Kampf gegen Attacken
Amsterdam will jetzt "Lockjuden" einsetzen
23.06.2010
Polizisten sollen als orthodoxe Juden verkleidet Angreifer sofort festnehmen können.
Wegen einer deutlichen Zunahme antisemitischer Angriffe erwägen die Behörden in Amsterdam den Einsatz von "Lockvögeln": Als orthodoxe Juden verkleidete Undercover-Polizisten sollen Tatverdächtige bei Pöbeleien oder gewalttätigen Angriffen sofort festnehmen und damit für Abschreckung sorgen. "Wir prüfen ernsthaft, wie uns unorthodoxe Maßnahmen wie der Einsatz sogenannter Lockjuden helfen können, Diskriminierung und Gewalt gegen Juden zu unterbinden", sagte der Sprecher des Amsterdamer Bürgermeisters Lodewijk Asscher.
"Lockjuden"
Das Vorhaben wird von der niederländischen
Stiftung Information und Dokumentation Israel (CIDI) ausdrücklich
unterstützt. Der Einsatz von "Lockjuden" war kürzlich von dem
sozialdemokratischen Amsterdamer Politiker Ahmed Marcouch vorgeschlagen
worden. Der aus Marokko stammende Muslim reagierte damit auf eine
TV-Sendung, in der heimlich gefilmte muslimische Jugendliche gezeigt wurden,
die einen Rabbiner auf offener Straße mit dem Hitlergruß anpöbelten und
bedrohten.
Zunahme an Zwischenfällen
Nach Angaben von CIDI haben
derartige Angriffe in den Niederlanden besorgniserregend zugenommen. Bei der
Organisation "Meldpunt Discriminatie" gingen 2009 allein für Amsterdam 41
entsprechende Meldungen ein - gegenüber 17 im Vorjahr. Die Zahl nicht
gemeldeter Vorfälle ist nach Einschätzung der Organisation weit höher. In
den meisten Fällen werden derartige Attacken von Gruppen
marokkanisch-stämmiger Jugendlicher verübt.
Die Angst davor sei unter den etwa 40.000 in den Niederlanden lebenden Juden - etwa die Hälfte wohnt in Amsterdam und Umgebung - spürbar gewachsen, sagte die Antisemitismus-Expertin des CIDI, Elise Friedman. Um zu verhindern, dass sie auf der Straße "angepöbelt, bespuckt oder mit Steinen beworfen werden", sähen sich immer mehr Juden gezwungen, in der Öffentlichkeit auf Kippot oder andere Anzeichen für ihren Glauben zu verzichten.
Bekämpfung von Angriffen
Die Überlegungen, als Juden
verkleidete Polizisten auf die Straßen zu schicken, gingen von bisher guten
Erfahrungen mit "Lockschwulen" bei der Bekämpfung von Angriffen auf
Homosexuelle aus, erläuterte Bürgermeister-Sprecher Bartho Boer. "Zusammen
mit der Staatsanwaltschaft und der Polizeiführung prüft die Gemeinde
Amsterdam, ob Lockvogel-Einsätze auch im Kampf gegen Übergriffe auf Juden
effektiv und zugleich juristisch vertretbar sind." Entschieden werde darüber
voraussichtlich nach dem Sommer.