Fall Lucile

Angeklagter schweigt zur Tat in Österreich

22.11.2017

Es gibt erstmals eine schriftliche Erklärung zum Fall in Deutschland.

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© APA/AFP/dpa/PATRICK SEEGER
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Der Prozess um den Mord an einer Joggerin in Endingen bei Freiburg hat zwar mit dem Geständnis des Angeklagten begonnen. Doch der Mann, der nun in Deutschland vor Gericht steht, soll zuvor auch in Österreich gemordet haben. Doch dazu sagt er nichts.

Seit dem Mord an der Joggerin hat Catalin C. zur Tat geschwiegen. Erst zum Prozessauftakt am Mittwoch bricht er sein Schweigen. Der Familienvater und Berufskraftfahrer aus Rumänien legt vor dem Landgericht Freiburg ein Geständnis ab. In dem Strafprozess sitzt der 40-Jährige den Eltern, dem Bruder und dem Ehemann der Ermordeten direkt gegenüber. Und äußert sich erstmals zu dem Verbrechen, das Ermittler als besonders grausam bezeichnen. Beim Angeklagten, da sind sich Polizei und Staatsanwalt sicher, handelt es sich um einen Mehrfachmörder.

Geständnis

Catalin C. betritt in Handschellen und schwer bewacht den Gerichtssaal. Ein schmächtiger Mann, der nach unten schaut und Blickkontakt vermeidet. Als er von der vorsitzenden Richterin Eva Kleine-Cosack angesprochen wird, lässt er seinen Anwalt Klaus Malek eine persönliche Erklärung verlesen. Es ist das Geständnis des Angeklagten, diktiert vor wenigen Tagen im Gefängnis. Fragen will er nicht beantworten. Das macht Catalin C., der im Prozess einen Dolmetscher braucht, auf Nachfrage der Richterin deutlich.

Vorgeworfen werden dem Mann Mord und besonders schwere Vergewaltigung. Er soll die junge Frau vor rund einem Jahr in Endingen in einem kleinen Waldstück in den Weinbergen getötet und vergewaltigt haben. Zudem wird ihm der Mord an einer 20 Jahre alten französischen Austausch-Studentin aus Lyon im Jänner 2014 im rund 400 Kilometer von Endingen entfernten Kufstein in Österreich zur Last gelegt. An beiden Tatorten waren Spuren von ihm gefunden worden. Beide Taten ähneln sich, sagt die Polizei.

Im Lkw gewohnt

"Mein Leben in den letzten Jahren war deprimierend", lässt Catalin C. erklären. "Gelebt und gewohnt habe ich im Lastwagen." Der Berufskraftfahrer und Familienvater, dessen Frau und Kinder in seiner Heimat Rumänien leben, hielt sich zuletzt allein in der Nähe von Freiburg auf, arbeitete dort bei einer Spedition. Dem psychiatrischen Gutachter sagte er, er habe in der Zeit vor der Tat viel getrunken - ein bis zwei Flaschen Wein pro Tag.

An einem regnerischen Sonntagnachmittag Anfang November vergangenen Jahres, so gesteht er, war er in den Weinbergen des 9.000 Einwohner zählenden Ortes Endingen, als die 27 Jahre alte Joggerin seinen Weg kreuzte. Sie war alleine unterwegs, drei Kilometer ihrer Laufstrecke hatte sie bereits hinter sich. Täter und Opfer kannten sich nicht. Ihre Leiche wurde erst Tage später gefunden.

Im Gefängnis traf Catalin C. den psychiatrischen Gutachter Peter Winkler. Dieser zeichnet das Bild eines Mannes, der wenig sozialen Kontakt suchte - weder zu Arbeitskollegen noch zu seinen Geschwistern. Allein seine Frau und Kinder in Rumänien seien ihm wichtig gewesen. "Bei diesem Thema hatte er Tränen in den Augen." Auf die Mordfälle angesprochen, habe er kaum Emotion gezeigt, habe "wie durch eine Glasscheibe kommuniziert". Die Tat in Österreich erwähnt Catalin C. in seiner Erklärung vor Gericht mit keinem Wort - und auch nicht den Messerangriff 2005 auf eine Prostituierte in Rumänien, der Ermittlungen nach sich zog. Diese wurden aber wieder eingestellt.

Entschuldigung halbherzig

"Es ist wichtig zu wissen, wer der Täter ist", sagt der Anwalt der Eltern der Ermordeten, Peter Oberholzner. "Bislang war das ein schwarzes Loch. Jetzt hat man ein Gesicht dazu." Und weiter: "Dass er ein Geständnis abgelegt hat und klar wird, was genau passiert ist, hilft die Tat zu verarbeiten - gerade weil viele Gerüchte kursieren und immer wieder in Gesprächen aufkommen." Dass der Angeklagte Erinnerungslücken habe, glaube er nicht. "Deshalb ist die Entschuldigung auch nur halbherzig".

Auch in Österreich vor Gericht?

Catalin C.  könnte bald auch in Österreich der Prozess gemacht werden. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft überlegt, bald Anklage gegen ihn zu erheben.

Im Prozess um den Mord an einer Joggerin vom November 2016 soll in Freiburg noch in diesem Jahr ein Urteil gefällt werden. Sobald der Richterspruch in Deutschland rechtskräftig wird, könnte der Tatverdächtige nach Österreich ausgeliefert werden, sagte der Innsbrucker Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr der APA. Dann soll in Innsbruck der Fall der Französin, die im Jänner 2014 in Kufstein getötet worden ist, vor Gericht behandelt werden.

Zusatzstrafe

Sollte der Beschuldigte sowohl in Deutschland als auch bei einem wahrscheinlichen späteren Prozess in Innsbruck verurteilt werden, gelte die Strafe in Österreich rechtlich als "Zusatzstrafe", erklärte Mayr der APA. Im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Deutschland und einer weiteren möglichen Verurteilung in Tirol, würde das Innsbrucker Gericht den Mann formell schuldig sprechen und "in Rücksicht auf das Urteil in Deutschland" keine weitere Strafe verhängen, sagte Mayr.

Wo der Tatverdächtige im Falle zweier Verurteilungen dann seine Strafe absitzen müsste, sei noch offen. Dies würden die Behörden beider Länder gemeinsam entscheiden, erklärte Mayr.

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