Mega-Sparpaket

Merkel will 80 Milliarden bis 2014 sparen

07.06.2010

Im Bereich Bildung und Forschung soll es aber keine Einsparungen geben.

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Mit einem beispiellosen Kraftakt will die schwarz-gelbe Bundesregierung in Deutschland im nächsten Jahr 11,2 Milliarden Euro sparen. Bis 2014 sollen nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sogar 80 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. Die Sparliste umfasst Einschnitte im Sozialetat ebenso wie Beiträge der Wirtschaft zur Haushaltskonsolidierung. "Wir können uns nicht all das, was wir uns wünschen, leisten", begründete Merkel das Sparpaket. Die Situation Griechenlands und anderer Euro-Staaten hätte aber gezeigt, von welch großer Bedeutung solide Finanzen seien.

Abschaffung von Vergünstigungen
Im Einzelnen kündigte sie die Abschaffung von Vergünstigungen bei der Energiewirtschaft an. Zudem soll eine Abgabe auf Flüge aus Deutschland eingeführt werden. Ebenfalls geplant ist eine Steuer für die Betreiber von Atomkraftwerken im Gegenzug für längere Laufzeiten, die jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Zudem beansprucht der Staat eine höhere Dividende des Staatskonzerns Deutsche Bahn im Volumen von 500 Millionen Euro. Durch Einsparungen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) sollen 2011 rund 4,3 Milliarden Euro gespart werden. Hier sollen im wesentlichen Pflicht- in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Auch der Rentenzuschuss für Hartz-IV-Empfänger entfällt.

Das Elterngeld wird gekürzt. Wer über 1.240 Euro netto verdient, soll künftig 65 Prozent statt wie bisher 67 Prozent erhalten. Zudem wird der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses verschoben.

Transaktionssteuer weiter Thema
Außerdem soll sich der Bankensektor an den Kosten für die Wirtschaftskrise beteiligen. Die Bundesregierung werde sich deswegen für eine Finanzmarkttransaktionssteuer auf globaler, mindestens aber auf europäischer Ebene einsetzen, kündigte Merkel an. Bis Anfang September sollen zudem der Abbau von bis zu 40.000 Berufs- und Zeitsoldaten und die Konsequenzen daraus für die Wehrpflicht geprüft werden.

Ausgenommen von den Kürzungen sind die Bereiche Bildung und Forschung. Hier sollen bis 2013 zusätzliche zwölf Milliarden Euro bereitgestellt werden. Auch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bekommt im nächsten Jahr einmalig zwei Milliarden Euro zusätzlich, um einen Sozialausgleich zu finanzieren. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, der für zahlreiche Produkte und Dienstleistungen gilt, soll erhalten bleiben. Merkel sagte, die Koalition werde sich wie verabredet aber die Ausnahmetatbestände ansehen. Allerdings gehe es hier im gesamten Mehrwertsteueraufkommen um einen untergeordneten Betrag.

"Einmaliger Kraftakt"
Merkel sprach von schwierigen Verhandlungen. "Es war ein großer und ziemlich einmaliger Kraftakt." Viele Maßnahmen, wie die Einschnitte beim Elterngeld, seien durchaus schmerzhaft. Ziel sei es zum einen, solide Finanzen zu schaffen und zugleich durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Zukunftsinvestitionen für möglichst viele Bürger eine Teilhabe an der Gesellschaft zu gewährleisten.

Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sagte, das Sparpaket sei nicht nur ehrgeizig, umfassend und solide sondern auch ausgewogen und gerecht. Mit dem Paket würden die Wachstumskräfte nicht abgewürgt. Es gelte aber: "80 Milliarden Euro sparen sich auch nicht mit der Nagelschere." Ein gutes Signal für die Bürger sei, dass es keine Erhöhung der Einkommen- oder Mehrwertsteuer sowie des Solidaritätszuschlags gebe.

Ab 2011 greift Schuldenbremse
Das Kabinett beriet seit Sonntagmittag streng abgeschirmt im Kanzleramt über den Bundesetat 2011 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2014. Ab 2013 muss Deutschland wieder den Euro-Stabilitätspakt einhalten, zudem greift ab 2011 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

Die Details des Sparprogramms sollen zusammen mit der Aufstellung des Etats 2011 bis Anfang Juli ausgearbeitet werden. Mitte August wird das Parlament damit befasst.

Westerwelle und Merkel betonten, die Koalition habe noch viel Arbeit zu erledigen. Als Beispiel nannten sie die besonders zwischen CSU und FDP umstrittene Gesundheitsreform, für die nun bis Mitte Juli Eckpunkte vorgelegt werden sollen.

Zum Vorwurf, die Koalition gehe bei ihren Sparbeschlüssen mit der Machete vor, sagte Westerwelle: "80 Milliarden sparen Sie auch nicht mit der Nagelschere."

Sanierung auf Kosten der Schwachen?
Die Gewerkschaft Verdi warf der Bundesregierung vor, den Haushalt auf Kosten der sozial Schwachen sanieren zu wollen. Auch der Sozialverband Deutschland erklärte, durch die anvisierten Kürzungen bei den Schwächsten stehe der soziale Zusammenhalt in Deutschland vor einer Zerreißprobe. Als Auftakt zu bundesweiten Protesten gegen die "falsche Sparpolitik der Bundesregierung" luden Verdi und der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in einem breiten Bündnis zu einer Großdemonstration in Stuttgart am 12. Juni ein, wie Verdi am Montag mitteilte.

Opposition und Sozialverbände haben die milliardenschweren Sparpläne als unausgewogen, unsozial und ökonomisch unsinnig gegeißelt. Linke und SPD kündigten am Montag in Berlin öffentlichen Widerstand an. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft.

Deutschlands größte Fluggesellschaft Lufthansa reagierte empört auf die Pläne für eine Luftverkehrsabgabe. Es werde versucht, mit einem untauglichen Mittel Haushaltslöcher zu stopfen, und schwäche damit den gerade aufkeimenden Aufschwung.

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