Alle zwei Jahre veröffentlicht der WWF im Living Planet Report wie es um die weltweiten Wirbeltierbestände bestellt ist.
Der Living Planet Index (LPI), der alle zwei Jahre vom WWF veröffentlicht wird ist einer der bedeutendsten Gradmesser für den ökologischen Zustand unserer Erde. Im Jahr 2022 umfasst der Index Daten aus fast 32.000 Wirbeltierbeständen weltweit: Dazu zählen Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien. Leider zeigen die Zahlen, dass die untersuchten Bestände stetig weiterschwinden, von 1970 bis 2018 im Schnitt um dramatische 69 %. Trotz der Schutzmaßnahmen in vielen Ländern gibt es keine Entwarnung für die untersuchten Arten.
Lebensräume mit Gewässer-Bezug
Am stärksten vom Rückgang sind zum wiederholten Mal Arten betroffen, deren Existenz von intakten Flüssen, Gewässern und Feuchtgebieten abhängt. Dazu zählen viele Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, aber auch Säugetiere. Die untersuchten Bestände in Süßgewässern sind im Schnitt um 83 % zurückgegangen. Das zeigt, welche drastischen Auswirkungen die fortschreitende Zerstörung und Verschmutzung ihrer Lebensräume hat. Wandernde Fischarten haben es besonders schwer: In Europa wurde im Zeitraum von 1970 bis 2016 bei den untersuchten Beständen ein Rückgang von 93 % dokumentiert.
Dieser katastrophale Trend ist auch in Österreich sichtbar: Derzeit sind mehr als 60 % der heimischen Fischarten gefährdet und nur noch 14 % der Flüsse ökologisch intakt. Trotzdem, werden immer neue Monster-Projekte in bisher unberührter Natur geplant: Der geplante Ausbau des Kraftwerks Kaunertal in Tirol würde etwa dem Ötztal bis zu 80 Prozent des Wassers entziehen.
Besonders prekäre Entwicklung in tropischen Gebieten
Geografisch gesehen ist die Lage in tropischen Regionen besonders dramatisch. Die untersuchten Bestände gingen in Lateinamerika und in der Karibik seit 1970 im Schnitt um 94% zurück. Dabei sind gerade dort Gebiete zu finden, die weltweit die größte Biodiversität vorweisen können. Keine Entwarnung gibt es auch für andere Regionen: In Afrika schwanden die untersuchten Bestände durchschnittlich um 66 %, in Asien-Pazifik um 55 %. In Nordamerika sind die untersuchten Populationen um durchschnittlich 20 % eingebrochen. In Europa und Zentralasien gingen die untersuchten Bestände um durchschnittlich 18 % zurück – doch das liegt vor allem auch daran, dass in Europa viele Arten schon vor 1970 stark dezimiert wurden.
Weltweiter Rückgang der Bestände
Derartige Entwicklungen finden sich jedoch in jeder Weltgegend, so ging etwa der Bestand des Östlichen Flachlandgorilla (Gorilla beringei graueri), der durch Wilderei bedroht ist, im Kahuzi-Biega-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo seit 1994 um etwa 80 Prozent zurück. Im Jahr 2019 flogen um 56 Prozent weniger Feldlerchen (Alauda arvensis) durch Europas Lüfte als noch 1980. Pestizideinsatz in der industriellen Landwirtschaft und Flächenfraß wurden als Hauptgründe für ihren Rückgang genannt. Die Zahl Gewöhnlicher Delfine (Delphinus delphis) im Ionischen Meer, einem Teil des Mittelmeers, ist zwischen 1995 und 2007 um 90 Prozent zurückgegangen, hier sei die Überfischung ihrer Beutetiere hauptverantwortlich dafür, listete der WWF einige Beispiele auf.
Biodiversitätskrise
Das Artensterben ist nicht nur für die Tiere selbst, sondern auch für den Menschen eine Katastrophe. Denn durch die schwindenden Bestände gerät unser Ökosystem aus der Balance. Als Quelle für Nahrung, Wasser und Sauerstoff sind wir Menschen auf ein funktionsfähiges und intaktes Ökosystem angewiesen. Die Klimakrise und das Artensterben sind auch eine Menschenrechtskrise. Denn sie haben starke Auswirkungen auf Gesundheit, Ernährung, Wohlstand und Sicherheit von Menschen.
Der Living Planet Report, der seit 1998 erscheint, will neben dem ökologischen Gesundheitszustand der Erde auch Wege aus der Biodiversitätskrise aufzeigen. Und diese nimmt immer größere Ausmaße an, denn während gegenwärtig 69 Prozent Gesamtrückgang bis 2018 ermittelt worden sind, lag dieser im ersten Report noch bei 30 Prozent für den Zeitraum 1970 bis 1995.
Der Living Planet Report zeigt auch auf, dass Naturschutz seine Wirkung zeitigt, "denn die Menschheit verursache nicht nur die Probleme, sondern hält auch den Schlüssel für deren Lösung in Händen", sagt WWF-Experte Scattolin. Zwei Beispiele gibt es etwa mit dem Tiger (Panthera tigris) in Nepal, der von 2009 (121 Tiger) bis 2018 (235) einen Populationszuwachs um 91 Prozent verzeichnete, während jene der Kegelrobben (Halichoerus grypus) in der Ostsee von 2013 bis 2019 um 139 Prozent gewachsen ist.
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