USA
Anklage gegen Boston-Bomber erhoben
22.04.2013
Boston-Bomber planten weitere Anschläge. Ermittler fanden Sprengsätze.
Gegen den mutmaßlichen Attentäter von Boston ist Anklage erhoben worden. Dies sei dem 19-jährigen Dzhokhar Tsarnaev (Zarnajew) im Krankenhaus eröffnet worden, teilte die Staatsanwaltschaft in der US-Ostküstenstadt am Montag mit. Der junge Mann soll gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan, der bei einer Verfolgungsjagd starb, die Anschläge auf den Boston-Marathon mit drei Toten vor einer Woche verübt haben.
Attentäter kein "feindlicher Kämpfer"
Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, betonte, Tsarnaev werde nicht als "feindlicher Kämpfer" behandelt, wie dies von einigen Republikanern gefordert worden war. "Wir werden diesen Terroristen durch unser ziviles Justizsystem bestrafen", sagte Carney. Er wies darauf hin, dass seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Justizsystem bewiesen habe, dass es der anhaltenden Bedrohung gewachsen sei.
Die republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham hatten gefordert, Tsarnaev als "feindlichen Kämpfer" zu behandeln. Unter diesem Status könnte er so wie die Häftlinge von Guantanamo unbefristet ohne Anklage oder Prozess festgehalten werden. Tsarnaev wird derzeit wegen Verletzungen behandelt, die er während eines Schusswechsels mit der Polizei erlitt, und kann bisher nur schriftlich kommunizieren.
Aus dem Koma erwacht
Der schwer verletzte mutmaßliche Attentäter des Boston-Marathons ist Medienberichten zufolge aus dem Koma erwacht und wird von den Ermittlern vernommen. Der auf der Intensivstation eines Krankenhauses liegende 19-jährige Dzhokhar Tsarnaev (Zarnajew) könne wegen eines Durchschusses im Mund nur schriftlich auf Fragen antworten, berichteten die TV-Sender ABC und NBC. Unterdessen gerät die US-Bundespolizei FBI zunehmend in die Kritik. Sie soll den Hinweisen auf einen islamistischen Hintergrund dessen Bruders, des getöteten 26-jährigen Tamerlan Tsarnaev, nicht genügend nachgegangen sein, wie die "New York Times" am Montag berichtete.
Waffen-Arsenal und Bomben sichergestellt
Bostons Polizeichef Ed Davis vermutet, dass die Brüder weitere Anschläge geplant hatten. Die Polizei habe anhand der inzwischen gefundenen Beweise Grund zur Annahme, dass die Brüder "weitere Menschen attackieren" wollten, sagte Davis dem Sender CBS. Allerdings machte Davis keine Angaben dazu, wer Ziel der nächsten Angriffe sein sollte. Beamte hätten bei der Verfolgung von Tamerlan und Dzhokhar Tsarnaev ein ganzes Arsenal hausgemachter Bomben und Materialien sichergestellt. Bei dem Anschlag am vergangenen Montag waren drei Menschen getötet worden - unter ihnen ein achtjähriger Bub. Rund 180 Läufer und Zuschauer wurden verletzt.
Schwere Kritik am FBI
Die Kongressabgeordneten Michael McCaul und Peter T. King kritisierten das FBI und sprachen von einem "geheimdienstlichen Versagen", wie die "New York Times" berichtete. Der Fall werfe ernsthafte Fragen über die Wirksamkeit der Terrorismusbekämpfung in den USA auf, schrieben die beiden Republikaner in einem an das FBI, das Heimatschutzministerium und den Chef der Nationalen Nachrichtendienste adressierten Brief, aus dem auch "USA Today" zitierte. McCaul ist der Vorsitzende des Ausschusses für Heimatschutz im US-Repräsentantenhaus und hat Zugang zu Geheimdienstinformationen, auch King ist Terrorismusexperte.
19-Jähriger beantwortet Fragen schriftlich
Dzhokhar Tsarnaev wird unter schärfster Bewachung auf der Intensivstation des Beth Israel Deaconess Medical Center behandelt. Er werde weiter künstlich beatmet und könne daher nur schriftlich auf die Fragen der Ermittler antworten, berichteten US-Medien. Die Ermittler wollen vor allem Aufschluss über das Motiv für den Anschlag erhalten und über etwaige Komplizen. Staatsanwältin Carmen Ortiz bereitete nach Angaben der Polizei die Anklage gegen den Tatverdächtigen vor, die möglicherweise noch am Montag eingereicht werden solle. Der 19-Jährige muss mit der Todesstrafe rechnen. Massachusetts hat sie zwar abgeschafft, die USA als Staat aber nicht. Der TV-Sender CNN zitierte einen Beamten aus dem Justizministerium mit den Worten, Tsarnaev müsse sich wohl nach Bundesrecht wegen Terrorismus verantworten und nach Landesrecht wegen Mordes.
Tsarnaev war in der Nacht zu Samstag bei einer beispiellosen Polizeiaktion in einem Bostoner Vorort entdeckt und festgenommen worden. Dabei erlitt er einen Mund-Durchschuss sowie eine Schussverletzung am Bein. Sein älterer Bruder und mutmaßlicher Mittäter Tamerlan war bei einem Schusswechsel während der Fahndung getötet worden.
Vater von Unschuld seiner Söhne überzeugt
Der Vater der beiden, Ansor Tsarnaev, ist weiter von der Unschuld seiner Söhne überzeugt. Sein Sohn Tamerlan "hätte das, was ihm vorgeworfen wird, niemals tun können", sagte Tsarnaev der russischen Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda". Der 26-Jährige sei "ein guter Moslem" gewesen. Nach seiner Hochzeit sei Tamerlan "sehr religiös" geworden und jeden Freitag in die Moschee gegangen. Zuletzt habe er mehrere Monate lang keine Arbeit gehabt und sich zuhause um sein dreijähriges Kind gekümmert. Auch seinen Sohn Dzhokhar verteidigte der Vater. Der 19-Jährige habe "große Pläne" gehabt: Dzhokhar habe Arzt werden und eine Praxis eröffnen wollen. "Jetzt ist die Rede von Bombenanschlägen. Wie ist das möglich?", fragte Ansor Tsarnaev. Er bezeichnete die Ermittlungen gegen seine Söhne als "politischen Auftrag" und als "Hollywoodshow".
Sicherheitskreise schließen einen islamistischen Hintergrund der Tat nicht aus. Tamerlan Tsarnaev war bereits Anfang 2011 vom FBI befragt worden, nachdem russische Sicherheitsdienste ihn radikal-islamischer Überzeugungen verdächtigt hatten. Das FBI erklärte allerdings, nach einer Überprüfung habe es damals keine Anhaltspunkte für "terroristische Aktivität" gegeben. Tamerlan Tsarnaev war im Jänner 2012 nach Moskau gereist und hielt sich sechs Monate in Dagestan auf, wo seine Eltern leben. Es sei unklar, wozu die Reise gedient habe und ob der aus einer tschetschenischen Familie stammende Verdächtige womöglich Kontakte zu militanten islamistischen Gruppen aus der Kaukasusregion gehabt habe, hieß es in Justizkreisen.
Genau eine Woche nach dem Anschlag waren die Bewohner des US-Staates Massachusetts an diesem Montag aufgerufen, der Opfer zu gedenken. Bostons Bürgermeister Thomas Menino und Gouverneur Deval Patrick riefen zu einer Schweigeminute um 20.50 Uhr (MESZ) auf, dem Zeitpunkt der Explosionen. Anschließend sollen in ganz Massachusetts die Kirchenglocken läuten.