Slowenien

Amtsinhaber Pahor gewann slowenische Präsidentenwahl

12.11.2017

Lokalpolitiker Sarec gesteht Niederlage ein - Favorit erreichte gut 53 Prozent der Stimmen.

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© Reuters
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Amtsinhaber Borut Pahor hat die slowenische Präsidentenwahl am Sonntag gewonnen. Pahor setzte sich in einer Stichwahl mit 53,11 Prozent der Stimmen gegen den Lokalpolitiker und Ex-Comedian Marjan Sarec durch, wie die slowenische Wahlkommission nach Auszählung von knapp 90 Prozent der Stimmen mittelte. Sarec zielt indes bereits auf das Premiersamt und will bei der Parlamentswahl im Juli antreten.
 
Der Bürgermeister der Stadt Kamnik hatte den haushohen Favoriten vor drei Wochen unerwartet in eine Stichwahl gezwungen. Sarec hatte im Wahlkampf die Anti-Establishment-Karte gespielt und tiefgreifende Veränderungen versprochen. Beobachter sehen den 39-Jährigen nun als Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten. Die beiden letzten Parlamentswahlen hatten jeweils politische Quereinsteiger gewonnen.
 
Als Clown eingestiegen
 
Er werde bei der Parlamentswahl antreten, "wenn die Menschen dies wollen", sagte der Bürgermeister am Samstagabend unter dem Jubel seiner Anhänger. "Ich bin als Clown in dieses Rennen eingestiegen, und jetzt ist das so ein knappes Rennen", jubelte er. Die Wähler hätten gezeigt, "dass die Zeit für einen Generationenwechsel gekommen ist". Sarec hatte im Wahlkampf tiefgreifende Reformen des politischen Systems versprochen, darunter eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten und eine Änderung des Wahlsystems.
 
Die Wahlbeteiligung erreichte mit gut 40 Prozent ein neuerliches Rekordtief. In der ersten Runde hatten nur 44 Prozent der Wahlberechtigten votiert, was einer der Gründe für das schwache Abschneiden Pahors war. Viele seiner Unterstützer dürften zuhause geblieben sein, weil Umfragen ihm eine klare absolute Mehrheit im ersten Wahlgang vorhersagten.
 
Pahor hatte sich bei der Stimmabgabe am Vormittag zuversichtlich gezeigt. "Heute bin ich viel ruhiger als im ersten Wahlgang", sagte der 54-Jährige. Er hatte im Wahlkampffinish einen Imagewechsel versucht, um den Angriff des politischen Newcomers abzuwehren. Vor fünf Jahren hatte der sozialdemokratische Ex-Premier mit demonstrativer Bürgernähe, die bis hin zu "Arbeitseinsätzen" als Straßenarbeiter oder Müllmann reichte, um Stimmen geworben und so den distinguierten Diplomaten Danilo Türk aus dem Präsidentenpalast vertrieben.
 
Positiver Populist
 
Im jetzigen Wahlkampf wäre Pahor seine Attitüde des "positiven Populisten" aber fast auf den Kopf gefallen. Namhafte Intellektuelle warfen ihm vor, mit kindischen Instagram-Postings das Amt des Staatsoberhauptes trivialisiert und sinnentleert zu haben. Damit ermöglichte es Pahor ausgerechnet dem früheren Kabarettisten und Politikerimitator Sarec, sich als seriöse Alternative zu präsentieren. Die Aufgabe des Präsidenten sei es nicht, "die Menschen zu amüsieren", betonte Sarec, der den meisten Slowenen bis vor wenigen Monaten vor allem als Kunstfigur "Serpentinsek" bekannt gewesen war.
 
Der knappe Wahlsieg Pahors dürfte vor allem dem konservativen Oppositionsführer Janez Jansa Kopfzerbrechen bereiten. Er war nämlich der Hauptleidtragende der politischen Quereinstiege bei den Parlamentswahlen 2011 und 2014, vereitelten sie ihm doch jeweils sicher scheinende Wahlsiege. Beobachter mutmaßten, dass sich Jansa insgeheim einen Sieg Sarec' bei der Präsidentenwahl wünschte, um diesen aus dem Parlamentsrennen zu halten. Offen unterstützen konnte er den Lokalpolitiker aber nicht, zählt doch der Gottseibeiuns der slowenischen Rechten, der postkommunistische Ex-Präsident Milan Kucan, zu Sarec' "Paten".
 
Slowenien hat einen neuen Polit-Star
 
Fast hätte ihn die Anti-Establishment-Welle bis in den Präsidentenpalast getragen, doch der Ex-Comedian Marjan Sarec wird nicht unzufrieden sein, dass es dann doch nicht klappte. Mit 47 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Borut Pahor hat er sich bei der Wahl am Sonntag nämlich eine ideale Basis dafür geschaffen, nächstes Jahr die eigentliche Machtzentrale zu erobern: Das Amt des Regierungschefs.
 
Sarec hatte im Wahlkampf tiefgreifende Reformen des politischen Systems versprochen, darunter eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten und eine Änderung des Wahlsystems. Am Wahlabend kündigte er an, bei der Parlamentswahl antreten zu wollen, "wenn die Menschen dies wollen". Damit sprach er aus, was viele schon länger vermutet hatten. Seine starken Reformansagen hatten nämlich so gar nicht zum rein repräsentativen Amt des Staatspräsidenten gepasst, um das er sich beworben hatte.
 
Schon nach der ersten Wahlrunde hatte der parteilose Bürgermeister der Kleinstadt Kamnik den Blick in Richtung Parlamentswahlen gerichtet. Mit 25 Prozent der Stimmen habe er mehr erreicht als alle Kandidaten der Parlamentsparteien zusammen, rechnete er vor. Gemünzt war das insbesondere auf die größte Regierungspartei, die liberale SMC von Ministerpräsident Miro Cerar. Ihre Kandidatin, Bildungsministerin Maja Makovec Brencic, erreichte nicht einmal zwei Prozent der Stimmen und wurde sogar von einem Rechtsextremisten überflügelt.
 
Instagram-Präsident
 
Großen Anteil am Sensationserfolg von Sarec hatte Amtsinhaber Pahor. Dem "Instagram-Präsidenten" wäre seine effektheischende Politik beinahe auf den Kopf gefallen. Mit kindischen Instagram-Fotos und publikumswirksamen "Arbeitseinsätzen" als Straßenarbeiter oder Müllmann hatte er sich zwar an die Spitze der Beliebtheitsskalen gesetzt, damit aber zugleich auch die Latte für das höchste Amt im Staate gesenkt. Viele Slowenen, die sich im höchsten Staatsamt keinen Posterboy wünschten, sondern eine Respektsperson, verstörte er.
 
So kam es, dass sich Pahor im Wahlkampf ausgerechnet von einem ehemaligen Kabarettisten die Leviten lesen lassen musste. Der in den TV-Duellen immer ernst auftretende Ex-Comedian mahnte seinen dauerlächelnden Kontrahenten, es sei nicht Aufgabe des Präsidenten, "die Menschen zu amüsieren".
 
Sarec gelang damit ein bemerkenswertes Rebranding, war er doch einer breiten Öffentlichkeit in Slowenien vor allem als Kunstfigur "Serpentinsek" und Politikerimitator bekannt gewesen. Jahrelang nahm er in Radio und Fernsehen Spitzenpolitiker wie die Ex-Präsidenten Janez Drnovsek und Danilo Türk, Außenminister Karel Erjavec und vor allem Oppositionsführer und Ex-Premier Janez Jansa. Pahor gehörte übrigens nicht zu seinem Repertoire.
 
Die Schauspielkarriere gab Sarec 2010 auf, als er als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung des langjährigen Bürgermeisters der Stadt Kamnik, Tone Smolnikar, zum neuen Oberhaupt der nordslowenischen Gemeinde gewählt wurde. Im Jahr 2014 wurde er mit 63,8 Prozent im Amt bestätigt.
 
Feuerwehrmann
 
In der Wahlkampagne um das Präsidentenamt warb Sarec mit Worten wie "Verantwortung", "Ordnungsliebe" und "Professionalität". Vor allem konnte Sarec aber als authentische Variante des Amtsinhabers punkten, der nach zwei Jahrzehnten als Berufspolitiker begonnen hatte, offensiv den Normalbürger zu geben. "Wenn Borut Pahor in der Wahlkampagne einen Feuerwehrmann spielt, dann ist Sarec wirklich einer", sagte der Kommunikationsexperte Janez Rakuscek.
 
Ideologisch lässt sich Sarec nur schwer fassen, was in der polarisierten slowenischen Politik ein großer Vorteil ist. Ähnlich wie der amtierende Ministerpräsident Miro Cerar verbindet er linksliberale Einstellungen mit praktizierendem Katholizismus. Die politische Rechte sieht den Newcomer argwöhnisch. Sie unterstellt ihm, eine Marionette ihres Gottseibeiuns, des postkommunistischen Ex-Präsidenten Milan Kucan, zu sein, was Sarec dementiert. Der konservative Oppositionsführer Janez Jansa dürfte über die knappe Niederlage von Sarec jedenfalls nicht wirklich erfreut sein. Sarec könnte nämlich kommendes Jahr die Rolle des mittlerweile ziemlich unbeliebten Cerar spielen - und Jansa einen sicher scheinenden Sieg bei der Parlamentswahl wegschnappen.
 
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