Die Aussichten, noch Überlebende zu finden, sinken mit jeder Minute.
Mit Spitzhacken und Schaufeln haben hunderte Helfer am Montag in Kolumbien nach bis zu 200 Menschen gesucht, die von einer Geröll- und Schlammlawine verschüttet worden sind. Die Aussichten, in der Gemeinde Bello nördlich von Medellin noch Überlebende zu finden, schwanden jedoch immer mehr. Nach dem Unglück vom Vortag waren zunächst sieben Überlebende geborgen und 13 Tote gefunden worden, berichtete die Zeitung "El Tiempo".
"Nur Gott kennt meinen Schmerz", sagte der 34 Jahre alte Arbeiter Luis Fernando, der gerade Fußball spielte, als seine Frau, seine elfjährige Tochter und ein sechsjähriger Neffe von den Erdmassen begraben wurden.
Mehrere hundert Menschen warteten an den Absperrungen verzweifelt auf Nachricht von ihren verschütteten Angehörigen. Wie fast immer bei Erdrutschen in Lateinamerika traf es arme Menschen, denen nichts anderes übrigbleibt, als an gefährlichen Hanglagen zu wohnen.
Hangrutsch oberhalb einer Siedlung
Der Abhang war am Sonntagmittag ins Tal gerutscht, als gerade besonders viele Menschen zu Hause zu Mittag aßen. Mehrstöckige Wohnhäuser wurden ebenso zerstört wie Hütten aus Wellblech. Die Bauten waren illegal errichtet worden. Anrainer kritisierten, die Tragödie sei absehbar gewesen, weil es schon seit zwei Jahren kleinere Erdrutsche oberhalb der Siedlung gegeben habe.
Dort befand sich eine offene Müllhalde, die sich durch die heftigsten Regenfälle in Kolumbien seit 40 Jahren voller Wasser gesogen hatte, ins Rutschen geriet und die Schlammlawine auslöste.
Kritik an Behörden
"Wir haben schon seit zwei Jahren gewarnt, aber die Behörden haben geantwortet, sie könnten nichts machen, weil das Grundstück ja widerrechtlich besetzt sei und einem Müllentsorgungsunternehmen gehöre", klagte das Mitglied eines Bürgervereins, Elkin de Jesus Carmona. Die Armutsrate in Kolumbien liegt bei etwa 50 Prozent.
Nach Angaben von Präsident Juan Manuel Santos erlitten in den vergangenen Monaten landesweit bereits zwei Millionen Menschen Schäden an ihrem Hab und Gut. Bis zu dem Unglück in Bello waren schon 174 Menschen in den Fluten oder durch Erdrutsche ums Leben gekommen.
"La Nina"
Die nach Angaben von Meteorologen heftigsten Niederschläge seit vier Jahrzehnten sind Folge des Wetterphänomens "La Nina" (Spanisch: das Mädchen), das alle paar Jahre auftritt. Vor der Pazifikküste Südamerikas strömt dabei kaltes Wasser aus der Tiefe nach oben. Dies führt in einigen Bereichen des Subkontinents zu Dürren, in anderen zu überdurchschnittlichen Niederschlägen. Die Regenperiode könnte nach Angaben von Meteorologen noch bis Anfang kommenden Jahres dauern.