Zusammenstöße zwischen Polizei und Tausenden Demonstranten.
Bei schweren Zusammenstößen zwischen der ägyptischen Polizei und Demonstranten in Kairo ist am Dienstag ein Mann ums Leben gekommen. Die Sicherheitskräfte setzten in den Straßen nahe des Tahrir-Platzes Tränengas gegen Jugendliche ein, die ihrerseits mit Steinen warfen. Auch aus anderen Städten wie Alexandria und Mahalla wurden Kundgebungen gemeldet.
In Kairo starb ein 52-jähriger Mann, nachdem er Tränengas eingeatmet hatte. Am Sonntag war ein Mitglied der Mursi-treuen Muslimbruderschaft ums Leben gekommen. Eine befürchtete direkte Machtprobe zwischen den Gegnern und Unterstützern Mursis fand am Dienstag nicht statt, nachdem die Muslimbruderschaft und andere streng religiös ausgerichtete Gruppen ihre eigenen Demonstrationen absagten.
Nach Angaben der Sicherheitskräfte bewarfen sich in der nördlichen Stadt Mahalla Mitglieder beider Lager mit Steinen. Mursi-Gegner versuchten das Büro der Muslimbrüder-Partei Freiheit und Gerechtigkeit in der Stadt im Nildelta zu stürmen. Die Partei erklärte auf ihrer Website, 80 ihrer Anhänger seien verletzt worden.
In der ebenfalls im Norden gelegenen Küstenstadt Alexandria ordneten die Muslimbrüder die Räumung ihres Parteibüros an. Dieses wurde von Gegnern des aus der Muslimbrüderschaft stammenden Präsidenten angegriffen.
Auslöser der seit fünf Tagen anhaltenden Proteste ist ein Dekret von Präsident Mohammed Mursi, in dem sich der Islamist unter anderem selbst eine begrenzte Immunität verliehen hat. Nach ersten Protesten hatte sein Sprecher sich um eine Relativierung bemüht. Kritiker werfen Mursi diktatorisches Verhalten vor.
Nach heftigem Widerstand der Justiz ließ der Präsident erklären, dass die Gerichte nur bei Fragen der "Souveränität" ausgeklammert werden sollten. Formell würden darunter Vorgänge wie Kriegserklärungen fallen. Allerdings sehen Experten Spielraum für deutlich weitergehende Interpretationen.
Auf dem Tahrir-Platz in der Kairoer Innenstadt nahmen die Proteste ihren Anfang, die zum Sturz von Mubarak im Februar 2011 und zur Wahl des damaligen Muslimbruders Mursi geführt hatten. Die von den Muslimbrüdern und anderen orthodoxen islamischen Gruppen dominierte verfassungsgebende Versammlung soll die Grundlagen des neuen ägyptischen Staatswesens ausarbeiten. Weltlich ausgerichtete Ägypter befürchten, dass die Weichen für einen islamistischen Staat gestellt werden könnten. Sie sehen im Vorgehen Mursis erste Belege dafür.
Die US-Regierung hat sich zurückhaltend zur politischen Krise in Ägypten geäußert. "Die Situation ist nicht klar. Wir besprechen uns mit den verschiedenen Parteien, um zu verstehen, wie sie die Lage einschätzen", sagte die US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland.