Urteil
35 Jahre für Wikileaks-Informant Manning
20.08.2013
Ende Juli wurde er in 20 Anklagepunkten für schuldig erklärt.
Der US-Soldat Bradley Manning muss für die Weitergabe vertraulicher Dokumente an Wikileaks dreieinhalb Jahrzehnte hinter Gitter. Doch er darf hoffen: Bei guter Führung könnte er deutlich früher frei sein. Mannings Verteidiger David Coombs kündigte an, Obama formell um eine Begnadigung seines Klienten zu bitten. "Jetzt ist die Zeit, um Mannings Leid zu beenden", sagte er. Das Weiße Haus kündigte an, die Petition wie alle anderen Petitionen auch zu prüfen.
Coombs hatte Richterin Denise Lind in dem Verfahren um eine milde Strafe gebeten, die Manning ein Leben nach der Haft ermöglichen würde. "Er ist ein junger Mann, er ist ein sehr intelligenter Mann", sagte Coombs. Der Obergefreite habe bei seinem Handeln "gute Absichten" gehabt. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen die Darstellung zurückgewiesen, dass der Soldat ein naiver junger Mann gewesen sei, der lediglich eine Debatte über die Kriege in Afghanistan und im Irak habe anstoßen wollen. Der Geheimnisverrat durch Manning sei "zerstörerisch" gewesen, so Ankläger Joe Morrow.
35 Jahre Haft
Manning ist für die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an die Enthüllungsplattform Wikileaks zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem wurde der 25-Jährige unehrenhaft aus der Armee entlassen und rückwirkend degradiert, wie das US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington am Mittwoch bekanntgab. Auch seine Pensionsansprüche verliert er.
Die Anklage hatte mindestens 60 Jahre Gefängnis und 100.000 Dollar (rund 75.000 Euro) Geldstrafe gefordert, die Verteidiger hingegen nicht mehr als 25 Jahre. Bei guter Führung kann Manning im besten Fall nach weniger als zehn Jahren freikommen. Er hatte als Geheimdienst-Analyst des US-Heeres im Irak Hunderttausende vertrauliche Dokumente an Wikileaks gegeben, die dadurch später öffentlich wurden. Darunter auch ein Video, das einen Hubschrauberangriff auf Zivilisten zeigt.
Wikileaks-Chef Julian Assange bezeichnete das Urteil als "wichtigen taktischen Sieg" für die Verteidigung. Statt nach 136 Jahren, wie von der Anklage angedroht, könne Manning nun schon nach wenigen Jahren wieder freikommen. Dennoch sei der Prozess ein "Angriff auf das grundlegende Konzept westlicher Justiz" gewesen, sagte Assange laut einer Mitteilung der Wikileaks-Website. Der Versuch der USA, den Fall zur Abschreckung zu nutzen, sei "spektakulär fehlgeschlagen".
Heftige Kritik
Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte das Strafmaß als unverhältnismäßig. "Das Urteil gegen Bradley Manning ist ein weiterer Beleg, dass die USA endlich ein Gesetz zum Informantenschutz brauchen", sagte Vorstandssprecher Michael Rediske. "Wenn Präsident Barack Obama seinen Feldzug gegen Whistleblower nicht schnell beendet, werden Journalisten in den USA bald immer weniger in der Lage sein, Fehlverhalten von Regierung und Behörden aufzudecken." Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte US-Präsident Barack Obama auf, Manning sofort auf freien Fuß zu setzen.
Verwandte von Manning in Wales erklärten, das Strafmaß sei geringer ausgefallen, als sie erwartet hätten. Mannings Onkel Kevin Fox sagte dem Sender BBC: "Er hätte überhaupt nicht bestraft werden sollen. Meiner Ansicht nach ist er ein Held." Fox ist der Bruder von Mannings Mutter Susan, die nach Angaben der BBC in Wales lebt.
Erster Whistleblower-Prozess
Das Verfahren in Fort Meade war der erste große Prozess gegen einen sogenannten Whistleblower in den USA und gilt als Präzedenzfall für weitere bekannte Enthüller, darunter Assange und der flüchtige Computerspezialist Edward Snowden, der das massive Spähprogramm des US-Geheimdienstes NSA enthüllte. Der Reporter Glenn Greenwald, Snowdens journalistisches Sprachrohr, schrieb via Twitter, die USA würden fortan nicht mehr in der Lage sein, der Welt den Wert von Transparenz und Pressefreiheit zu predigen, ohne weltweites Gelächter zu befördern.