Nach zwei Wochen hat die friedliche Revolution gesiegt.
"ÄGYPTEN IST FREI!" Es ist ein Befreiungsschrei aus Millionen Kehlen. Seit dem Fall der Berliner Mauer hab ich so einen bewegenden Moment nicht mehr erlebt.
Es ist 18.05 Uhr hier in Kairo. Gerade hat Vizepräident Omar Suleiman in einer kurzen Mitteilung verkündet, dass Staatspräsident Hosni Mubarak sein Amt niederlegt. Sekunden darauf brandet in der ganzen Stadt ohrenbetörender Jubel auf. Die ganze 18-Millionen-Metropole strömt auf den Tahrir-Platz, das Zentrum des Widerstands.
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Die Nilbrücken, alle Zufahrtsstraßen gehen in einem Meer aus rot-weiß-schwarzen Fahnen unter. Auf den Autodächern stehen Menschen, in den offenen Kofferräumen sitzen Kinder. Hier geht nichts mehr. Mein Taxifahrer ist mit mir ausgestiegen, lässt seinen Wagen einfach stehen, umarmt mich. "Mubarak! Finito! Finito!", ruft er immer wieder.
18 Millionen tanzen in Kairo auf den Straßen
Nun also doch: Hosni Mubarak ist weg. Nach 30 Jahren hat der Despot des größten arabischen Landes das Handtuch geworfen. Fast 24 Stunden hat er die Welt genarrt, hat seinen politischen Überlebenskampf verzweifelt in die Länge gezogen. Nachdem seine wirre TV-Rede am Vorabend, in der er das Wort "Rücktritt" nicht in den Mund genommen hatte, die Menschen nur noch mehr aufgeputscht hatte, zieht er jetzt doch die Konsequenzen.
Der Druck der Massen war zu groß. Am dritten Freitag der Revolution waren nach dem großen Gebet noch mehr Menschen als je zuvor auf die Straße gegangen. In den Mittagsstunden hatte sich die Präsidentenfamilie von einem Helikopter in die Residenz in Sharm el-Sheikh am Roten Meer fliegen lassen.
Die friedliche Revolution hat in Ägypten gesiegt. Zwei Wochen lang hatten die Menschen auf dem Tahrir-Platz ausgeharrt, um die Wende herbeizuschreien. Es ist vor allem Euphorie, die hier herrscht – trotz des chaotischen Gedränges gibt es keine Gewalt. Die Rufe "Mubarak, jetzt schneiden wir dir auch die Kehle durch!" gibt es, aber sie bleiben in der Minderheit.
ElBaradei: "Der schönste Tag meines Lebens"
Die Barrikaden, die das Militär noch Donnerstagnacht zusätzlich errichtet hat, werden weggerissen, die Steine mit denen sich Mubarak-Fans und -gegner eben noch beworfen hatten, weggeräumt. "Morgen wird Kairo wieder strahlen."
Die Soldaten greifen nicht ein. Im Gegenteil: Viele von ihnen werden von den Menschen von den Panzern gehoben und auf den Schultern getragen. "Ihr seid unsere Helden, ihr habt uns beschützt", rufen die Menschen.
"Das ist der schönste und größte Tag in meinem Leben", sagt der Wahl-Wiener Mohamed ElBaradei, Friedensnobelpreisträger und Oppositionsführer.
Ein neues Ägypten ist geboren: Neben mir hält eine junge Frau im Tschador auf ihrem Moped. Sie schwenkt eine Fahne. Ein Mann im dunklen Anzug jubelt ihr zu. Er schreit: "Ich bin so stolz. Das ist unser Tag!"