Viele Verletzte
12 Tote bei religiösen Unruhen in Kairo
08.05.2011
Muslime greifen koptische Kirche an - Streit um christliche Islam-Konvertitin.
Bei Straßenschlachten zwischen Muslimen und koptischen Christen in Kairo sind zwölf Menschen getötet und 230 weitere verletzt worden, berichtete am Sonntag das staatliche ägyptische Fernsehen. Auslöser der Auseinandersetzungen in der Nacht war ein Angriff gewalttätiger Muslime auf eine koptisch-christliche Kirche im Kairoer Armen-Viertel Imbaba. Die Muslime vermuteten, dass dort eine erst kürzlich vom Christentum zum Islam konvertierte junge Frau festgehalten wird.
Militär trennte beide Seiten
Das ägyptische Militär schritt ein und trennte die kämpfenden Seiten. Augenzeugen berichteten, dass Schusswaffen und Molotow-Cocktails eingesetzt wurden. Die Kirche ging in Flammen auf und wurde schwer beschädigt. Unter den Toten seien auch zwei Muslime gewesen.
Der regierende Militärrat gab am Sonntag bekannt, dass 190 Menschen am Schauplatz festgenommen wurden. Sie würden vor ein Militärgericht gestellt und "wegen des Versuchs, das Schicksal der Nation aufs Spiel zu setzen, exemplarisch bestraft", hieß es in einer Erklärung. Über die konfessionelle Zuordnung der Festgenommenen wurden keine Angaben gemacht. Der Militärrat regiert das Land seit dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak am 11. Februar.
Verwirrung um Konvertitin
Die Frau, die angeblich in der St. Mina-Kirche gegen ihren Willen festgehalten wurde, sei zum Islam konvertiert, um einen muslimischen Mann heiraten zu können, hieß es. Der Wahrheitsgehalt dieser Vermutungen ließ sich allerdings nicht überprüfen. Liebesbeziehungen gemischt-religiöser Paare sind in Ägypten immer wieder Auslöser von Gewalt. Oft spielen dabei aber auch aus der Luft gegriffene Gerüchte eine Rolle.
Unklar blieb zunächst, inwieweit sogenannte Salafisten - besonders fundamentalistische und zur Gewalt neigende Muslime - die Zusammenstöße provoziert haben. Tatsächlich leben in Imbaba fromme Muslime und Christen nebeneinander. Muslimische Nachbarn der angegriffenen Kirche und säkulare Blogger, die zum Schauplatz geeilt waren, behaupteten, dass sie keine Salafisten gesehen hätten. Stattdessen seien Schläger und Kriminelle, wie sie oft vom Geheimdienst des Mubarak-Regimes gedungen und eingesetzt worden waren, die Rädelsführer der Ausschreitungen gewesen.
Kopten belagern US-Botschaft
Kurz nach den Zusammenstößen in Imbaba zogen koptische Christen vor die US-Botschaft in Kairo. Sie kündigten an, solange dort ausharren zu wollen, bis der US-Botschafter mit ihnen über die "Ungerechtigkeiten gegen die christliche Minderheit" spricht.
Neue Zusammenstöße am Sonntag
Bei einer Demonstration von Kopten und Christen gegen die Gewalt ist es am Sonntag in Kairo zu neuen Zusammenstößen gekommen. Nach Angaben von Sicherheitskräften wurde der Demonstrationszug mit rund 400 Menschen von einer anderen Gruppe angegriffen, auf beiden Seiten flogen anschließend Steine, auch Schüsse fielen.
Regierung will Sicherheit mit "Eiserner Hand" garantieren
die ägyptische Regierung angekündigt, die Sicherheit im Land "mit eiserner Hand" zu garantieren. Alle, die der Sicherheit schaden wollten, müssten mit einem harten Vorgehen rechnen, sagte Justizminister Abdel Aziz al-Gindi nach einer Krisensitzung des Kabinetts am Sonntag in Kairo.
Die Regierung werde "umgehend und streng" jene Gesetze anwenden, die Angriffe gegen religiöse Stätten und die Glaubensfreiheit unter Strafe stellten. Dabei kämen auch Anti-Terror-Gesetze gegen Unruhestifter zur Anwendung.
13 Tote im März
Zuletzt waren Anfang März in Kairo bei Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten 13 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden. Auslöser der Gewalt im Vorort Mokattam waren Proteste gegen die Zerstörung einer Kirche südlich der ägyptischen Hauptstadt durch extremistische Muslime.
Die Kopten gehören zu einer der ältesten christlichen Gemeinden der Welt und sind die größte christliche Glaubensgemeinschaft im Nahen Osten. In Ägypten stellen sie bis zu zehn Prozent der 80 Millionen Einwohner. Sie sehen sich im Alltag Diskriminierungen und Benachteiligungen durch die muslimische Mehrheit ausgesetzt. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften. In der Neujahrsnacht waren bei einem Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in der Hafenstadt Alexandria wenige Tage vor dem koptischen Weihnachtsfest 21 Menschen ums Leben gekommen, 80 weitere wurden verletzt.