Monsterwellen

70 Österreicher an Bord des Todes-Schiffs

04.03.2010

Die Wellen waren 10 Meter hoch und kamen aus dem Nichts. Todes-Drama auf einem Kreuzfahrt-Schiff im Mittelmeer: Zwei Menschen starben. 70 Österreicher erlebten die Tragödie an Bord.

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Sie wollten dem Winter entfliehen und sahen die Katastrophe. Statt Entspannung vom Alltag erlebten 70 Österreicher am Mittwoch die Hölle auf Erden – sie waren an Bord des Kreuzfahrtschiffes Louis Majesty, das 130 Kilometer vor Barcelona von zehn Meter hohen Wellen erfasst wurde. Zwei Touristen, ein 52-jähriger Italiener und ein 69-jähriger Deutscher, starben. 14 weitere Passagiere wurden durch die Wucht der Wellen schwer verletzt. Alle Österreicher hatten einen Schutzengel – sie überlebten das schreckliche Unglück.

Das Protokoll der Tragödie: Mittwochnachmittag ist die Louis Majesty (Louis Cruise Lines) am Weg von Barcelona nach Genua, der letzten Station einer 12-tägigen Mittelmeer-Rundfahrt. An Bord sind 1.350 Passagiere und 580 Besatzungsmitglieder.

Wellen zerschmettern die Glasscherben am 5. Deck
Die Passagiere halten sich im Inneren des Schiffes auf. Essen, entspannen, vertreiben sich die Zeit mit Sport. Draußen herrscht unruhige See. Ein Sturm wütet mit einer Geschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde übers Meer.

Um 16.30 Uhr kommt es zur Katastrophe: Drei bis zu zehn Meter hohe Wellen erfassen das Schiff am vorderen Teil – die dritte Monsterwelle ist tödlich. Augenzeuge aus Wr. Neustadt Gerald Nestler zu ÖSTERREICH: „Ich war im Internet-Café, als es passierte. Es war extrem unruhig draußen“.

Wellen zerschmettern die Fensterschreiben des Saales am fünften Deck. Im Inneren beginnt der Überlebenskampf. „Das Meer überschwemmte alles und riss alle mit. Möbelstücke, Tische und Sofas flogen herum“, erzählen Augenzeugen. Ein Italiener und ein Deutscher werden von Gegenständen tödlich getroffen. Überall Wasser, Hektik, Angst.

Binnen Sekunden dringt das Meer in die unteren Etagen vor. Kabinen werden überflutet, Menschen schreien. Passagiere werden von den Wassermassen mitgerissen, Erinnerungen an den Film Titanic werden wach. Rettungswesten werden verteilt und erste Hilfsaktionen beginnen.

Trotzdem: Der Kapitän kann Ruhe bewahren und das Schiff sicher in Richtung Barcelona lenken. Dort warten bereits Rettungsteams und versorgen die Passagiere.

Österreichern geht es gut, sie sind wieder in Heimat
Im ÖSTERREICH-Interview sagt Alexander Gessl vom Veranstalter Air Maritime Seereisen: „Mitarbeiter der Reederei haben die Österreicher in Empfang genommen und sofort betreut. Sie haben die Nacht auf Donnerstag in Hotels verbracht. Allen geht es gut.“ Bereits gestern sind die meisten Österreicher nach Wien und München geflogen worden. Die Ursache des Unglücks ist unklar: „Das war unvorhersehbar“, so ein Sprecher der Reederei Louis Cruise Lines.

ÖSTERREICH: Wie haben Sie das Unglück erlebt?
Gerald Nestler: Ich war gerade im Internetcafé im fünften Deck (wo die Welle einschlug, Anm. d. Red.) und habe E-Mails gecheckt, als ich plötzlich merkte, dass Wasser ins Schiff eingedrungen ist. Zuerst habe ich mir nicht wirklich etwas dabei gedacht. Allerdings ist das Schiff schon die ganze Zeit sehr unruhig und langsam gefahren – solche Wellen habe ich noch nie gesehen.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie von den Auswirkungen des Unglücks erfahren?
Nestler: Zunächst waren alle noch ruhig. Man hätte nicht erwartet, dass etwas so Schreckliches passiert war. Dann sind wir über Lautsprecher gefragt worden, ob es noch zusätzliche Ärzte an Bord gibt. Und schließlich wurden wir informiert, dass zwei Menschen gestorben sind.
ÖSTERREICH: Hat man in dieser Situation nicht ein sehr mulmiges Gefühl?
Nestler: Ich war sehr froh, dass nicht mehr passiert ist und dass ich zu der Zeit nicht ganz in der Nähe war.
ÖSTERREICH: Wie war dann das weitere Vorgehen an Bord?
Nestler: Die unteren Decks des Schiffes wurden gesperrt – da durfte wegen der Verwüstungen niemand mehr hinunter. Vom ersten, also untersten Deck aus wurde dann das Wasser aus dem Schiff gepumpt.
ÖSTERREICH: Wie ging die Fahrt dann zu Ende?
Nestler: Es wurde beschlossen, nach Barcelona zurückzufahren. Dort wurden die Verletzten von Bord gebracht. Dann kamen die Angehörigen der Toten dran. Diejenigen, die wegen der Zerstörungen nicht mehr in die Kabinen zurück konnten, wurden in Hotels untergebracht. Die anderen Passagiere blieben in ihren Kabinen. Nach der Ankunft gab es sogar noch ein Abendessen an Bord und auch die Bar war offen.
Interview Debora Knob

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