Griechenland-Wahl
Alexis Tsipras: Vor ihm zittert heute Europa
24.01.2015Die linke Partei SYRIZA steht vor dem Wahlsieg. Europa zittert, eine Eurokrise droht.
Wenn heute fast 10 Millionen Griechen ihr neues Parlament wählen, blickt ganz Europa nach Athen: Alles deutet darauf hin, dass erstmals das Linksbündnis SYRIZA mit Alexis Tsipras an die Macht kommt.
Tsipras, pechschwarzes Haar, 40 Jahre jung, von seinen Anhängern „O Alexis“ (Der Alexis) gefeiert, verspricht, sich gegen den von der Troika verordneten Sparkurs zu stemmen – das lässt die Griechen jubeln, könnte aber die gesamte Eurozone auf den Kopf stellen.
Tausende feierten Tsipras bei der Abschlusskundgebung am überfüllten „Omonia-Platz“, auch die letzten Umfragewerte sind fulminant: Eine Umfrage vom Samstag bescheinigt SYRIZA 33,5 Prozent, der Vorsprung auf die konservativen Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Andonis Samaras (26,5 Prozent) ist bereits auf sieben Punkte gewachsen. Ob sogar die absolute Mehrheit geknackt wird, bleibt allerdings bis zuletzt fraglich.
Tsipras will Schuldenschnitt für sein Griechenland
Das Wahlergebnis ist richtungsweisend für Europa: Gewinnt SYRIZA, beeinflusst das die Fortsetzung des Sparkurses im mit 320 Mrd. Euro hoch verschuldeten Krisenland. Tsipras fordert einen Schuldenschnitt der Gläubiger, die Eurozone soll den Großteil der Ausstände erlassen. Zwar butterte die EU 240 Mrd. Euro in Griechenland, die Reform- und Sparauflagen sind aber in Griechenland verhasst. Experten prognostizieren in einem „Worst-Case“-Szenario die Rückkehr Athens zur Drachme sowie ein Straucheln krisengebeutelter EU-Länder wie Italien. Tsipras sagt aber: „Vielleicht ist dies die letzte Chance für Griechenland.“
Finanzminister Hans Jörg Schelling: "Dürfen Griechen nicht provozieren"
ÖSTERREICH: Die EZB (Europäische Zentralbank) wird um eine Billion Euro Staatsanleihen kaufen und in den Markt schwemmen. Klug?
Hans Jörg Schelling: Der Hauptgrund hinter diesem Paket ist der Versuch, die Deflation im EU-Raum zu bekämpfen. Durch die Ankäufe sollen Banken wieder verstärkt Kredite vergeben können. Diese Maßnahme ist allerdings zu hinterfragen, da die Liquidität da ist. Das Problem ist eher die mangelnde Nachfrage nach Krediten.
ÖSTERREICH: Nationalbank-Gouverneur Nowotny hat sich bei der Abstimmung über das Paket der Stimme enthalten und gesagt, damit habe die EZB „das letzte Pulver verschossen“. Sehen Sie das auch so?
Schelling: Aus Sicht der EZB, falls das Programm nicht greifen sollte – wovon ich derzeit nicht ausgehe –, hätte man keine weiteren Instrumente zur Verfügung. Österreich hat einen Anteil von 2,8 Prozent an der EZB, das heißt, wir sind mit 1,5 Milliarden Euro an diesem Paket beteiligt. Für Österreich sind keine negativen Auswirkungen zu erwarten. Wir haben auch kein Deflationsproblem. Was passieren kann, ist, dass der Euro noch einmal leicht abfällt.
ÖSTERREICH: Und was bedeutet der Euro-Tiefstand für Österreich?
Schelling: Für uns hat der schwache Eurokurs vor allem Vorteile, weil er für unsere Exportwirtschaft besser ist. Ich denke, der Euro wird sich mittelfristig wieder erholen und auf einem nachhaltigen Niveau einpendeln. Problematischer ist für uns der starke Franken.
ÖSTERREICH: Wie dramatisch ist der starke Franken für Österreich?
Schelling: Für Österreicher, die Kredite in Franken haben, heißt das, dass sie jetzt um 20 bis 25 Prozent höhere Schulden haben. Die Schweizer wollten mit diesem Schritt offenbar dem Paket der EZB vorgreifen. Ich denke aber nicht, dass der Franken langfristig so hoch bleibt, da sich die Schweiz das gar nicht leisten kann. Die Exporte werden zu teuer und der Tourismus in der Schweiz bricht ein.
ÖSTERREICH: Aber ist es klug von der Stadt Wien, noch Kredite in Franken zu haben?
Schelling: Wien und auch andere Gemeinden wären gut beraten gewesen, hier früher auszusteigen. Wien hat sehr langfristige Kredite, also kann sich das einpendeln. Für die Zukunft sollte man aber daraus lernen.
ÖSTERREICH: Heute wählt Griechenland, und ein Wahlsieg des Linken Tsipras wird prognostiziert. Wie dramatisch wird das für die EU?
Schelling: Die Frage wird sein, mit wem er eine Koalition bildet. Das wären dann eher gemäßigte Kräfte. Ich denke nicht, dass Griechenland aus dem Euro aussteigen will. Wir als EU sollten jetzt nicht provozieren.
ÖSTERREICH: Aber werden die Eurozone und die EU Griechenland entgegenkommen?
Schelling: Sobald eine Regierung in Griechenland steht, wäre sie gut beraten, möglichst rasch in Gespräche mit dem Währungsfonds und der EU zu treten. Wir werden einen gemeinsamen Weg mit Griechenland finden müssen. Darüber wird morgen auch die Eurogruppe beraten.
(prj) Interview: Isabelle Daniel