Zwei Tage nach dem Angriff auf die U-Bahn in Moskau geht der Terror weiter.
Neuer Terror in Russland: Bei zwei Selbstmordanschlägen in der Kaukasus-Republik Dagestan sind am Mittwoch mindestens zwölf Menschen getötet worden, darunter neun Polizisten. Rund 20 weitere Menschen wurden gemäß Behördenangaben verletzt. Die Anschläge ereigneten sich in der Ortschaft Kisljar nahe der Grenze zu Tschetschenien. Wie das regionale Innenministerium mitteilte, sprengte sich der Fahrer eines Wagens in die Luft, nachdem er den Verdacht von Polizisten erregt hatte und gestoppt werden sollte.
Polizeichef tot
Als sich Polizisten und Anrainer am
Explosionsort versammelten, näherte sich ein zweiter Attentäter in einer
Polizeiuniform und löste eine zweite Detonation aus. Unter den Toten
befindet sich auch der Polizeichef des Orts. Eine nahe gelegene Schule und
eine Polizeiwache wurden von der Wucht der Explosion beschädigt. Nahe dem
Tatort liegen auch Dienststellen des russischen Innenministeriums und des
Inlandsgeheimdienstes FSB.
Zwei Tage zuvor hatten zwei Selbstmordattentäterinnen in der Moskauer U-Bahn 39 Menschen mit sich in den Tod gerissen. Der Geheimdienst FSB hatte dafür Rebellen aus dem Nordkaukasus verantwortlich gemacht.
Putin jagt die Hintermänner
Hinter den Angriffen in
Dagestan stecken nach Einschätzung von Regierungschef Wladimir Putin
dieselben Drahtzieher wie bei den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn am
Montag. "Ich schließe nicht aus, dass hier die gleichen Banditen am
Werk waren", sagte Putin laut der russischen Nachrichtenagentur
Interfax am Mittwoch bei einer Kabinettssitzung. "Wir glauben, dass
dies Verbrechen gegen Russland sind", sagte Putin. Dabei sei es egal,
in welcher Region die Anschläge verübt wurden und wer die Opfer sind.
Im muslimisch geprägten Nordkaukasus haben Islamisten, die für die Unabhängigkeit von Russland und ein Emirat als Gottesstaat kämpfen, in der Vergangenheit immer wieder Anschläge verübt. Gegen Separatisten in Tschetschenien führte Moskau zwei Kriege. Im Nordkaukasus starben allein 2009 bei Kämpfen russischer Sicherheitskräfte, krimineller Banden und islamistischer Rebellen mehr als 1.000 Menschen, unter ihnen auch viele Zivilisten. Die vom Kreml unterstützten Regionalregierungen dort werden für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.
23.000 Sicherheitskräfte
Moskau versucht seit Jahren, Ruhe
in die Region zu bringen. In dem Gebiet sind 23.000 Sicherheitskräfte
stationiert. Russlands Innenminister Raschid Nurgalijew ordnete nach dem
Doppelanschlag in Kisljar (Kizlyar) scharfe Sicherheitsvorkehrungen an
öffentlichen Gebäuden im Nordkaukasus an. Präsident Dmitri Medwedew hatte
vor kurzem erklärt, in der Region hätten sich Separatisten "wie
ein Krebsgeschwür" verbreitet.
Die Islamisten hatten vor dem Anschlag auf die Metro in Moskau gedroht, den "Krieg" auch ins russische Kernland zu tragen. Am Dienstag hatte Putin die Sicherheitskräfte bereits mit drastischen Worten zur Suche nach den Drahtziehern der Moskauer Anschläge aufgefordert. Die Komplizen und Hintermänner müssten "vom Boden der Kanalisation gekratzt und ans Tageslicht gebracht" werden, sagte er im russischen Fernsehen.
Russische Medien veröffentlichten unterdessen den Namen eines Tschetschenen, der den beiden Selbstmordattentäterinnen in Moskau geholfen haben soll, sowie Personenbeschreibungen zweier Komplizinnen. Der Menschenrechtsbeauftragte in Tschetschenien, Nurdi Nurchaschijew, sowie der tschetschenische Parlamentspräsident Dukuwacha Abdurachmanow warnten vor einer Vorverurteilung. Der gesuchte Doku Umarow wies die Vorwürfe gegen ihn in einem Video zurück. Schuld hätten der FSB und Putin, sagte er. Auch nach früheren Attentaten in Russland gab es oft Verschwörungstheorien, nach denen Geheimdienstler oder Teile des Innenministeriums damit Gewalt rechtfertigen und ihre Macht sichern wollten. Der Kreml hatte dies stets als Unfug zurückgewiesen.
Rebellen dementieren
Die tschetschenische Extremistengruppe um
den Islamisten Doku Umarow hat inzwischen eine Verwicklung in den Moskauer
Bombenanschlag mit 39 Toten zurückgewiesen. "Wir haben den Anschlag in
Moskau nicht ausgeführt und wissen auch nicht, wer das getan hat", sagte ein
Sprecher der Gruppe Kaukasus Emirat am Mittwoch der Nachrichtenagentur
Reuters.
In Russland plane die Organisation zwar Angriffe auf wirtschaftliche Ziele, wolle aber Zivilisten verschonen. Umarow will einen von Russland unabhängigen Staat auf der Grundlage des islamischen Rechts, der Scharia, schaffen. Er hatte im Februar angekündigt, den "Krieg in die russischen Städte" zu tragen. Der russische Geheimdienst erklärte nach dem Anschlag, die Spur der Täter führe in den Nordkaukasus.