Nach der Zählung von nicht berücksichtigter Stimmzettel führt nun der Regierungskandidat.
Durch umstrittene Nachzählungen bisher nicht berücksichtigter Stimmzettel ist das Ergebnis der Kommunalwahl in der albanischen Hauptstadt Tirana umgedreht worden. Der Regierungskandidat Lulzim Basha liege nach Auszählung von zwei Dritteln der schätzungsweise 100 neuen Stimmzettel in Führung, berichtete die staatliche Wahlkommission am Donnerstag in Tirana. Der bis zum Vortag siegreiche Oppositionskandidat, der amtierende Bürgermeister und Sozialistenführer Edi Rama, will die neuen Ergebnisse nicht anerkennen.
Oppositionskandidat appeliert an EU und USA
Rama appellierte an die EU und die USA, gegen "die Feststellung eines illegalen Wahlergebnisses" einzuschreiten. Hunderte Anhänger der sozialistischen Opposition und die Polizei hatten sich am Mittwoch im Zentrum von Tirana einen Schlagabtausch geliefert. Damals zeichnete sich noch ein Sieg Ramas ab. Das offizielle Endergebnis wurde aber zurückgehalten.
Der albanische Regierungschef Sali Berisha hatte zuvor mitgeteilt, dass Rama von den rund 250.000 gültigen Stimmen in Tirana zehn Stimmen mehr als der Regierungskandidat Basha erhalten habe. Allerdings müssten nachträglich erst jetzt entdeckte Stimmen gezählt werden, die ursprünglich in falsche Wahlurnen geworfen worden seien.
"Volksrevolte" droht
Rama drohte mit einer "Volksrevolte", sollte sein Sieg in eine Niederlage umgemünzt werden. Vertreter von EU, USA und OSZE in Tirana forderten bereits am Dienstag, das offizielle Endergebnis für die Hauptstadt so schnell wie möglich bekanntzugeben.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte Regierung und Opposition in Albanien am Donnerstag zur Besonnenheit auf. "Das knappe Ergebnis bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen, Differenzen überwinden und Lösungen finden müssen", ließ sie in Brüssel mitteilen.
Barroso sagte Besuch ab
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte einen für morgen, Freitag, geplanten Besuch in Albanien wegen der gespannten Lage ab. Eine Sprecherin von Barroso sagte in Brüssel: "Die Spannungen in Hinblick auf die laufende Auszählung der Ergebnisse hätte zweifelsohne Auswirkungen auf die Diskussionen des Präsidenten mit den politischen Führungspersönlichkeiten des Landes." Sie würden nicht zu produktiven Treffen beitragen. "Es wäre schwierig, das Ziel der Reise zu erfüllen, nämlich die europäische Perspektive für das Land zu diskutieren." Eine Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle ergänzte, Barroso werde Albanien erst besuchen, "wenn sich die Lage normalisiert hat".
Parlamentswahl 2009 führte in Krise
In Albanien gibt es bereits einen schweren Konflikt um die Parlamentswahl 2009: Aufgrund des knappen Ausgangs zeichnete sich ein Patt ab. Die kleine Sozialistische Integrationsbewegung (LSI) scherte schließlich aus dem Mitte-Links-Lager aus und ging mit Berisha eine Koalition ein. Rama fuhr seither einen in der eigenen Sozialistischen Partei nicht umumstrittenen Protest- und Boykottkurs, um Neuwahlen durchsetzen. Berisha ließ umgekehrt keine Neuauszählung zu. Unzählige Appelle des Staatspräsidenten Bamir Topi, der EU, der USA sowie anderer internationaler Akteure und selbst eine Gewalteskalation im Jänner, als vier Anti-Regierungs-Demonstranten mutmaßlich durch die Schüsse der Sicherheitskräfte starben, brachten keine Lösung. Sollte Rama als Bürgermeister abgewählt werden, droht ihm auch das Aus als Parteichef.
Seit dem Ende des Kommunismus waren die Wahlen in Albanien von Unregelmäßigkeiten geprägt; kein Urnengang konnte internationale Beobachter wirklich zufriedenstellen. Oftmals erkannte der Verlierer die Niederlage nicht an. Die Parlamentswahl 2009 ist die bisher umstrittenste.
Albanien ist NATO-Mitglied und hat den EU-Beitritt beantragt. Der Konflikt um die Parlamentswahl 2009 hat wichtige Reformen verhindert, die EU wollte dem Balkan-Land den Status eines Beitrittskandidaten bisher nicht zugestehen.
Bei der Kommunalwahl vom 8. Mai waren in Tirana rund 250.000 gültige Stimmzettel registriert worden. Nach der offiziellen Auszählung lag Rama mit nur zehn Stimmen in Führung. Dann berichtete die von der Regierung beherrschte Wahlkommission, es seien rund 100 Wahlzettel aufgetaucht, die in falsche Urnen geworfen worden seien und die auch noch berücksichtigt werden müssten. Die Vertreter der oppositionellen Sozialisten sprachen von Wahlbetrug und stellten ihre Mitarbeit in der Wahlkommission ein.