Neue Identitäten sollen die Spuren verwischen. Jetzt beginnt das große Spekulieren, wer sich wo aufhalten könnte.
Abgeschirmt von der Öffentlichkeit haben 14 Spione nach einem Agentenaustausch in Wien zwischen Russland und den USA ein neues Leben begonnen. Während die Behörden in beiden Ländern am Wochenende Stillschweigen bewahrten, begann in den Medien das Rätselraten um das Schicksal und den Aufenthaltsort der Agenten.
Austausch in Wien
Der größte Agententausch seit Ende des Kalten
Krieges hatte am Freitag mit der Landung des Flugzeugs mit begnadigten
russischen Häftlingen in Washington seinen Abschluss gefunden. Die
US-Regierungsmaschine legte auf dem Weg von Wien-Schwechat, wo der Tausch
stattgefunden hatte, nach Washington einen Zwischenstopp auf der
Luftwaffenbasis Brize Norton in Großbritannien ein - dabei gingen offenbar
zwei der insgesamt vier von Moskau übergebenen Russen von Bord.
In Knastkleidung in England gestrandet
Der russische
Waffenexperte Igor Sutjagin rief seine Frau aus einem Hotel in einer
namentlich nicht genannten kleinen Stadt nahe London an. Er hatte kein Geld,
kein Visum und trug noch die russische Gefangenenkleidung. Sutjagin war 2004
wegen Weitergabe von Geheimunterlagen an eine Tarnfirma des
US-Geheimdienstes CIA zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Angeblich
wurde auch Sergej Skripal, der als früherer Oberst des russischen
Militärgeheimdienstes für den Westen spioniert haben soll, in Großbritannien
abgesetzt.
Geheimdienst schweigt
Die zehn in den USA begnadigten russischen
Agenten waren zuvor bereits in Moskau angekommen. Die russischen Behörden
machten über das Schicksal der Agenten keine Angaben und blockten alle
Fragen zum Aufenthaltsort ab. Der Online-Zeitung "Gaseta" zufolge wurden sie
in das Hauptquartier des Auslandsgeheimdienstes SWR gebracht.
Medienberichten zufolge nahm mindestens eine Agentin, die 28-jährige Anna
Chapman, Kontakt mit ihrer Familie auf. Sie habe vom Flughafen aus ihre
Schwester angerufen und gesagt, dass alles in Ordnung sei.
Neue Identitäten, neues Leben
Die frühere
Sicherheitsberaterin unter der US-Regierung von Ex-Präsident George W. Bush,
Francis Townsend, sagte, auf die in die USA zurückgekehrten Agenten warte
nun eine Nachbesprechung ihres Einsatzes, die Wochen oder sogar Monate
dauern könne. Anschließend werde der Geheimdienst ihnen neue Identitäten
geben und ein neues Leben ermöglichen. Der in die USA ausgelieferte Agent
Alexander Saporoschski wird künftig in seinem fast eine Million Dollar
(790.000 Euro) teuren Anwesen im US-Bundesstaat Maryland leben.
Der russische Spionagering war Ende Juni in den USA aufgeflogen. Die Spionageaffäre hatte die Beziehungen zwischen den USA und Russland erheblich belastet. Beide Seiten arbeiteten an einer schnellen Lösung, um langwierige Gerichtsverfahren mit möglicherweise unangenehmen Enthüllungen zu vermeiden. CIA-Chef Leon Panetta hatte persönlich den Agenten-Deal verhandelt. Dabei wählte die US-Regierung vier russische Häftlinge nach "humanitären und Gesundheitsbedenken" sowie "anderen Gründen" für den Tausch aus. Auf dem Wiener Flughafen vollzogen die USA und Russland dann am Freitagvormittag den international viel beachteten Tausch.