Die deutsche Justizministerin übte scharfe Kritik am Vatikan.
Die deutsche Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat dem Vatikan Behinderung bei der Aufarbeitung der Skandale um sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen vorgeworfen. Es habe in vielen Schulen und Einrichtungen eine Art Schweigemauer gegeben, wegen der Informationen nicht ausreichend an die Justiz gelangt sei, sagte die Ministerin am Montag im Deutschlandfunk. Um eine Verjährung der Fälle zu verhindern, müsse aber nach Wegen gesucht werden, das Schweigen zu durchbrechen und bereits bei Anhaltspunkten auf Missbrauch möglichst frühzeitig Ermittlungen durch die Justiz zu ermöglichen, forderte die FDP-Politikerin.
Auch Mädchen unter den Opfern
Für Schulen in katholischer
Trägerschaft gelte aber eine Direktive der Glaubenskongregation von 2001,
nach der auch schwere Missbrauchsfälle zuallererst der päpstlichen
Geheimhaltung unterlägen und nicht an Stellen außerhalb der Kirche
weitergegeben werden sollten, kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger.
Stattdessen solle nach der Direktive intern untersucht werden. Dabei werde
nicht deutlich gemacht, möglichst frühzeitig die Staatsanwaltschaft
einzuschalten.
In den vergangenen Wochen waren zahlreiche Missbrauchsfälle vor allem an katholischen Schulen und Internaten bekanntgeworden. Beim massenhaften sexuellen Missbrauch im Reform-Internat Odenwaldschule waren nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" auch Mädchen unter den Opfern. Die Zeitung beruft sich auf einen ehemaligen Schüler. In einem Fall sollen sich zwei Lehrer ein Mädchen als sexuelle Gespielin "geteilt" haben. "Es ging da in all den Jahren sehr freizügig zu", zitiert die "FR" den Zeugen. In mehreren Fällen sollen Lehrer ihre jugendlichen Geliebten später auch geheiratet haben.
Vaterrolle schamlos ausgenutzt
Der Ex-Lehrer Salman Ansari
prangerte die Ausnutzung der Machtposition durch seine Kollegen an: Selbst
wenn die Mädchen älter als 16 Jahre gewesen sein sollten, müsse man von
sexuellem Missbrauch ausgehen. Da an der Reformschule der Lehrer
gleichzeitig "Familienoberhaupt" sei, übernehme er für seine
schutzbefohlenen Schüler eine Art Vaterrolle, die in diesen Fällen schamlos
ausgenutzt worden sei.
Ein weiterer Schüler berichtete, wie Kritiker mundtot gemacht worden seien. Es habe in den 70er und 80er-Jahren eine regelrechte "Anti-Spießer-Hysterie" geherrscht, welche die Übergriffe erst möglich gemacht habe. Wer seinerzeit etwas bemerkt und gesagt habe, sei "sofort als Spießer geächtet worden. Das war grauenhaft", sagte der Mann der "FR". Eine unabhängige Kontrollinstanz habe es nicht gegeben. Im Grunde hätte die Schulleitung eingreifen müssen, dort aber habe der ebenfalls des Missbrauchs beschuldigte Rektor gesessen.