Deutsche Regierung nennt russische Hilfskorridore "inakzeptabel und zynisch".
Angesichts der heftigen Kämpfe im nordsyrischen Aleppo schlagen internationale Hilfsorganisationen Alarm. "Die Stadt darf nicht zu einem weiteren Ort des Massensterbens werden", forderte ein Bündnis aus Care, World Vision und dutzenden weiteren Hilfsorganisationen am Mittwoch in Berlin.
Auch die deutsche Bundesregierung warnte vor einer "humanitären Katastrophe". Syrische Regierungstruppen schlugen inzwischen vor Aleppo eine Offensive verschiedener Rebellengruppen zurück.
Care, Save the Children, World Vision und 36 weitere Organisationen forderten die Internationale Syrien-Unterstützergruppe auf, "umgehend alles dafür zu tun, den brutalen Belagerungszustand und die illegalen Angriffe auf Zivilisten zu stoppen".
Besorgnis über humanitäre Korridore
Als besorgniserregend bezeichneten die Organisationen Russlands Ankündigung der vergangenen Woche, in Aleppo sogenannte humanitäre Korridore für Zivilisten und Rebellen, die sich ergeben, einzurichten. Aleppos Bewohner dürften nicht vor die Wahl gestellt werden, "entweder in die Arme ihrer Angreifer zu fliehen oder in den belagerten und bombardierten Stadtteilen zu bleiben".
Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte in Berlin, das Angebot ungesicherter Fluchtkorridore durch Russland bei gleichzeitiger Fortsetzung der Bombardierung sei "inakzeptabel und zynisch". Die Bundesregierung fordere die Kriegsparteien zu einem sofortigen Waffenstillstand im gesamten Gebiet von Aleppo auf. Eine Beilegung des Konflikts werde es nur mit Russland geben, sagte Demmer. "Deshalb steht Russland hier in besonderer Verantwortung."
Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, unterstrich die Bereitschaft der Bundesregierung, eine humanitäre Versorgung der eingekesselten Menschen finanziell oder anderweitig zu unterstützen.
Keine medizinische Versorgung
Nach Angaben von DRK-Chef Rudolf Seiters in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sind ganze Stadtviertel von Aleppo von der medizinischen Versorgung abgeschnitten, weil Krankenhäuser unter Missachtung des Völkerrechts zerstört worden seien. Die Hilfsorganisation Ärzte der Welt erklärte in München, Aleppos Gesundheitseinrichtungen würden "gezielt angegriffen": "In nur einer Woche haben neun Angriffe zwei Ambulanzen, sechs Krankenhäuser, die Blutbank und eine Kinderstation teilweise oder ganz zerstört."
Der Deutschland-Chef des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, Christian Schneider, sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung", in Aleppo geschähen "Kriegsverbrechen mit einer Rücksichtslosigkeit, die einem dem Atem raubt". Allein 120.000 Kinder seien dringend auf Hilfe angewiesen.
Rebellen zurückgedrängt
In Aleppo drängten unterdessen die Regierungstruppen die Rebellen zurück. Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch berichtete, gelang es der Armee mit Unterstützung von russischen Luftangriffen bis Dienstagabend, mehrere Hügel und Dörfer südwestlich von Aleppo von den Aufständischen zurückzuerobern. Ein AFP-Reporter berichtete aus dem Osten Aleppos, dass die Kämpfe die ganze Nacht andauerten, am Mittwochmorgen wurden auch Fassbomben abgeworfen.
it den jüngsten Erfolgen machten die Regierungstruppen die Eroberungen der syrischen Rebellen und der mit ihnen verbündeten jihadistischen Kämpfer praktisch zunichte. Diese hatten ihre Offensive am Sonntag gestartet, um den Belagerungsring der Regierungstruppen zu durchbrechen. Ihr wichtigstes Ziel ist die Einnahme des von den Regierungstruppen gehaltenen Bezirks Ramussa, um eine neue Versorgungsroute zu öffnen.
Die staatsnahe Zeitung "Al-Watan" berichtete, die Soldaten seien südlich und südwestlich von Aleppo wieder auf dem Vormarsch, nachdem die Rebellengruppen "schwere Niederlagen" erlitten hätten. Dem ebenfalls regierungsnahen Portal "almasdarnews" zufolge gelang es den Aufständischen, in Ramussa einzudringen und dort einen Tunnel zu sprengen. Nach schweren Kämpfen hätten sie sich aber zurückziehen müssen und die Regierungstruppen kontrollierten das Viertel nun wieder.