Abbau laut US-Außenministerin Clinton nur bei Abkommen mit Russland.
Der von mehreren Ländern geforderte Abzug von taktischen Atomwaffen aus Europa ist bei einem Treffen der NATO-Außenminister am Donnerstag in Tallinn in weite Ferne gerückt. Das machte NATO-Sprecher James Appathurai nach einer Debatte der Minister über mögliche Chancen auf einen Abzug von US-Atomwaffen deutlich. Ohne ein Einverständnis aller NATO-Länder werden die USA ihre Atomwaffen nicht aus Europa abziehen.
"Es wird keine einseitigen Schritte geben", betonte NATO-Sprecher Appathurai. "Alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen." Wenn es um eine Reduzierung von Atomwaffen gehe, könne man Russland nicht ignorieren. "Sie haben in etwa 3.000 davon", erinnerte der Sprecher. Bereits zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton erklärt, ein Abbau der US-Waffen sei nur denkbar, wenn es ein entsprechendes Abkommen mit Russland gebe.
Moskau hat daran jedoch bisher keinerlei Interesse gezeigt. "Die Präsenz amerikanischer Atomwaffen in Europa ist ein essenzieller Teil einer glaubwürdigen nuklearen Abschreckung", sagte auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Die USA haben laut Schätzungen 160 bis 200 Atombomben in Europa gelagert, Russland zwischen 2.000 und 4.000. Die US-Atomwaffen sollen im Fall eines Konflikts auch von Kampfflugzeugen europäischer Partnerländer abgeworfen werden.
Rasmussen sagte, die NATO-Staaten hätten in den vergangenen Jahren bereits viel für Abrüstung und Rüstungskontrolle getan. "Aber das Kerngeschäft der NATO, ihre Existenzberechtigung, liegt im Schutz unseres Territoriums und unserer Bevölkerungen." Die 900 Millionen Bürger der NATO-Staaten müssten vor Angriffen sicher sein. "Und in einer Welt, in der es Atomwaffen tatsächlich gibt, braucht die NATO eine glaubwürdige, wirksame und gut organisierte Abschreckung."
Bei dem Treffen in Tallinn hatte eine kleine Gruppe von NATO-Ländern, angeführt von Deutschland, um einen Abzug der US-Atomwaffen geworben, die noch aus den Zeiten des Kalten Krieges in Europa lagern. Rasmussen, mehrere osteuropäische Länder und Atommächte wie Frankreich und Großbritannien betrachteten den Vorstoß allerdings mit Skepsis. Solange es Atomwaffen gebe, müsse die NATO ein nukleares Bündnis bleiben, meinte Clinton.
Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle betonte, dass sein Land nicht die Strategie der nuklearen Abschreckung infrage stelle. "Um, die geht es nicht. Die brauchen wir, solange die Welt so ist, wie sie ist. Es geht nur darum, wie wir Abrüstung voranbringen können, damit die Welt sicherer wird", erklärte der FDP-Politiker. Dies könne "selbstverständlich nicht im Alleingang", sondern nur gemeinsam im Bündnis geschehen.
Rasmussen befand auch eine gemeinsame Raketenabwehr der NATO-Staaten für notwendig. "Die Bedrohung durch Raketen wächst. 30 Länder, darunter der Iran, haben Raketen oder entwicklen sie." Die grundsätzliche Entscheidung über die Raketenabwehr, an der sich nach Wunsch der NATO auch Russland beteiligen solle, werde aber erst im November bei einem NATO-Gipfel in Lissabon fallen. Rasmussen blieb optimistisch: "Ich glaube, dass wir Russland zum Vorteil Europas einbinden können."