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Ariel Muzicant: "Kein Ausnahmezustand, sondern Pogrom-Versuch"
08.11.2024
Entsetzen nach Attacken auf israelische Fans in Amsterdam: Propalästinensische Täter sollen Jagd auf Juden gemacht haben.
Die Attacken von propalästinensischen Randalierern auf israelische Fußballfans in Amsterdam haben international Entsetzen und Empörung ausgelöst. US-Präsident Joe Biden verurteilte die gewalttätigen Angriffe scharf. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu stellte die Angriffe in eine Reihe mit Verbrechen gegen Juden während der Nazi-Pogrome vom 9. November 1938 in Deutschland. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof zeigte sich "zutiefst beschämt".
"Die antisemitischen Angriffe auf israelische Fußballfans in Amsterdam sind verabscheuungswürdig und erinnern an dunkle Momente in der Geschichte, als Juden verfolgt wurden", teilte Biden über die Plattform X mit. "Wir müssen Antisemitismus unerbittlich bekämpfen, wo auch immer er auftaucht." Biden erklärte, die US-Regierung habe mit israelischen und niederländischen Behörden Kontakt aufgenommen und begrüße das Bestreben, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Politiker wegen der Gewalttaten bestürzt
Israelische Politiker zeigten sich wegen der Gewalttaten bestürzt. "Dies ist ein schwerwiegender Vorfall, ein Warnsignal für jedes Land, das die Werte der Freiheit hochhalten möchte", schrieb Israels Präsident Yitzhak Herzog auf der Plattform X. Netanyahu beklagte: "Morgen vor 86 Jahren war die Kristallnacht, als Juden auf europäischem Boden angegriffen wurden, weil sie Juden waren. Dies hat sich nun wiederholt."
Israels Außenminister Gideon Saar war am Nachmittag in Amsterdam eingetroffen, um dort mit Vertretern der niederländischen Regierung zu sprechen. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof brach seinen Aufenthalt in Budapest bei einem EU-Gipfel ab. Zuvor hatte Schoof auf diese "inakzeptablen antisemitischen Angriffe auf Israelis" verurteilt. Der niederländische König Willem-Alexander zeigte sich geschockt über die Attacken. Das habe er auch dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog telefonisch mitgeteilt, heißt es in einer Erklärung des Hofes. "Wir dürfen nicht wegschauen bei antisemitischem Verhalten auf unseren Straßen."
Auch die österreichische Bundesregierung verurteilte die Vorfälle auf X scharf. "In diesen Tagen werden wir noch stärker an unsere historische Verantwortung erinnert, Hass gegen Juden nie wieder die Oberhand gewinnen zu lassen", schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). "Gegen Szenen wie gestern Nacht muss Europa geschlossen vorgehen. So etwas hat bei uns keinen Platz!", forderte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Gemeinsam stehen wir gegen Antisemitismus. Gerade in den Tagen des Gedenkens muss klar sein: Nie wieder muss auch wirklich nie wieder bedeuten", schrieb Sportminister Werner Kogler (Grüne) auf X.
Muzicant: "Versuch eines Pogroms"
Ariel Muzicant sprach im Zusammenhang mit den Vorfällen von einem "Versuch eines Pogroms". Ziel der Aktion der organisierten Hooligans, die "höchstwahrscheinlich gesteuert" und mit mithilfe von Taxiunternehmen erfolgte, sei es gewesen, "jüdische Menschen zu töten, zu verletzen und zu erniedrigen", sagte der Präsident des European Jewish Congress am Abend in der "ZiB 2" des ORF. Muzicant ergänzte, dass seiner Meinung nach "die Politik mitverantwortlich ist". All jene, die nach dem 8. Oktober Israel "dämonisieren mit so Ausdrücken wie Völkermord und Apartheid" seien mitverantwortlich. Lippenbekenntnisse für den Kampf gegen Antisemitismus seien zu wenig. "Wo war bitte die holländische Polizei?" Es gelte, solche "Exzesse" zu verhindern. Auch Vertreter des Islam in Europa müssten Maßnahmen setzen, um derartige gezielte Aktionen muslimischer Extremisten zu verhindern.
20 bis 30 Verletzte bei Hooligan-Attacken
Bei den Attacken auf israelische Fußballfans in Amsterdam sind insgesamt 20 bis 30 Menschen verletzt worden, die meisten leicht. Fünf Personen mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Alle seien wieder entlassen worden, teilte die Bürgermeisterin Femke Halsema vor der Presse am Freitag in der niederländischen Hauptstadt mit. Zehn Verdächtige befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch in Haft, davon sind zwei minderjährig.
Insgesamt waren bei den Ausschreitungen 62 Personen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, alle mutmaßlichen Täter mit aller Härte zu verfolgen. Stadt und Justiz untersuchen nun die Vorfälle.
Nach dem Fußballspiel in der Europa League von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv waren am späten Donnerstagabend israelische Fans nach Angaben der Polizei gezielt angegriffen worden. Vor allem propalästinensische Jugendliche auf kleinen Motorrädern hätten die Israelis verfolgt und misshandelt.
Amsterdams Bürgermeisterin: "Tiefschwarze Nacht"
Die Bürgermeisterin sprach von einer "tiefschwarzen Nacht". "Das ist eine Schande für Amsterdam." Halsema verurteilte die "antisemitischen Übergriffe" und kündigte extra Sicherheitsmaßnahmen an, um Israelis und Juden in der Stadt zu schützen.
Das Spiel war im Vorfeld wegen der politischen Spannungen als Risikospiel eingestuft worden. Etwa 800 Beamte waren im Einsatz sowie zusätzlich mobile Einsatzkräfte.
Wie es zu den Angriffen kommen konnte und ob es um eine organisierte Aktion ging, soll untersucht werden. Die Polizei wies darauf hin, dass es bereits in der Nacht zuvor Zusammenstöße gegeben hatte. Auch Fans von Tel Aviv hätten randaliert und provoziert. So hätten sie palästinensische Flaggen verbrannt und von Häuserwänden gerissen sowie beleidigende Parolen gerufen. Das sei aber in keinerlei Hinsicht eine Entschuldigung für die antisemitischen Attacken, betonte die Bürgermeisterin.
UEFA verurteilte "Gewalttaten aufs Schärfste"
Die Europäische Fußball-Union UEFA verurteilte die "Gewalttaten" in Amsterdam "aufs Schärfste". Nach einem Spiel mit guter Atmosphäre habe man "mit Entsetzen erfahren, was gestern Abend im Zentrum von Amsterdam geschehen ist", hieß es in einer Stellungnahme von Ajax Amsterdam. Unter vorherigen X-Beiträgen wurde der Verein teils scharf kritisiert, da Ajax am Vormittag Videoausschnitte des Spiels gegen Maccabi Tel Aviv teilte und sich erst am frühen Nachmittag zu den Geschehnissen in der niederländischen Hauptstadt äußerte.
Nach Angriffen rief Israels Nationaler Sicherheitsrat (NSC) Israelis dazu auf, am Abend nicht zu einem Basketballspiel von Maccabi Tel Aviv in Bologna zu gehen. Im Netz kursierten weiterhin Gewaltaufrufe gegen Juden und Israelis, Nachahmer-Taten seien möglich, warnte der Rat. Der NSC riet Fans dazu, keine israelischen oder jüdischen Erkennungszeichen zu tragen.