"Erdogan verfolgt imperialistische Politik"

Armeniens Premier warnt: 'Die Türkei ist bald vor Wien'

04.10.2020

Armenien erhebt schwere Vorwürfe: 'Türkei will den Genozid an den Armeniern fortsetzen'

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© AFP
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Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan hat die Europäer angesichts der Kämpfe in Berg-Karabach vor der Türkei gewarnt. "Ich erwarte eine klare Position. Wenn die internationale Gemeinschaft die geopolitische Bedeutung dieser Situation nicht korrekt bewertet, sollte Europa die Türkei bald nahe Wien erwarten", sagte Paschinjan der "Bild"-Zeitung laut einer Vorabmeldung vom Sonntag.
 
Auf die Frage, ob Deutschland öffentlich erklären solle, wer den aktuellen Konflikt um Berg-Karabach begonnen hat, antwortete Paschinjan: "Ja. Und Deutschland sollte die Einbindung von in Syrien rekrutierten Terroristen und Söldnern in diesen Konflikt in der Region durch die Türkei bewerten."
 

Genozid fortsetzen

Die Türkei sei nach hundert Jahren in die Region Südkaukasus zurückgekehrt, "um den Genozid an den Armeniern fortzusetzen, der im Herbst 1915 in der Türkei stattfand", sagte Paschinjan weiter. Zugleich warf er dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine imperialistische Politik vor. Diese reiche viel weiter als in den Südkaukasus. "Schauen wir uns das Vorgehen der Türkei im Mittelmeerraum, in Libyen, im Nahen Osten und Irak und in Syrien an", so Paschinjan.
 
Der armenische Regierungschef hatte am Samstag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel telefoniert. Sie äußerte sich nach Angaben der Regierung besorgt über die Eskalation und forderte, "dass alle Seiten die Kampfhandlungen unverzüglich einstellen und Verhandlungen aufnehmen müssten".
 

Schwere Kämpfe

Die Kämpfe der ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan um die Kaukasusregion Berg-Karabach waren vor einer Woche neu entflammt. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach, die mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans.
 
Russland gilt als Armeniens Schutzmacht und unterhält dort einen Militärstützpunkt. Zugleich pflegt Moskau gute Beziehungen auch zu Aserbaidschan und beliefert es mit Waffen. Die Türkei ist enger Verbündeter des ebenfalls turksprachigen Aserbaidschan; Experten sehen es als erwiesen an, dass Ankara Aserbaidschan mit Waffen unterstützt. Auch steht die Türkei im Verdacht, hunderte pro-türkische Kämpfer von Syrien in die Konfliktregion verlegt zu haben. Am Sonntag warf Aserbaidschan seinerseits Armenien vor, ebenfalls ausländische Kämpfer einzusetzen.
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