ihr 1996 eine Aufnahme von NBC Dateline vorgespielt wurde.
„Es hat etwas zutiefst Obszönes, dass eine großartige Kreatur wie Lolita, in einem Stadion aus Beton und Glas lebt und stirbt. Leider wird dieser Missbrauch so lange anhalten, bis der Konsument keine Tickets mehr kauft. Es gibt keine andere Möglichkeit, diesen Wahnsinn zu stoppen. Es geht um Angebot und Nachfrage. Die staatlichen Regulierungsbehörden werden das Problem nicht lösen – sie sind Teil des Problems. Ein Teil jedes verkauften Tickets geht in Form von Steuern an den Staat. Bitte verpflichten Sie sich, kein Ticket zu kaufen.“ Schrieb Ric O’Barry, Gründer und Direktor von Dolphin Project.
Aufklärung der Grausamkeit bei Gefangenschaft
Dolphin Project arbeitet seit über 53 Jahren daran, Menschen über die Grausamkeit der Gefangenschaft von Delfinen und Walen aufzuklären. Diese scheinbar einfache Lösung würde den Delfinshows ein endgültiges Ende setzen. Gäbe es keine Einnahmen aus der Wal- und Delfinhaltung, würde die Praxis aufhören. Dolphin Project bittet Sie, diese Verpflichtung einzugehen und kein Ticket für eine Show zu kaufen.
Ein erhöhtes Bewusstsein kann dazu beitragen, das Leid anderer in Gefangenschaft lebender Delfine und Wale zu beenden. Lassen Sie dies das Vermächtnis von Lolita sein.
Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 27.08.2023, hier in voller Länge sehen.
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